Umwelt

Atommüll kehrt in Kürze nach Philippsburg zurück

Noch vor Jahresfrist rollen Castorbehälter mit radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufbeeitungsanlage in Le Hague ins Zwischenlager Philippsburg. Die Verantwortlichen bemühen sich um Transparenz. Wie sicher sind die Castoren?

Von 
Stephan Alfter
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Atommüll-Zwischenlager Philippsburg im Jahr 2010: Hier lagern inzwischen 102 Castor-Behälter. Nun kommen nochmals vier hinzu. © Uli Deck/dpa

Philippsburg. Auch wenn der genaue Termin und die Streckenführung aus Sicherheitsgründen geheim gehalten werden: In den kommenden Wochen werden vier Castorbehälter mit radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufbereitungsanlage im französischen Le Hague über die Schiene nach Philippsburg rollen.

Der Müll stammt von den Brennelementen deutscher Atomkraftwerke, die über Jahre in England (Sellafield) und Frankreich wiederaufbereitet worden sind. Deutschland ist zur Rücknahme dieser Altlasten sowohl völkerrechtlich als auch privatrechtlich verpflichtet. „Die Rückführung gehört zu einem verantwortungsvollen Atomausstieg“, sagte Jörg Michels, oberster Geschäftsführer der EnBW Kernkraft GmbH am Donnerstag bei einem Pressegespräch.

Bereits 102 Castorbehälter mit Atommüll im Zwischenlager Philippsburg

Nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem bis vor wenigen Jahren die inzwischen gesprengten Kühltürme am Rhein eine veritable Landmarke darstellten, befindet sich das massiv gesicherte staatliche Zwischenlager Philippsburg. Hier stehen bereits 102 Castorbehälter mit Atommüll. Nun kommen vier weitere hinzu. Platz ist theoretisch für 152 Elemente. Es soll aber der letzte Transport dieser Art nach Philippsburg sein.

Transport und Behälter

  • Vier mit hochradioaktiven Abfällen beladene Castor-Behälter vom Typ HAW28M (HAW = High Active Waste) sollen nach Philippsburg.
  • Die Abfälle werden bei rund 1 100 Grad mit Silikatglas verschmolzen und in zylindrische Behälter aus Edelstahl gegossen, die man Kokillen nennt.
  • In einen Castor-Behälter passen 28 Kokillen. Diese sind an sich schon mehr als 100 Tonnen schwer, beladen 115 Tonnen. Das ist in etwa das Eineinhalbfache des Gewichts eines Flugzeugs vom Typ Airbus A300-600.

Rückblende: Die Ankündigung eines solchen Castortransports hat in der Region besonders Mitte der 90er Jahre zu intensiven Protesten von Atomkraftgegnern geführt. Tausende Demonstranten, die teilweise aus dem gesamten Bundesgebiet anreisten, versammelten sich mehrmals vor Ort und versuchten, die Transporte dieser Behälter zu stoppen oder gar zu unterbinden.

Vom „Tag X“ war damals die Rede. Gelbe Fahnen mit dem Symbol für Radioaktivität wehten rund um ein Camp der Anti-Atombewegung in Philippsburg. Menschen ketteten sich an Gleisen fest. Es waren Großeinsatztage für die Sicherheitsbehörden und die Polizei. Bilder, die an die großen Proteste im Emsland und die Diskussion um die geplante Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf Mitte der 80er Jahre erinnerten.

Proteste von Atomkraftgegnern am 9. November in Karlsruhe und Philippsburg geplant

Heute ist mit einem derartigen Aufmarsch von Atomkraftgegnern nicht mehr zu rechnen. Die Ausgangslage hat sich drastisch verändert, nachdem die Bundesregierung unter CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel in Folge der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat. Allerdings haben Atomkraft-Gegner für den 9. November zu Kundgebungen in Karlsruhe und Philippsburg aufgerufen - samt Anti-Atom-Protestfahrt vom Karlsruher Hauptbahnhof nach Philippsburg.

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Im April 2023 wurden die letzten Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Eine große Frage ist aber geblieben: Wohin mit dem Atommüll? Ein Endlager ist bisher nicht in Sicht. Das Philippsburger Zwischenlager ist vorerst bis 2047 genehmigt. Der Ort war ab 1979 vier Jahrzehnte Kernkraftstandort. Die beiden Reaktoren werden seit 2017 beziehungsweise 2020 zurückgebaut.

Verantwortlich für das Zwischenlager ist aber nicht EnBW als früherer Betreiber, sondern die Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), die seit 2017 existiert und dem Bundesumweltministerium unterstellt ist. Sie ist damit beauftragt für die Sicherheit bei der Zwischenlagerung zu sorgen. Hauptabteilungsleiter Wolfgang Arnold nutzte die Gelegenheit, am Donnerstag detailreich zu erklären, warum sich die Bevölkerung keine Sorgen über austretende radioaktive Strahlung machen müsse.

Hat Verwaltungsgerichtshof das letzte Wort zum Transport?

Die Behälter hätten Fall- und Feuertests bestanden sowie die Explosion eines gefüllten Tankwagens mit Flüssiggas direkt daneben. Der Castor sei einige Meter vom Versuchsaufbau entfernt ins Erdreich eingeschlagen, aber dicht geblieben, so die Experten.

Bei den „Containern“ handele es sich um massive Konstruktionen aus Gusseisen und Edelstahl. Die Außenwände hätten eine Stärke von rund 40 Zentimetern. Ein Deckelsystem aus massiven Stahldeckeln als Schutz erfülle höchste Sicherheitsstandards. Kein einziger von 1500 Castoren in Deutschland sei bisher auffällig gewesen.

Ob die vier weiteren, die nun aus Frankreich ankommen sollen, tatsächlich rollen, ist aber noch nicht zu 100 Prozent sicher. Beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg liegt ein Eilantrag aus Philippsburg vor. Dieser richtet sich laut Bürgermeister Stefan Martus (parteilos) gegen die Änderungsgenehmigungen zur Einlagerung der Castoren. Aus seiner Sicht hätte die in den vergangenen Jahren verschärfte geopolitische Sicherheitslage mehr berücksichtigt werden müssen. Jörg Michels gibt sich entspannt: „Die Genehmigungen liegen vor“, sagt er.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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