Rhein-Neckar. Ein digitales Impfzertifikat gilt als fälschungssicherer und einfacher Nachweis einer Impfung gegen das Coronavirus. Sich ein digitales Impfzertifikat mit einer Fälschung zu beschaffen könnte jedoch nicht einfacher sein. So stürmen Menschen derzeit nicht nur mit echten, sondern auch mit gefälschten Impfpässen in die Apotheken in der Metropolregion, um an ein gültiges digitales Zertifikat zu gelangen.
Oliver Teichmann, Inhaber der Hof-Apotheke in Heidelberg, spricht von einer „immensen Belastung“ der Apotheken. Pro Tag stelle alleine eine seiner Filialen bis zu 300 Zertifikate aus. Normalerweise benötigen die Mitarbeitenden hierfür zwei bis drei Minuten pro Impfung. Sobald jedoch der Verdacht einer Fälschung vorliegt, fallen über 20 Minuten Arbeitszeit an, um die Chargennummern und Stempel zu überprüfen. Von diesen gebe es bei ihm zurzeit zwei bis drei pro Tag.
„Fälschungen werden besser“
Auch Volker Fehst, Inhaber der City-Apotheke in Ludwigshafen, berichtet von diesen Zahlen: „Im November kamen bis zu zehn gefälschte Pässe pro Tag vor. Seit circa einer Woche sind es deutlich weniger, nur noch zwei bis drei.“ Dass die Zahlen der gefälschten Impfpässe derzeit rückläufig sind, scheint sich in der ganzen Metropolregion zu bestätigen. Oliver Friebis, Mitarbeiter in der Mannheimer Pelikan Apotheke, nennt einen möglichen Grund: „Die Fälschungen werden immer besser.“ Somit werde es immer schwieriger, die Fälschungen von den richtigen Impfausweisen zu unterscheiden - am Ende könnten also wohl oder übel falsche Zertifikate ausgestellt werden.
Fälschungen strafbar
- Laut neuem Infektionsschutzgesetz vom 24. November ist das Verwenden eines falschen oder das Fälschen eines Impfpasses strafbar.
- Zuvor bestand hier eine Strafbarkeitslücke, da das Vorlegen von falschen Gesundheitszeugnissen nur in Behörden strafbar war – nicht in Apotheken.
- Heute wird das Fälschen von Gesundheitszeugnissen mit der Urkundenfälschung gleichgesetzt und mit einer Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft bestraft.
- Dabei ist es egal, ob das Dokument in einer Behörde, einer Apotheke, einem Restaurant oder einem anderen Ort vorgelegt wird.
Strafbarkeitslücke geschlossen
Wenn in den Apotheken ein Impfpass sicher als gefälscht identifiziert wird, rufen die Mitarbeitenden die Polizei. Vor allem in der Heidelberger Hof-Apotheke sei dies kein Problem, erklärt Teichmann: „Direkt gegenüber ist eine Wache der Polizei.“ Die Beamten kommen dann in die Apotheke und nehmen die Personalien der Betroffenen auf. Seit einigen Wochen steht das Verwenden von gefälschten Impfausweisen unter Strafe. Zuvor bestand eine Strafbarkeitslücke, da das Vorzeigen und verwenden eines gefälschten Impfnachweises in einer Apotheke nicht strafbar war. Heute müssen Täterinnen und Täter mit einer Geldstrafe und bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Doch diese Maßnahme der Politik reicht laut den Apothekern in der Region nicht.
„Als Apotheker sind wir dafür nicht ausgebildet“, erklärt Fehst, dass er nicht jede Fälschung erkennen kann. Dennoch liegt es in der Hand der Apothekerinnen und Apotheker darüber zu entscheiden, ob ein Impfpass echt ist. „Die Aufgabe der Digitalisierung muss wieder in die Hand von behördlichen Stellen gegeben werden“, fährt Fehst deshalb fort. Diese seien für das Erkennen von Fälschungen besser ausgebildet, was im Endeffekt zu weniger falsch ausgestellten Impfzertifikaten führe. Dabei gehe es jedoch nicht nur um die Digitalisierung der Impfausweise, sondern auch um die Digitalisierung des kompletten Gesundheitssystems, ergänzt Stefan Baum, Inhaber der Einhorn-Apotheke in Speyer.
„Wenn es eine zentrale Datenbank gäbe, in der alle Gesundheitsdaten schnell und einfach abgefragt werden könnten, wäre das Modell besser umsetzbar“, erklärt Baum weiter. Beispielsweise in Frankreich oder Skandinavien gibt es bereits solche Modelle. In Deutschland traf das digitale Impfzertifikat bei der Einführung dagegen auf ein größtenteils analoges und damit fälschungsunsicheres System. Auch im Punkt Bürokratisierung kommt es in den Apotheken deshalb zu Problemen. Teichmann kritisiert den regelrechten „Papier- und Dokumentationsberg“, der für jedes Zertifikat ausgedruckt und ausgefüllt werden muss.
Politik muss nachbessern
„Da ist es besser, es einfach zu lassen“, bewertet Teichmann die aktuelle Lage der Digitalisierung der Impfzertifikate. Zwar stehen die Apotheken in Kontakt mit der Polizei, die Hinweise zu aktuellen Betrugsmaschen und falschen Stempeln gibt. Doch das reiche nicht aus, um den Fälschenden das Leben schwer zu machen. Die Politik müsse ihren derzeitigen Plan nachbessern. Um sicherzustellen, dass über Fälschungen kein digitales Zertifikat ausgehändigt wird, ist laut Bundesgesundheitsministerium zurzeit „besondere Aufmerksamkeit geboten.“ Weitere Präventionsmaßnahmen gibt es nicht. Besser wären laut den Apothekern jedoch bessere Überprüfungsmöglichkeiten der Chargennummern und Fälschungssichere Impfpässe, um die Situation unter Kontrolle zu bringen.
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