Ludwigshafen. Mutter und Großmutter haben 600 Kilometer hinter sich. Die Angehörigen des Stammes der Massai haben es geschafft. Sie sind am Krankenhaus Dodoma Christian Medical Centre (DCMC) angekommen. Es liegt am Rande der Hauptstadt Tansanias, Dodoma. Sie waren ein paar Tage unterwegs. Gekommen sind sie wegen der deutschen Ärzte, die hier 14 Tage lang kostenlos operieren.
Sie haben den kleinen Letiti mitgebracht. Der eineinhalbjährige Junge kann nicht laufen. Mit wenigen Monaten fiel er in ein Feuer und verbrannte sich sein Bein. Die schlechte Wundversorgung sorgte dafür, dass die Narbenbildung so verlief, dass sein Bein stark verkürzt ist.
Interplast Germany: Oft werden die Folgen von Verbrennungen behandelt
Wegen Fällen wie diesem war Anästhesistin Kerstin Röhm mit einem vierköpfigen Team von der Sektion Kurpfalz des Vereins Interplast bis vor Kurzem in Dodoma. „Viele der Menschen hier haben schlecht behandelte Verbrennungen, die starke Einschränkungen zur Folge haben. Die Menschen in Tansania kochen am offenen Feuer und die Kinder sind häufig unbeaufsichtigt und fallen ins Feuer.“ Die Eltern hätten häufig nicht die finanziellen Mittel, um ihre Kinder angemessen behandeln zu lassen, aber vielen Ärzten fehle auch die Ausbildung, gerade in der plastischen Chirurgie. Es gebe häufig keine Weiterbildungen.
Hier beginnt die Arbeit von der freiwilligen Gruppe aus Deutschland. Röhm reiste mit dem Chirurgen Steffen Baumeister, OP-Schwester Deborah Falkenau aus Villingen-Schwenningen und Anästhesiefachkraft Claudia Bethge aus Ludwigshafen nach Dodoma, um die Kinder zu operieren. Aber auch, um die Ärzte zu schulen. Sie arbeiten ehrenamtlich. Normalerweise sind sie in Krankenhäusern beschäftigt und opfern für die Einsätze in Entwicklungsländern ihre Freizeit.
Ärzte von Interplast Germany: Urlaub oder Überstunden abbauen
„Wir nehmen Urlaub oder bauen Überstunden ab“, sagt Röhm. Das Team führt nur plastische Operationen durch. Dabei gehe es nicht um Ästhetik, sondern häufig um das Wiederherstellen von Körperfunktionen. „Es gibt Fälle, da waren beide Hände verbrannt und sind dann wie eine Faust zusammengewachsen.
So können Kinder nicht mal in die Schule gehen und schreiben lernen“, erzählt die Anästhesistin. Häufig seien nach Verbrennungen Gliedmaßen verkürzt oder etwa Oberarme am Oberkörper festgewachsen. Diese würden dann chirurgisch getrennt. Es gebe auch Fälle, in denen Menschen wegen Verbrennungen die Augen nicht mehr schließen könnten, was zu dauerhaften Entzündungen führe. Oft würden auch Tumore aus dem Gesicht entfernt.
Das ist der Verein Interplast Germany
- Das medizinische Personal aus verschiedenen regionalen Sektionen operiert ehrenamtlich in Entwicklungsländern
- Interplast führt im Jahr etwa 70 Einsätze weltweit durch. Die Einsätze werden durch Spenden finanziert
- Die plastisch-rekonstruktiven Operationen stellen Körperfunktionen wieder her. Die Patienten kämpfen oft mit schweren Entstellungen, aber auch mit angeborenen Fehlbildungen oder großen Hauttumoren
- Weitere Informationen und Spendenkonto unter: https://interplast-germany.de/
„Viele Menschen legen sehr weite Wege zurück, um sich von uns behandeln zu lassen“, sagt Röhm. Der Andrang sei groß gewesen. „Es kamen etwa 800 Patienten“, berichtet Röhm. Die örtlichen Ärzte hätten dann eine Vorauswahl getroffen. Kriterien waren, ob es Fälle gebe, die auch von den heimischen Ärzten behandelt werden könnten oder bis zum Einsatz nächstes Jahr warten könnten.
Interplast Germany in Afrika: Ein Einsatz kostet etwa 15 000 Euro
Um möglichst vielen Patienten helfen zu können, war das Team täglich zwölf bis 14 Stunden im Einsatz, sechs Tage die Woche. „In Dodoma haben wir 50 Operationen in zwei Wochen durchgeführt“, erzählt Röhm. Dabei gab es einige Herausforderungen zu meistern. „Schon die Anreise ist eine logistische Herausforderung. Wir bringen sehr viele Utensilien mit, die wir zum Operieren brauchen, weil es diese dort nicht gibt“, sagt Röhm. Sie seien mit acht Koffern je 32 Kilo angereist. Der nächste Flughafen ist acht Stunden vom Krankenhaus entfernt. Allein die Anreise dauerte 24 Stunden.
Der Verein finanziert sich nur über Spenden. Ein Einsatz kostet etwa 15 000 Euro. Interplast bezahlt sämtliche anfallenden Ausgaben - auch den Aufenthalt der Patienten in den Krankenhäusern sowie Materialien, Narkosen, Schmerzmittel und Antibiotika. „Die Patienten haben keine finanziellen Mittel. Häufig ist es für sie schon mühsam, die Fahrt zu bezahlen“, sagt Röhm.
Besonders berührt hat Röhm der Fall des kleinen Massai-Jungen, der zu Beginn geschildert wurde. Nachdem die Ärzte sein verkürztes Bein operiert hatten, konnte er das erste Mal in seinem Leben laufen. „Seine Mutter und Großmutter waren total gerührt und haben geweint. Das war wirklich ein toller Moment.“ Auch die Dankbarkeit der beiden sei rührend gewesen. Sie wollten Röhm eine Kuh schenken. „Das ist etwas sehr wertvolles in der Kultur der Massai. Ich habe mich wirklich sehr gefreut. Leider musste ich ablehnen: Selbst zerteilt hätte die Kuh nicht in die Koffer gepasst!“
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