Deidesheim. Samstagabend, 20.15 Uhr. Gedimmtes Licht in geschmackvoll eingerichteten Räumen. Auf dem Teller ein wirklich leckeres Stück Fleisch an einer formidablen Soße. Im Glas ein Sauvignon Blanc Fumé aus dem Hause Oliver Zeter - fraglos ein Höhepunkt des vergangenen Wochenendes.
Deidesheim ist ganz unzweifelhaft das kulinarische Zentrum der Pfalz, wahrscheinlich sogar der gesamten Kurpfalz. Hier leben und arbeiten Spitzengastronomen in unmittelbarer Nachbarschaft. Das LA Jordan, das Leopold, das Restaurant Schwarzer Hahn, das Restaurant Sankt Urban oder das Sushi B sind Aushängeschilder des sogenannten Fine-Dining-Sektors. Die Liste der Top-Weingüter wie Reichsrat-von-Buhl, von Winning oder Bassermann-Jordan ist übrigens beliebig erweiterbar. Und wer es zwanglos in einer sehr lockeren Umgebung mag, der fällt nach dem Essen dem Weinkenner hinter der Theke von Weisbrodts Weinbar 1911 in die Arme.
Und doch richtete sich der Blick in den vergangenen Monaten besonders auf ein Objekt, das den Deidesheimern und letztlich der ganzen Region besonders am Herzen liegt. Denn das erste Haus am Platz war ganz früher im wahrsten Sinne des Wortes nicht der Deidesheimer Hof, in den der 2017 verstorbene Altkanzler Helmut Kohl gefühlt jeden zweiten Staatsgast schleifte, sondern es ist das Historische Gasthaus „Zur Kanne“, das direkt gegenüber liegt - das älteste Wirtshaus der Pfalz.
Erste Erwähnung des Gasthauses "Zur Kanne" in Deidesheim im Jahr 1160
Die Geschichte der Gaststätte lässt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Historischen Dokumenten zufolge entstand es im Jahr 1160 aus einem Pilgerhospiz. Im Hochmittelalter war die „Kanne“ eine Herberge des Klosters Eußerthal. Im Jahr 1400 ist das Wirtshaus erstmals als „Zum Krug“ erwähnt, 1532 heißt das Gebäude wieder „Zur Kanne“. 1951 wurde es von der „Kannengesellschaft“ unter anderem von Albert Bürklin vom gleichnamigen Wachenheimer Weingut erworben, wie Quellen belegen. Zu 40 Prozent Mitbesitzer der Immobilie in der Weinstraße 31 war bis zum Jahr 2016 auch Carl-Horst Brune, der 2019 im Alter von 97 Jahren als beliebter Wohltäter und großzügiger Spender in Edingen-Neckarhausen gestorben ist (wir berichteten damals).
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Nun gibt es seit dem vergangenen Jahr einen neuen Besitzer - die Riffelmacher Invest GmbH. Dahinter steht der gebürtige Schifferstadter Unternehmer Frank Riffelmacher, der sich beruflich offensichtlich nicht zwischen Immobiliengeschäft und Weinbusiness entscheiden wollte und daher einfach beides miteinander verbunden hat, indem er das Objekt vom Wachenheimer Weingut Bürklin-Wolf und dessen Betreiberin Bettina Bürklin von Gurazde erwarb. Einen einstelligen Millionenbetrag wird er am Ende des Prozesses investiert haben. Im September 2023 hieß es: „Türen auf“.
Personalnot? Im Gasthaus"Zur Kanne" in Deidesheim nicht!
Was man nach wenigen Monaten des Betriebs nun sagen kann, drückt Riffelmacher so aus: „Unser Konzept geht voll und ganz auf. Wir mussten viel improvisieren, um der Nachfrage gerecht zu werden“. 25 Personen seien auf unterschiedliche Weise im der Kanne beschäftigt, elf davon in der Küche. Schwierigkeiten, an geeignetes Personal zu kommen, habe er nicht gehabt. Deidesheim sei als kulinarisches Zentrum womöglich ein Sprungbrett. Wer hier mal gearbeitet habe, der habe gute Chancen, in anderen Häusern genommen zu werden.
Riffelmacher selbst ist die Freude an dem, was er tut, anzusehen. Am Samstagabend stand er selbst an der Eingangstür, empfing die Gäste und begleitete sie zu den Tischen. Das Publikum sei gemischt - etwa 50 Prozent davon Touristen. Die Kanne - das wiederholt Riffelmacher - „ist ein Statement“. Und zwar ein Statement für die Wiederbelebung einer Tradition. Nach dem Weggang des Gastronomen-Ehepaars Florian und Karin Winter, die bis 2016 in der Deidesheimer Kanne für eine ausgezeichnete Küche standen, gab es ein weniger erfolgreiches Zwischenspiel als Vinothek bis 2018.
„Mir war wichtig, dass hier nicht Wohnungsbau oder McDonald’s entsteht. Überregional war die Kanne als Gourmetrestaurant bekannt“, sagt der 45-jährige Riffelmacher, der in ein meist ausgebuchtes Buchungsportal schaut, über die Zeit mit dem Ehepaar Winter. Die Kanne sei schon wegen ihres Alters pfälzisches Kulturgut. Um Selbiges in volle Blüte zu bringen, arbeiten der Eigentümer und seine Kollegen von der Gesprächsstoff Weinwerk GmbH, die das Restaurant von der Riffelmacher Invest GmbH gepachtet hat, gerade am Konzept für den Freisitz. Rund 100 Plätze sollen im Frühjahr zu den bisherigen 120 im Innenraum hinzukommen. Dazu wird die alte Hofanlage gerade auf Vordermann gebracht. Riffelmacher will mit der Kanne an alte Zeiten sehr guter Gastronomie anknüpfen und dabei nicht vergessen, dass das alles auch irgendwie pfälzisch bleibt.
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