Lesbos, Kramatorsk, Rafah - da, wo der 30-jährige Schifferstädter Patrick Münz ehrenamtlich arbeitet, geht es sehr oft um Leben und Tod. Gerade hält er sich im Süden des Gaza-Streifens auf, wo er Kopf einer rotierenden Gruppe von sechs bis acht Kollegen ist, die seit Februar im Auftrag der Berliner Hilfsorganisation CADUS versucht, Menschenleben zu retten. „Es ist bitter notwendig, dass wir hier vor Ort sind“, sagt Münz, der den Hilfseinsatz von zwei Ärzten, vier medizinischen Helfern und einem Techniker koordiniert, am Telefon. Nur wenige Kilometer weiter seien von der Mittelmeerküste her Beschüsse des Gazastreifen seitens der israelischen Armee zu hören, beschreibt er die Lage nahe der Grenze zu Ägypten. Es ist erst wenige Wochen her, seit das israelische Militär der Zivilbevölkerung dazu geraten hat, in den Süden des Gazastreifens zu fliehen. Nun gibt es auch hier offene Kampfhandlungen - und daher viele Verletzte.
Münz hilft unter dem Dach Weltgesundheitsorgansation WHO
Münz’ Hauptarbeitsort ist ein sogenannter Traumastabilisierungspunkt - ein Lager unter dem Schirm der Weltgesundheitsorganisation WHO, in das Schwerstverletzte gebracht werden und von wo aus sie in die noch vorhandenen Krankenhäuser transportiert werden. Zumindest im Kern ist es eine ähnliche Aufgabe, die Münz auch schon in den vergangenen Jahren für die Stuttgarter Organisation STELP übernommen hatte. Mit Helm, schusssicherer Weste und weiteren schützenden Utensilien war er entlang der östlichen Frontlinie im Donbass unterwegs, um letztlich Tausende Menschen sowie deren Tiere vor den vorrückenden russischen Truppen zu retten).
„Für mich ist das ähnlich wie bei einem Autounfall. Ich muss den Menschen helfen“, sagte er damals über seine Motivation. Dass Angst kein Gefühl ist, das ihn über die Maßen beschäftigt, beweist sich auch in diesen Tagen. Schon früh am Morgen koordiniert er gemeinsam in einem Organisationszentrum die dringendsten Aufgaben in Absprache mit anderen Hilfsorganisationen aus aller Welt. Täglich fänden Briefings zur Lage vor Ort etwa mit der WHO oder mit Unicef statt. Es gebe dort verschiedene Cluster, die sich über die Themen Schutz, Ernährung und Gesundheit austauschten. Das klingt zunächst nach viel Bürokratie, aber die Fragen, wie man zu Benzin für die Fahrzeuge und zu den Verbrauchsmaterialien am Traumastabilisierungspunkt kommt, werden dort im Beisein von Patrick Münz besprochen und umgesetzt.
Mit Beginn des Ramadan wurden Angriffe intensiver
Interessant ist die Beobachtung des Schifferstädters, dass die Beschusssituation sich mit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan verschärft habe.
Seit der Nacht auf Montag seien ab 22.30 Uhr mehr Jets am Himmel und mehr Drohnen im Einsatz. Der Ort, an dem er morgens mit der Arbeit beginne, liege in der sogenannten „green Zone“, fünf Kilometer weiter beginne die rote Zone, und dort seien auch Einschläge von Geschossen hör- und sichtbar. In Chan Yunis komme es zu „Clashes“ zwischen der israelischen Armee und militanten Gruppierungen der Hamas. Und eben aus dieser Gegend kommen die kritischen Fälle, die in einem der beiden Zelte landen, die vom Palästinensischen Roten Halbmond betrieben werden. Das ist eine Art Rotes Kreuz im Gazastreifen. Dessen Arbeit unterstützt CADUS ganz konkret: Hier werden Wunden versorgt, die durch Schrapnelle entstanden sind, und Menschen werden Kugeln aus dem Leib geschnitten. Münz spricht von etwa 35 Verletzten pro Tag. Es gebe auch immer wieder Tote. Das alles werde dokumentiert.
Evakuierung aus dem Norden des Gazastreifens
Eine weitere Hauptaufgabe ist die Evakuierung von Verletzten, die vom Norden des Gazastreifens in den Süden gebracht werden müssen. Das sei bisher Sache des Palästinensischen Halbmonds gewesen, aber dessen Fahrzeuge seien nicht mehr sicher vor israelischem Beschuss. Einige Mitarbeiter seien sogar verhaftet worden. Den Grund dafür kenne er nicht, so Münz. Die Weltgesundheitsorganisation habe da jetzt die Führung übernommen und strukturiere diese Hilfe neu, indem sie Fahrzeuge, Benzin und Instandhaltung organisiere.
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Eine private Sicht auf den Konflikt und eine entsprechende politische Einordnung will Münz gegenüber der Öffentlichkeit nicht vornehmen. „Es geht darum, hier humanitäre Arbeit zu leisten“, sagt er. Anders sei die Situation im Vergleich zur Ukraine, weil damals eine Gefahr für ihn von russischen Truppen ausgegangen sei. Hier wisse die israelische Armee über jede Fahrt der Hilfsorganisationen in den Gazastreifen bescheid, weil sie vorher mit Nummernschild gemeldet werde. Es gebe gerade ein Momentum, das man nutzen wolle, um viele Krankentransporte aus dem Norden in den Süden zu etablieren. Aber auch hier sei das System einfach überlastet.
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