Geschichtspolitik Reaktion der Gemeinde Hirschberg ist völlig falsch

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Konstantin Groß
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Carl wer? - so mögen sich manche am Frühstückstisch fragen. Selbst Leute, die in deutscher und Sportgeschichte eigentlich ganz fit sind, kommen bei dem Namen Carl Diem ins Straucheln. Doch gerade diese Tatsache, dass er immer noch unter dem Radar der Öffentlichkeit kreist, macht es möglich, dass dieser fanatische NS-Sportfunktionär so lange durch die Benennung von Straßen, Hallen und Sporteinrichtungen geehrt wurde und wird. Viele Kommunen machten und machen das rückgängig. Hirschberg nicht. Und das ist falsch.

Umkehr beginnt mit der Wahrnehmung der Realität, sagt Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner historischen Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes 1985. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, zur Kenntnis zu nehmen: Diem war ein williger Anhänger der Nationalsozialisten, in deren Dienst er sich stellte, um das Ausland zu täuschen, als Juden bereits verfolgt wurden. Vor allem aber hat er kurz vor dem absehbaren Ende Jugendliche, nein, eigentlich Kinder dazu aufgerufen, für Hitler zu sterben. Unfertige junge Seelen, die ihn als Vorbild und Autorität verehrten und ihm vertrauten. Alleine deswegen fragt man sich, wie man über diesen Mann überhaupt noch diskutieren kann.

Woanders klare Kante

Hirschberg agiert in diesem Fall besonders. In Kommunen wie Mannheim und Ladenburg gehen die Stadtoberhäupter bei der Benennung moralisch kontaminierter Straßennamen beherzt voran. In Schriesheim gibt es zumindest eine politische Diskussion, auch wenn der Rathaus-Chef hier - bislang zumindest- die notwendige eigene klare Positionierung vermissen lässt. In Hirschberg dagegen sieht man noch nicht einmal Anlass, über diesen Namen auch nur nachzudenken.

Das ist falsch und eigentlich auch völlig unverständlich. Denn bislang ist diese Gemeinde beim Umgang mit ihrer Nazi-Vergangenheit ja durchaus vorbildlich. Die Synagoge, die die Barbarei von 1938 überstanden hat, wurde mit vielen kommunalen Mitteln wiederhergestellt. Heute ist sie nicht nur ein architektonisches Schmuckstück, sondern auch Ort lebendiger Erinnerungskultur, nicht nur zum Jahrestag der Pogromnacht am 9. November.

Sogar Grüne ohne Mut

Besonders enttäuschend in der aktuellen Situation ist das Verhalten der örtlichen Grünen. Es zeigt, wie arriviert, ja angepasst das einstige Enfant terrible der Politik mittlerweile an der Bergstraße ist. In den 1980er und 1990er Jahren waren die Ökopaxler noch der Sauerteig der Kommunalpolitik, inzwischen sind sie nurmehr der Zuckerguss (aber natürlich nur, wenn der Zucker nachhaltig und klimaneutral produziert ist. . .).

Allerdings, machen wir uns nichts vor: Mit ihrem totalen Mauern hat die Hirschberger Kommunalpolitik wohl den Beifall der Mehrheit des Publikums auf ihrer Seite. Ihrer Verantwortung vor der Geschichte jedoch wird sie damit nicht gerecht.

Diem hat das Leben vieler junger Menschen auf dem Gewissen. Und wird weiter mit einem Straßennamen geehrt. Die Kommunalpolitik sieht keinen Grund, dies zu hinterfragen. Es bleibt die Hoffnung, dass sich dies ändert.

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