Oper im Krisenmodus

Stefan M. Dettlinger über den Zustand der Opernbesuche am NTM

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Stefan M. Dettlinger
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Helle Aufregung herrschte im Kulturland Deutschland, als vor rund zehn Jahren vier Kulturbesserwisser eine Streitschrift namens „Der Kulturinfarkt“ veröffentlichten. Im Zentrum des hitzig und kontrovers diskutierten Bandes stand die Aussage,der Kulturbetrieb stehe vor einem Infarkt, von allem gebe es zu viel und nahezu überall das Gleiche. Dafür gebe es am Ende des Tages zu wenig Publikum. Angegriffen wurde vor allem die Staatskultur, die die Gesellschaft eigentlich gesund machen solle, es selbst aber längst nicht mehr sei.

Auf unangenehme Weise erinnert man die Debatten von damals, wenn man sieht, wie schlecht die jüngsten Opernpremieren des Nationaltheater Mannheim in der Schildkrötfabrik besucht waren. Schon Purcells „Dido and Aeneas“ war nicht voll. Nun aber, bei Peter Maxwell Davies’ „The Lighthouse“, waren sicher ein Drittel der 380 Plätze frei – wobei einige Anwesende auch noch aus dem Theater selbst stammen. Ist das der Beginn des Infarkts, von dem Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz schrieben?

Sicher ist: Im Spielhaus am Goetheplatz gab es lange vor der Sanierung und auch schon vor Corona sichtbaren Schwund. Was vor 15 Jahren deutlich überbucht war, wurde da noch gerade so einigermaßen vollgemacht. Der demografische Wandel zum einen und dann das stetig wachsende freie Kulturangebot für andere Teile der sich ändernden Gesellschaft zum anderen scheinen sich drastisch auszuwirken.

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Es sich nun mit Steuergeldern und einem Blick zurück im Zorn auf Corona, die Generalsanierung und die vermurkste Oper am Luisenpark gemütlich zu machen und abzuwarten, bis alles wieder geht – das dürfte die falsche Strategie sein. Die Mannheimer Oper ist in einem Zustand der Krise. Punkt. Es muss etwas passieren – nicht nur quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wenn das Haus am Goetheplatz in Richtung 2030, wenn überhaupt, wieder eröffnet, wird die Welt eine andere sein. Viele Opernfans werden nicht mehr in der Lage sein, an den Goetheplatz zu kommen. Aber wer kommt dann noch?

Umgekehrt: Wer will, dass das aufwendige und teure Musiktheater in der zersplitterten Gesellschaft noch einen Platz hat, sollte jetzt erst recht hingehen. Was dort – der Sanierung geschuldet – geboten wird, ist aktuell vielleicht nicht erste Sahne. Dazu ist alles zu improvisiert. Aber es ist gut und wichtig. Die Diskussion über die Notwendigkeit einer für viele antiquiert wirkenden Kunstgattung wird kommen. Je leerer die Säle dann sind, desto heftiger wird sie auf uns niederprasseln.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.