Mannheim. Am Samstag feiert die Siedlergemeinschaft Rheinau-Süd ihren traditionellen Weihnachtsmarkt. Wenn Organisatoren und Besucher dabei auf dem Marktplatz stehen, dann kann ihr Blick auf ein neues Straßenschild fallen: Statt wie bisher „Lüderitzstraße“ steht dort nun auch „Neumayerstraße“ zu lesen. Ob mit einem Glühwein darauf angestoßen wird, das ist dennoch eher unwahrscheinlich. Gleichwohl ist es gut, dass es endlich soweit ist.
Weniger gut, weil völlig unzureichend, ist die Informationspolitik der Verwaltung. Die kleine Notiz in einer als Amtsblatt fungierenden Anzeigenzeitung mag rechtlich ausreichend sein; für die Ansprüche an eine bürgernahe Verwaltung ist sie das keineswegs. Bereits zu diesem Zeitpunkt wären persönliche Anschreiben an die Anwohner zwingend geboten gewesen. Dass sie selbst dann noch nicht erfolgt waren, als die ersten neuen Straßenschilder bereits gehängt wurden, ist völlig unverständlich und ein politischer Fehler. Der kann auch durch die nachträgliche Info nicht völlig ausgebügelt werden.
Und zwar deshalb, weil diese Vorgehensweise der Verwaltung das vor Ort bestehende Gefühl verfestigt, von „denen in Mannheim“ überrumpelt zu werden. Eine proaktive Informationspolitik wäre daher zwingend gewesen angesichts der extrem aufgewühlten Stimmung vor Ort.
Denn die Debatte über die Straßennamen hat in Rheinau-Süd zu tiefen Verwerfungen geführt. Wie nachhaltig diese sind, kann sehen, wer durch die Siedlung läuft: In einigen Höfen der Gustav-Nachtigal-Straße finden sich von den Eigentümern selbst in Auftrag gegebene Schilder mit dem Namen des Kolonialisten. Das ist natürlich völlig legal. Denn sein Grundstück kann jeder gestalten wie er will. Und auch, ob man seinen Garten mit dem Namen eines Menschenschinders schmückt, muss jeder selbst für sich entscheiden. Doch die Botschaft an die Politik, die darin steckt, ist eindeutig, und sie ist Grund zum Nachdenken: eine öffentliche Demonstration der Ablehnung einer Entscheidung, die von dem zuständigen demokratischen Gremium mit breitester Mehrheit getroffen wurde.
Nur drei der 49 Gemeinderatsmitglieder votierten bei der ersten grundlegenden Abstimmung gegen eine Umbenennung. Sie ist daher eben keine Zwangsaktion links-grüner Umerzieher, als die sie oftmals verunglimpft wird, sondern Ausfluss der Erkenntnis, dass man sich der Kolonialgeschichte stellen muss. Dass die bisherigen Schilder bald weg und einige neue schon da sind, das ist daher gut. Und eigentlich auch ein Grund zum Anstoßen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Erinnerungskultur Neue Straßennamen für Mannheim Rheinau-Süd
In Rheinau-Süd geht die vieldiskutierte Straßenumbenennung in die konkrete Umsetzung: Die neuen Schilder hängen schon. Redakteur Konstantin Groß begrüßt, dass es jetzt endlich soweit ist.