Mannheim. Ein qualmender Container hält die ganze Region sprichwörtlich in Atem. Noch immer finden in dem Seecontainer chemische Prozesse statt, die es schlicht nicht erlauben, die Quelle allen Übels zu beseitigen. Die Bilder vom Unglücksort zeigen, dass die Seitenwände des Stahlbehälters deutlich sichtbare Beulen auf der ganzen Länge aufweisen. Man mag sich nicht vorstellen, welcher Druck, welch gewaltige Kräfte im Innern des Containers gewirkt haben müssen, um den Stahl derart zu verbiegen. Die Feuerwehr ist auch 48 Stunden nach der Alarmierung noch immer damit beschäftigt, die 22 Tonnen Hydrosulfit so weit herunter zu kühlen, dass keine weiteren Giftwolken in die Atmosphäre aufsteigen. Die Experten sprechen von einer stabilen Lage. Gelöst ist sie indessen nicht. Und das kann sich zur unendlichen Geschichte entwickeln.
Mannheims Sicherheitsdezernent Christian Specht hat recht: Die eigentliche Arbeit liegt noch vor uns. Es geht darum, zuvorderst die Selbstzersetzungsprozesse und den Austritt des Reizgases Schwefeldioxid zu unterbinden. Dieses ist, wie eine BASF-Expertin in der Pressekonferenz am Mittwoch ausgeführt hat, in hohen Konzentrationen nämlich gesundheitsgefährdend.
Und dann muss der Stoff ja irgendwie weggeschafft und entsorgt werden. Schließlich hält der in der Werftbahnstraße frei stehende Container auch das ganze Logistikgeschäft auf. Den Mühlauhafen hat die Stadt Mannheim sicherheitshalber und sinnvollerweise gesperrt.
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Es wird ein spannender Moment sein, wenn die Experten endlich die Türen des Frachtbehälters öffnen und sehen können, was eigentlich passiert und schiefgelaufen ist. Dann müssen Antworten her auf diese Fragen: Wie konnte es passieren, dass ein Stoff, der seit Jahrzehnten produziert wird, derart außer Kontrolle gerät? Und was lässt sich tun, damit sich ein solcher Unfall eben nicht mehr wiederholt?
Auch wenn das Bleichmittel Hydrosulfit in der Chemie hinlänglich bekannt ist: Es ist und bleibt ein Gefahrstoff, der einen sorgsamen Umgang zwingend vorschreibt. Das zeigt alleine die Anzahl an verletzten Personen. Es ist zwar eine sehr gute Nachricht, dass die Polizisten und der Kranführer nicht mehr im Krankenhaus behandelt werden müssen. Aber es zeigt sich einmal mehr bei solchen Sicherheitslagen: Nicht die letzten, sondern die ersten am Unglücksort beißen die Hunde. Das war beim Unglück bei der BASF 2016 und beim Giftgasunfall auf der Deponie im pfälzischen Gerolsheim 2020 genauso – eine bittere Erkenntnis.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nach Chemieunfall im Mannheimer Jungbusch: Die Arbeit kommt erst noch
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