Wenn es stimmen würde, was die städtischen Stellen nach der überraschenden Totalsperrung des Fahrlachtunnels am 3. August bisher von sich gegeben haben – dann hätte der Tunnel, weil überflüssig, niemals gebaut werden dürfen. Meinen die das wirklich ernst? Es gäbe praktisch kaum Stau und quasi keinerlei Probleme mit Wegfall des Tunnels? Hallo? Gut 60 000 Autos am Tag lösen sich nicht in Luft auf. Sie stehen anderswo im Stau. In der Bismarckstraße beispielsweise, oder in der Reichskanzler-Müller-Straße. Oder in der Auffahrt zum Neckarauer Übergang.
Dass es nicht schon vor den Sommerferien zum Komplett-Stillstand gekommen ist, als der Tunnel auf halbe Kapazität heruntergefahren wurde, hat viel mit der Pandemie zu tun. Arbeitnehmer, die früher pendeln mussten, arbeiten teilweise immer noch im Homeoffice, eine nicht kleine Zahl von ihnen hat wohl auch den zeitweiligen Umstieg aufs Fahrrad vollzogen und – Coronavirus hin oder her: die allermeisten sind zur Zeit schlicht noch in Urlaub. Aber was, wenn in der übernächsten Woche die Schule wieder beginnt, wenn die Firmen ihre Beschäftigten wieder mehr und mehr in die Büros holen? Gibt’s dafür ernsthaft keinen Plan?
Zyniker würden sagen: Die Autofahrer in Mannheim und Umgebung sind seit dem Kollaps der Hochstraße Süd in Ludwigshafen vor zwei Jahren so viel Kummer gewohnt, da kommt’s auf die anderen Baustellen nicht mehr an. Dass das Fahrlachtunnel-Debakel die mühevoll entwickelten Verkehrskonzepte für die Innenstadt und die angrenzenden Stadtteile massiv gefährdet und – schlimmer noch – auf den Status von Mitte der 1990er Jahre zurück wirft, scheint inzwischen zumindest den Mannheimer Grünen zu dämmern.
Am Mittwoch veröffentlichte die Fraktion jedenfalls eine Anfrage an die zuständige grüne (!) Dezernatsleitung im Rathaus, man möge doch die näheren Umstände der Vollsperrung erläutern. Schaufensterantrag? Scherz? Derweil tut sich der kommissarische Dezernatsleiter, Bürgermeister Dirk Grunert, offensichtlich schwer, im Eigenbetrieb Stadtraumservice auf den Tisch zu hauen und Ergebnisse einzufordern. Darauf zu hoffen, dass sich der Berufsverkehr schon irgendwie Ausweichstrecken sucht, kann ja wohl keine Lösung sein. Es müssen jetzt schleunigst klare Konzepte und Terminpläne her, es müssen belastbare Aussagen getroffen werden, wann der Fahrlachtunnel wieder frei ist.
Es gibt Stimmen, die sagen, man sei im Mannheimer Rathaus mit dem anspruchsvollen Betrieb des Tunnels heillos überfordert. Die zuständige Behörde wurde bereits vor einiger Zeit vom jahrzehntelang SPD-geführten Baudezernat ins grüne Mannheimer Umweltdezernat verschoben. Dirk Grunert, eigentlich Bildungsdezernent und während der Elternzeit seiner Grünen-Kollegin Diana Pretzell nun kommissarischer Umweltbürgermeister, hat das Tunnel-Debakel also gleich im doppelten Sinne geerbt. An ihm ist es jetzt, mit Hochdruck dafür zu sorgen, dass die wichtigste Entlastungsstrecke für die künftig autoarme Mannheimer Innenstadt besser heute als morgen wieder in Betrieb geht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer Fahrlachtunnel: Aufmachen, so schnell es geht!
Thorsten Langscheid fordert die schnelle Öffnung des Tunnels