Kommentar Mannheim und der Herbst 2015: Vieles geschafft, manches bleibt schwierig

Mannheim war im Herbst 2015 ein Drehkreuz der Flüchtlingsbewegung. Zehn Jahre danach ist die Bilanz positiv – und doch hat sich etwas verändert, kommentiert Sebastian Koch.

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Sebastian Koch
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Mannheim. Als im Herbst 2015 täglich Busse und Züge mit Geflüchteten ankamen, war Mannheim ein Drehkreuz der Weltpolitik. Die Stadt hat Tausende aufgenommen, hat Unterkünfte improvisiert, Hilfe koordiniert – und ist über sich hinausgewachsen. Zehn Jahre später lässt sich sagen: Das „Wir schaffen das“ hat hier, im Lokalen, im Großen und Ganzen funktioniert.

Die Hilfsbereitschaft 2015 war überwältigend – und sie war es 2022 bei vielen Ukrainern wieder. Solidarität ist in Mannheim keine Ausnahme, sondern Teil des Selbstverständnisses. Integration findet heute im Alltag statt: in Schulen, Betrieben, Vereinen und Nachbarschaften.

Und doch ist der Weg steinig. Viele, die 2015 kamen, kämpfen bis heute mit Formularen, manche jahrelang um eine Aufenthaltserlaubnis oder Anerkennung ihrer Ausbildung. Dass jemand, der arbeitet, trotzdem oft in der Schwebe hängt, ist einer der großen Widersprüche deutscher Integrationspolitik, die sich auch in Mannheim zeigt.

Es ist spürbar, dass sich das gesellschaftliche Klima verändert hat

Eine Bilanz ohne Brüche wäre nicht ehrlich. Der Anschlag eines eingewanderten Afghanen auf dem Marktplatz hat tiefe Trauer gebracht. Angesichts der vielen, die 2015 gekommen sind, war das Attentat für Mannheim eine dramatische, aber fast singuläre Zäsur – und doch hat sie eine Verletzbarkeit offenbart, die geblieben ist.

Rückblick

Flüchtlingsbewegung 2015 in Mannheim: Beteiligte erinnern sich

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Denn so stabil das Zusammenleben in Mannheim funktioniert, so spürbar ist, dass sich das gesellschaftliche Klima verändert hat. Das Sicherheitsgefühl hat gelitten, wenngleich sich das nicht immer mit Daten erklären lässt. Es deshalb kleinzureden, wäre aber falsch. Und doch: Während die AfD andernorts Erfolge feiert, hielt sich der in Mannheim – vom Gewinn eines Direktmandats für den Landtag 2016 abgesehen – bislang noch in Grenzen. Vielleicht, weil in der Stadt das Vertrauen ins Miteinander stärker ist als die Angst.

Ob Mannheim mit leerer Kasse, Wohnungsnot und einem gereizteren Klima einen Herbst 2015 wieder stemmen könnte, ist ungewiss. Der Rückblick zeigt aber, was möglich ist, wenn Verwaltung, Gesellschaft und Ehrenamt zusammenstehen. Das macht Hoffnung.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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