Kommentar Mannheim ist in der Klimapolitik ein Scheinriese

Europaweiter Vorreiter oder Maulheld? Mannheim ist beim Klimaschutz ein bisschen was von beidem, findet Martin Geiger.

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Martin Geiger
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Mannheim. Mannem vorn, lautet ein beliebter Spruch. Und beim Klimaschutz trifft er sogar zu - zumindest beim konzeptionellen Teil. Ein Klimaschutzaktionsplan mit 364 Maßnahmen, ein eigenes Online-Portal zum Umsetzungsstand, eine erfolgreiche Bewerbung als Modell- und Vorreiterstadt der EU, ein Local-Green-Deal-Nachhaltigkeitskonzept mit neun Personalstellen und ein großes Energieunternehmen, das Vorreiter der Wende ist und mehrheitlich der Stadt gehört: Es dürfte deutschlandweit, vielleicht sogar europaweit, wenige Kommunen geben, die mehr zu bieten haben. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch: Bei der Umsetzung all dieser hochfliegenden Pläne sieht es deutlich mickriger aus.

Der Klimaschutzaktionsplan: mehr oder weniger von Beginn an unterfinanziert und ohne die politische Rückendeckung, die es für eine schnelle, konsequente Umsetzung bräuchte. Dazu viel zu wenig An- und Vorstöße von Umweltdezernentin Diana Pretzell (Grüne), die dem Gemeinderat eigentlich quartalsmäßig Vorlagen auf den Tisch legen müsste, die dem Klima wirklich helfen und mehr als nette Bilder produzieren.

Mannheim ist nicht die Vorzeigekommune - sie kann es gar nicht sein

Das EU-Modellstadt-Programm: ein politischer und finanzieller Reinfall, bei dem man schon froh sein muss, wenn die kargen Erträge wenigstens den immensen Aufwand decken, den es verursacht hat. Was jedoch - das muss man anerkennen - nicht an der Stadt liegt, sondern an der EU, die außer großen Visionen bislang wenig zu bieten hatte, sowie an Bund und Land, die sich offensichtlich keinen Deut um das Vorhaben scheren.

Die Wärmewende: ein sehr wichtiges und komplexes Unterfangen, bei dem jedoch außer der MVV nur wenige durchzublicken scheinen, weshalb es so wirkt, als habe die Stadt diese elementare Aufgabe mehr oder weniger an das Energieunternehmen ausgelagert. Das spart der Kommune zwar viel Geld, birgt aber das Risiko des Steuerungsverlusts in sich.

So könnte man weitermachen, denn wie so oft im Leben verbirgt sich auch beim Klimaschutz in Mannheim hinter dem schönen Schein eine etwas weniger schöne Realität. Darum haben die lokalen Aktivisten mit ihrer Kritik im Prinzip schon recht: Mannheim ist nicht die Vorzeigekommune, die es gerne wäre. Man muss jedoch ebenfalls bedenken: Realistischerweise kann sie es in diesen herausfordernden Zeiten gar nicht sein.

Und womöglich muss sie es auch nicht. Denn allen Unkenrufen zum Trotz kommt die klimagerechte Transformation in unserer Stadt, in Deutschland, in Europa voran. Zwar langsamer als notwendig. Aber immerhin.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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