Wo man auch hin sieht und zuhört: Die leitenden Leute von Kultureinrichtungen sehen tiefe Veränderungen bei den kulturellen Reflexen der Menschen. Mannheims Kunsthallen-Chef Johan Holten bringt das auf den Punkt: Alles sei unberechenbar geworden seit der Pandemie.
Genau genommen hat sich während Corona aber nur eine Entwicklung drastisch beschleunigt, die zuvor eingesetzt hatte. Statt sich in Konzert- oder Theater-Abos zu binden, statt Termine langfristig zu planen oder gar in großangelegten Aktionen als Besuchergruppe Kulturreisen zu machen, will das kunstinteressierte Bürgertum heute spontaner agieren. Freizeit, Freiheit und Erlebnisgesellschaft gehen da Hand in Hand. Hinzu kommt die Konkurrenz. Die Menschen sind stets auf der Suche nach Alternativen etwa zum Klassikkonzert, zur „Becoming Cobra“-Schau oder zum Besuch von „Babylon“ im Kino. Und es gibt sehr viel davon.
Hinzu kommt, dass sich der Mensch zuhause ganz gut eingenistet hat. Bei Netflix, Soundbar und gutem Wein lässt sich eben auch auf dem Heim-Sofa „Aida“ oder „Avatar“ gucken. So, wie einige heute kaum noch aus dem Homeoffice raus wollen, weil sie in Jogginghose und Pantoffeln auch ganz gut klar kommen, scheint sich auch der Kulturfreak ins Homeoffice zurückzuziehen.
Man kann das beklagen. So schnell ändern wird man es nicht. Doch alle, die ihre Gewohnheiten überdurchschnittlich reflektieren, sollten bedenken: Was stirbt, weil die Gesellschaft der Gegenwart ihm keine Relevanz mehr zugesteht, wird so schnell nicht wiederkehren. Da gilt leider: Tot ist tot!
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kultur im Homeoffice
Stefan M. Dettlinger über den Wandel im Umgang mit Kultur