Der Überraschungseffekt ist überschaubar. Der Vertreter eines Landes, das Homosexuelle verfolgt und ins Gefängnis werfen lässt, bezeichnet Homosexualität als „geistigen Schaden“. So weit, so schlimm, so vorhersehbar. Dass Khalid Salman, der Mann der diesen diskriminierenden Schmutz in der ZDF-Dokumentation „Geheimsache Katar“ von sich gab, Botschafter des katarischen Organisationskomitees ist, gibt der Affäre nur einen offiziellen Anstrich.
Natürlich ist diese Aussage skandalös, aber die FIFA bekommt jetzt eben genau das beschämende Turnier mit den entsprechenden Negativschlagzeilen, das der korrupte Weltverband verdient hat. „Konzentrieren wir uns auf den Fußball“, flehte FIFA-Präsident Gianni Infantino die 32 WM-Teilnehmer in einem Brief an. Auch diese bewusste Ignoranz überrascht nicht. Infantino steht damit ganz in der Tradition seines Vorgängers Sepp Blatter, der erst jetzt, im seligen Alter von 86 Jahren, erkannt hat, dass die Vergabe der WM in das kleine Emirat ein „Irrtum“ war, für die er als damaliger Präsident die „Verantwortung“ trug. Späte Einsicht. Aber besser spät als nie.
Infantino spricht hingegen völlig realitätsfremd weiter von der „besten WM aller Zeiten“ und er meint damit wirklich ohne Ironie das Turnier der Schande in Katar. Der Schweizer FIFA-Boss hat die Scheuklappen fest aufgesetzt und will – natürlich aufgrund handfester wirtschaftlicher Interessen des Weltverbandes – die WM ohne größere politische Nebengeräusche über die Bühne bringen. Man muss inständig hoffen, dass diese Rechnung nicht aufgeht.
Keine westliche Arroganz
Die WM-Berichterstatter, die nach Katar reisen, müssen genau hinschauen und sie müssen den Finger immer wieder in die Wunde legen. Vertreter der queeren Gemeinschaft leben in Katar gefährlich, auf Homosexualität stehen bis zu sieben Jahre Gefängnis. Menschenrechtsorganisationen berichten über willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen von Lesben und Schwulen. Es sind keine Einzelfälle, sondern die mittelalterlich anmutende Gesetzgebung Katars.
Diese unzumutbaren Zustände zu brandmarken, hat nichts mit westlicher Arroganz oder Rassismus gegenüber der arabischen Welt zu tun, wie es die katarische Propaganda neuerdings behauptet. Zu lieben, wen man will, gehört zu den universellen Rechten eines jeden freien Menschen. Wer das bestreitet, ist selbst derjenige, der diskriminiert.
Es bleibt dabei. Humanismus ist nicht verhandelbar. Auch nicht, wenn man sich vor zwölf Jahren mit zigmillionen Petrodollar eine Fußball-Weltmeisterschaft gekauft hat.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Katars WM-Botschafter beleidigt Homosexuelle: Lieben, wen man will
Die homophoben Aussagen des katarischen WM-Botschafters sind skandalös. Die FIFA bekommt das beschämende Turnier, das sie verdient hat, kommentiert Alexander Müller