Die TSG Hoffenheim hat zum dritten Mal nach den erfolgreichen Rettungen 2013 (mit Trainer Markus Gisdol) und 2016 (mit Julian Nagelsmann) den Kopf aus der Schlinge gezogen. Nach dem 4:2-Sieg gegen Union Berlin haben sich die Nordbadener ihrer Abstiegssorgen am vorletzten Spieltag faktisch entledigt. Hoffe bleibt erstklassig. Mit Hängen und Würgen - und vor allen Dingen aufgrund von vier Heimsiegen seit dem 25. Spieltag unter Trainer Pellegrino Matarazzo. Also alles wieder gut im Kraichgau? Beileibe nicht.
Was will die TSG Hoffenheim eigentlich sein?
Dass der Absturz in die 2. Liga verhindert werden kann, beseitigt zwar das akuteste Problem des Clubs. Doch die Hoffenheimer Krise reicht viel tiefer. Da ist vor allem die Gretchenfrage nach der Identität. Was will die TSG eigentlich sein? Nur ein Ausbildungs- und Verkaufsclub, der entwicklungsfähigen jungen Spielern ein ideales Sprungbrett für höhere Weihen bietet - inklusive üppiger Transfererlöse? Oder doch ein ambitionierter Verein, wie es Mäzen Dietmar Hopp vorschwebt, der regelmäßig um die Plätze im Europapokal mitspielen muss? Ein klassischer Zielkonflikt, den es aufzulösen gilt.
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Damit einher geht der auch in der immer noch überschaubaren aktiven Hoffenheimer Fanszene mittlerweile sehr kritisch beäugte Einfluss von TSG-Übervater Hopp aufs Tagesgeschäft. Zuletzt soll der 82-Jährige versucht haben, in einem Alleingang seinen Trainerkandidaten Kenan Kocak als Nachfolger des geschassten Andre Breitenreiter zu installieren. Auch wenn die sportliche Leitung um Manager Alexander Rosen am Ende ihre Wunschlösung Matarazzo durchsetzen konnte - professionelle Strukturen sehen anders aus. Das gilt auch für die kolportierte Abhängigkeit des Vereins von Spielerberater Roger Wittmann, der über Fürsprecher Hopp eine schädliche Machtfülle bei der TSG erlangt haben soll.
Dazu kommt die Diskussion um personelle Veränderungen in der Sportlichen Leitung. Die Krise in dieser Saison hat sogar Langzeit-Manager Rosen - seit zehn Jahren in führender Rolle bei Hoffenheim - in Bedrängnis gebracht. Anfang April machten Gerüchte um eine Ablösung des Direktors Profifußball bei der TSG im Sommer die Runde. Auch wenn diese von Hopp dementiert wurden: In Hoffenheim ist vieles in Bewegung geraten.
Ein echter Neustart ist nötig
Wie geht es wieder nach oben, zumindest in die sicheren Gefilde der Liga? Die Vertragsverlängerung des auch von einigen namhaften Konkurrenten umworbenen Eigengewächses Dennis Geiger ist ein Fingerzeig, wie der neue Hoffenheimer Weg künftig aussehen muss. Mit einer noch stärkeren Verzahnung des Profiteams mit der eigenen (vorbildlich modernen) Nachwuchsakademie. Mit einer geerdeten, volksnahen Philosophie, die so manchen Arroganzanflug aus den ersten Bundesliga-Jahren endgültig vergessen lässt.
Dann werden sich möglicherweise auch wieder mehr Menschen in der Region für die TSG begeistern lassen. Im Zuschauerranking beendet die TSG diese Spielzeit auf einem Abstiegsplatz. Zum Glück landen die Hoffenheimer in der sportlichen Abschlusstabelle nach einer teils gruseligen Seuchensaison am Ende ganz knapp über dem Strich.
Der Klassenerhalt muss aber Auftrag sein, einen echten Neuanfang zu starten - bei dem es keine Denkverbote geben darf.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Hoffenheim braucht trotz Klassenerhalt einen Neuanfang: Die Frage nach der Identität
Alles wieder gut im Kraichgau? Beileibe nicht. Warum der Klassenerhalt für die TSG Hoffenheim der Auftrag sein muss, einen echten Neuanfang zu starten. Ein Kommentar von Alexander Müller