Kommentar Heiße Träume

Die Grundlagenforschung in Biblis für eine Kernfusionsanlage ist ein großer Wurf, findet Bernhard Zinke. Die Technologie wird jedoch in den nächsten Jahrzehnten nicht kommerziell verfügbar sein.

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Bernhard Zinke
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Biblis. Die Träume reichen bei manchem Zeitgenossen schon wieder in den Himmel. Gerade wird das Kernkraftwerk abgerissen, das über Jahrzehnte eine riesige Symbolkraft hatte – sowohl für Befürworter als für Gegner der Atomkraft. Und schon trommelt die Politik dafür, dass in Biblis wieder Strom aus Kernenergie produziert werden könnte.

Nicht Kernspaltung, sondern Kernfusion ist das Zukunftsthema. Befeuert von einem Aktionsplan der Bundesregierung, die das erste Fusionskraftwerk der Welt in Deutschland bauen lassen will, sieht die hessische Landesregierung Biblis bereits als Zentrum dieser Fusionsforschung und „Keimzelle für die Energieversorgung made in Hessen“.

Keine Frage: Der Standort hat enormes Potenzial. Das Gewerbegelände kann wegen seiner Größe und Erschließung zu Wasser, Straße und Schiene in der Tat elektrisieren. Aber das können die anderen ehemaligen Kernkraftwerksstandorte auch.

Die Technik hat, soweit wir heute wissen, ihre großen Vorteile: Es entstehen keine lange strahlenden Spaltprodukte, sondern „nur“ radioaktives Tritium. Und das hat gerade mal eine Halbwertszeit von zwölf Jahren. Durch die hohen Temperaturen im Reaktionsprozess könnte gleichzeitig grüner Wasserstoff entstehen.

Doch die Grundlagenforschung zur Kernfusion dauert schon Jahrzehnte. Und erst 2022, also vor drei Jahren, gelang es in einem Laborversuch in Kalifornien, mehr Energie zu erzeugen, als hineingesteckt wurde. Allerdings nur winzige Sekundenbruchteile und unter idealen Laborbedingungen. Das ist weit entfernt von einer industriell-kommerziellen Nutzung.

Vor allem die CDU postuliert geradezu mantraartig die Forderung nach Technologie-Offenheit, bei Autoantrieben genauso wie in der Energiegewinnung. Dagegen ist ja erst einmal nichts einzuwenden. Die Erforschung der Kernfusion ist nicht nur verlockend, sondern sogar eine zwingende Notwendigkeit auf der Suche nach neuen CO₂-freien Energiequellen. Allerdings sollten die Träume von der Kernfusion als der Lösung für alle Energieprobleme nicht heiß laufen: Den Strombedarf der nächsten 20 bis 30 Jahre wird eine solche Technik nicht decken können.

Außerdem: In Biblis läuft erst einmal der Aufbau für ein Grundlagenforschungsprojekt. Und das hat mit Laserfusion noch gar nichts zu tun. Es gibt tatsächlich vieles, was für Biblis als Forschungsstandort spricht. Unseren Energiebedarf der nächsten Jahrzehnte müssen wir jedoch anderweitig decken. Und das zunehmend CO₂-frei.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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