Kommentar Hass und Häme gedeihen vor unserer Haustür

Wer gesehen hat, was während dem Mannheimer OB-Wahlkampf im Netz über die Kandidierenden so von sich gegeben wurde, braucht sich über die Zunahme von Übergriffen auf Amtsträger im Land nicht zu wundern, findet Lea Seethaler.

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Lea Seethaler
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Wer gesehen hat, was während der Mannheimer OB-Wahl im Netz so über die Kandidierenden von sich gegeben wurde, braucht sich über Zunahme von Übergriffen auf Amtsträger im Land nicht zu wundern. Wir alle wissen, dass auf Worte Taten folgen. Doch einigen scheint nicht bewusst zu sein, dass auch vermeintlich harmlose Sätze sich im Netz aufsummieren. Denn Algorithmen sind Negativverstärker.

Hass und Häme sind überall

Hass und Häme sind bereits überall. Ein weiteres Beispiel aus der Region: In Edingen motzten vor einigen Tagen Leute über einen nagelneuen Spielplatz: „Wie immer ein großes Dankeschön an alle bürokratischen Sesselfurzer, welche von solchen Dingen keine Ahnung haben, aber Hauptsache unüberlegt Steuergelder rausschmeißen“. Konstruktive Kritik sieht anders aus. Auf einem anderen Level bewegt sich ein Beispiel aus dem fränkischen Wertheim aus dieser Woche: Mitarbeiter des Ordnungsamts waren auf einem Foto in einer Facebook-Blitzer-Meldegruppe beim Installieren einer Messanlage zu sehen und wurden angefeindet: „Selber Schuld, wenn man so einen Job hat“, kommentierte ein User mit einem hämischen Lachsmiley. Die Stadt erwägt nun, Anzeige zu erstatten, wenn in sozialen Medien Bilder veröffentlicht werden, auf denen Mitarbeitende der Stadtverwaltung zu erkennen sind.

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Wehrhafte Behörden - aber bitte auch selbstkritische

Richtig so. Die Behörden müssen sich wehren. Ein endlich guter Schritt auch, dass die Adressen von Kandidaten bei kommunalen Wahlen nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen. Eine richtige Reaktion auf unsere verrohte Gesellschaft. Aber Behörden müssen auch selbstkritisch sein. Das gilt für die Erfassung der politisch motivierten Kriminalität. Wenn die Rubrik „nicht zuzuordnen“ immer größer wird, heißt das nichts anderes, als dass die Behörden sich immer schwerer tun, Straftaten klar zu benennen. Und sich hier wohl genau die diffusen Demokratiefeinde formieren, die in der Statistik bei „rechts“ fehlen. Sehr bedenklich! Bitte die Straftaterfassung selbstkritsch evaluieren und sich als Staat analog zu den Feinden formieren. Auch digital!

Zivilcourage im Netz tut gut

Und, um auf das Beispiel vom Spielplatz zurückzukommen, auch als Bürgerin oder Bürger sollte an im Kleinen dagegenhalten: Der Kommentar „Du solltest lieber einen Brief an die Gemeinde/den Bürgermeister“ richten eines Users unter dem Gemotze in Edingen macht Hoffnung. Und ist so wichtig.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion