Handball Gislason muss Medaillen liefern

Alfred Gislason bleibt Handball-Bundestrainer. Trotz des vierten EM-Platzes gab es berechtigte Kritik an ihm, meint Marc Stevermüer

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Marc Stevermüer
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Es mag auf den ersten Blick ein recht skurriles Szenario sein: Da zieht der Bundestrainer Alfred Gislason bei der Handball-EM mit der deutschen Nationalmannschaft ins Halbfinale ein und sorgt für den größten Erfolg seit fünf Jahren. Und trotzdem muss er anschließend erst einmal fünf Wochen warten, bis sein Arbeitsvertrag verlängert wird.

Am Montag verkündete der Deutsche Handballbund (DHB), dass Gislason – eine Qualifikation für die Olympischen Spiele in diesem Sommer vorausgesetzt – bis nach der Heim-WM 2027 Bundestrainer bleibt. Es gibt also Gewissheit. Aber ist auch alles gut? Und vor allem: Wird alles gut? Es bleiben Zweifel, die sich so recht keiner auszusprechen traut. Wenn man von Bob Hanning, dem Manager des Bundesliga-Topclubs Füchse Berlin, absieht.

Berechtigte Kritik

Vier Siege in neun EM-Spielen trotz des Heimvorteils, diese Turnier-Bilanz fand Hanning ein wenig dürftig. Dass Gislason außerdem die Breite des Kaders und die Qualitäten der U-21-Weltmeister nicht komplett nutzte, missfiel ihm ebenfalls. Und wenn man ehrlich ist: Das darf man so sehen. Es gibt sogar gute Gründe für diese Sichtweise: Nils Lichtlein, Stammkraft bei Hannings Club, kam kaum als Ersatz von Spielmacher Juri Knorr zum Zug. Dass Knorr gegen Turnier-Ende die Kräfte fehlten, ging auch mit dem Bundestrainer nach Hause.

Und die These, dass Senkrechtstarter Renars Uscins ohne die Abreise von Routinier Kai Häfner in den letzten beiden EM-Partien wohl kaum so viel Einsatzzeit erhalten hätte, dürfte selbst beim DHB keine Proteststürme auslösen. Wenn man so will, wurde Gislason beim Thema Uscins zu seinem Glück gezwungen.

Im Jubelrausch nach der EM fragten sich viele: Was will der Nörgler Hanning schon wieder? Andererseits kann man aber auch fragen: Warum übten bei vier Siegen in neun Spielen nicht mehr Leute deutlicher Kritik? Ehemalige Nationalspieler meldeten sich in den vergangenen Jahren immer reflexartig und wortgewaltig, wenn es um Ex-Bundestrainer Christian Prokop ging. Dessen Lobby ist jedoch nicht so ausgeprägt wie die von Gislason, der mit Uwe Schwenker im DHB-Präsidium einen der mächtigsten Strippenzieher im deutschen Handball auf seiner Seite weiß. Die beiden verbindet eine langjährige Männer-Freundschaft. Weshalb es auch nicht verwunderte, dass sich Schwenker zuletzt vehement für einen Verbleib des Bundestrainers aussprach.

Es wird nun spannend, wie sehr Gislason gewillt ist, einen Mann wie Lichtlein einzubauen. Der Bundestrainer braucht ihn. Weshalb nach der EM der Vorwurf des damals ungewöhnlich dünnhäutigen Isländers in Richtung Hanning, dass der Füchse-Manager nur den Einsatz seines Spielers forcieren wolle, wenig hilfreich war. Es wirkte für einen gestandenen Trainer wie Gislason, der stets souverän und aufgeräumt wirkt, ein wenig unprofessionell. Und es erschwert die künftige Zusammenarbeit mit Lichtlein, einem der größten Talente des deutschen Handballs, den der Bundestrainer wieder an die Spitze führen soll.

Nichts anderes ist der Auftrag. Nichts anderes ist das Ziel. Was auch bedeutet: Vierte Plätze werden auf die Dauer nicht reichen. Und vier Siege in neun Spielen sowieso nicht. Der Druck wächst also. Es muss eine Medaille her. Zeitnah.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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