Nun hat die Politikverdrossenheit auch die Amts- und Mandatsträger erreicht. Kommunalparlamentarier haben in der Region – mehr oder minder öffentlichkeitswirksam – den Bettel hingeschmissen. Besonders kulminiert der Protest auf der linksrheinischen Seite der Metropolregion. Aber in Rheinland-Pfalz kann auch der neugefasste kommunale Finanzausgleich nicht das ändern, was über die Pfalz hinaus die Kämmerer landauf, landab umtreibt: Städte und Gemeinden sind chronisch unterfinanziert.
Pflichtaufgaben – meist von Bund und Land nach unten durchgereicht, ohne die Finanzmittel in ausreichendem Maße nachzuschieben – wringen die kommunalen Stadtsäckel aus. Am Ende bleibt für Investitionen und Gestaltungsspielraum kaum ein Cent übrig. Die kommunale Selbstverwaltung wird ad absurdum geführt.
Die Menschen erleben direkt vor der Haustür, wo es überall klemmt: Straßen sind Holperstrecken, Schulen und Kindergärten keine Wohlfühlorte mehr, die Digitalisierung hinkt hinterher. Gefühlt hakt und hapert es an allen Ecken und Enden. Bei weitem nicht alle Mängel sind freilich „denen da oben“anzulasten. Da kommt gerade sehr viel Krise von allen Seiten zusammen.
Die richtige Zeit also für einen „Weckruf“? Zumindest Jutta Steinrucks SPD-Austritt hallt noch immer nach und klingelt den – nun ja, jetzt – ehemaligen Parteifreunden in Bund und Land in den Ohren. Und auch der geschlossene Rücktritt von Freisbach, sei das Dorf noch so klein, hat seine Wirkung nicht verfehlt.
Solche „Weckrufe“ sind allerdings eine gefährliche Waffe, treiben sie doch die latent Unzufriedenen weiter den Populisten in die Arme. Bund und Länder müssen begreifen: Es braucht Geld in den kommunalen Kassen, mit dem die Verantwortlichen vor Ort Heimat wieder gestalten und nicht nur den Mangel verwalten. Und es braucht Kommunalpolitiker, die sich ihrer Verantwortung für die Demokratie vor Ort bewusst sind. Denn Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – und entsteht vor der Haustür.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Frust von Amts- und Mandatsträgern: Die Gefahr des Weckrufs
Bernhard Zinke findet, dass ein öffentlichkeitswirksamer Parteiaustritt oder Rücktritt eines kompletten Gremiums aus Protest auch eine Gefahr für die Demokratie bedeuten kann