Nun hat die hässliche Debatte über den Krieg zwischen der Hamas und Israel mit sämtlichen Anfeindungen bis hin zu Antisemitismus auch die Kulturszene der Metropolregion erreicht. Die Biennale für aktuelle Fotografie ist kurzerhand abgesagt. Einer der Kuratoren hatte sich deutlich propalästinensisch auf sozialen Plattformen geäußert, ja, das Existenzrecht Israels infrage gestellt. Damit hat der Bangladescher Shahidul Alam in Deutschland eine rote Demarkationslinie überschritten: Israel und der Zionismus sind im Land der Erdenker, Organisatoren und Täter des größten Verbrechens an der Menschheit, dem Holocaust, nicht verhandelbar! Und das ist gut so!
Gut im Sinne einer bunt gemixten Gesellschaft ist auch, dass man Menschen aus anderen Kulturkreisen eine künstlerische Stimme gibt, dass man sich austauscht mit Freigeistern aus Ländern, die in den vergangenen Jahrzehnten mehr Unterdrückung, Unrecht und Leid erfahren haben als wir. Wir laden sie ein und sagen: Schaut her, bei uns gibt es Meinungsfreiheit, hier könnt ihr sagen, was ihr denkt, machen, was ihr wollt, könnt euch künstlerisch austoben – (fast) ohne Tabus.
Und wie zuletzt bei der Documenta reibt man sich plötzlich die Augen: Was? Die Eingeladenen, die ja eine andere Kultur, Erziehung und einen anderen Glauben haben, denken nicht alle wie wir in der westlichen Wertegemeinschaft? Wie kann das sein? Nüchtern betrachtet wirken solche Missverständnisse naiv. Die Sensibilität für antisemitische Tendenzen ist eben in vielen Ländern sehr unterschiedlich. So hat man mit heftiger Kritik an der israelischen Politik und offenem Antisemitismus in vielen islamischen Ländern eher weniger Probleme. Selbst in so „westlich“ geprägten Staaten wie der Türkei stehen die Leute überwiegend deutlich an der Seite der Palästinenser.
Wir aber haben eine besondere Verantwortung. Unverrückbar auf sehr lange Zeit. Dass man jemanden wie Shahidul Alam nach seinen Äußerungen als Kurator nicht dulden kann, steht da außer Frage. Aber auch die Methode, bei der Auswahl von Kunstschaffenden bisweilen durch rosarote Brillen das ganz Besondere zu suchen, ist überdenkenswert. Alam ist Muslim und Aktivist! Das hätte in unseren hochsensiblen Zeiten auch vorher schon Fragen aufwerfen können.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Fotobiennale abgesagt: Antisemitismus darf niemals geduldet werden
Mit der Absage der Biennale für aktuelle Fotografie hat die Debatte über den Krieg zwischen der Hamas und Israel mit sämtlichen Anfeindungen bis hin zu Antisemitismus auch die Kulturszene der Metropolregion erreicht. Wäre das vermeidbar gewesen?