Editorial Fest der Engel

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Karsten Kammholz
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Liebe Leserinnen und Leser!

„Fürchtet Euch nicht!“ Ziemlich mutig, dieser Engel, der da in der Weihnachtsgeschichte den verängstigten Hirten gut zuredet. Aber so ist das mit den Engeln. Sie geben Schutz, und sie sind da, wenn man es mit der Angst zu tun bekommt. Man muss nur an sie glauben.

Selbst wenn man an ihnen zweifelt, gehören Engel doch zur Kulturgeschichte. Überall begegnen wir ihnen, in der Kunst, in der Musik, in der Literatur, in der Architektur, im Süßwarenregal. Zur Weihnachtszeit sind sie allgegenwärtig, der Kitsch kennt mitunter keine Grenzen.

Auch hier, in unserem Internetauftritt, suchen sich die Engel ihren Raum. Angefangen mit der Weihnachtsgeschichte von Ingrid Noll (die Sie sich auch anhören können) werden Sie, liebe Leserinnen und liebe Leser, an vielen Stellen auf Engelsgeschichten stoßen. Und Sie werden feststellen, wie sehr der Engelsglaube in das Denken und Fühlen der Menschen eingedrungen ist. Es scheint, als glitten Engel, diese transzendenten Schwellenwesen, im menschlichen Bewusstsein von einem Raum in den anderen, von der Fantasie in die Wirklichkeit. Auch dann, wenn die Wirklichkeit wehtut und sich anfühlt wie Umbruch und Krise.

Der Engel aus der Weihnachtsgeschichte kommt uns also gerade recht. Auch deswegen haben wir unsere gedruckte Ausgabe intern ehrfürchtig „Engel-Ausgabe“ getauft. Denn wieder feiern wir ein Weihnachten im Ausnahmezustand. Wieder ein Fest, dessen erhoffte Glückseligkeit flankiert wird von Traurigkeit, Unsicherheit und Bedrohlichkeit. Volle Intensivstationen, überlastetes Klinikpersonal, erschöpfte Hausärzte. Überall Druck, hier eine Warnung, da ein Verbot. Delta geht, Omikron kommt, die Furcht bleibt. Dann diese nervenaufreibenden Fragen: Weihnachten mit der Großfamilie oder im kleinen Kreis? Ab in den Gottesdienst oder „Stille Nacht“ im Wohnzimmer?

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Der pandemische Alptraum, den auch die Impfungen nicht beenden können, bleibt der Menschheit erhalten. Der Kanzler sagt: „Wir alle sind mürbe und der Pandemie müde.“ Stimmt. Ach, lassen wir Weihnachten besser gleich ausfallen.

Ein absurder Gedanke, nicht wahr? Weihnachten kann natürlich nichts erschüttern, weil Pracht und Prunk dem Fest noch nie gestanden haben. Inmitten der großen und kleinen Dramen der Pandemie kommen wir dem Geheimnis von Weihnachten womöglich viel näher als in vermeintlich normalen Zeiten. Man stelle sich einfach vor, was in Bethlehem vor mehr als 2000 Jahren los war. Weihnachten ist in seinem Ursprung genau genommen rau und verrückt, archaisch und angsteinflößend. So sehr, dass ausgerechnet ein Engel seinen großen Auftritt hat.

„Fürchtet euch nicht! Denn seht, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“, kündigt er die Geburt Jesu an. Welche Kräfte müssen Engel besitzen, wenn sie den Menschen derart wissend und mächtig entgegentreten können? Das kann nur jede oder jeder für sich selbst beantworten. Oder man hält es wie ein Künstler, der über Jahre kaum etwas anderes malte als Engel. Als er gefragt wurde, ob er denn auch an Engel glaube, sagte er: „Ich denke nein, ich glaube ja.“

Frohe Weihnachten, liebe Leserinnen und Leser!

Ihr Karsten Kammholz

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur