Rainer Eder, Matthias Schalk und Martina Rösch
Als Rainer Eder die ersten Fernsehbilder vom überschwemmten Ahrtal sieht, ist er entsetzt. „Die Menschen hatten nichts mehr, von einer Sekunde auf die andere ist alles weg.“ Er belädt seinen Transporter – Eder ist Vespa-Händler und Inhaber des Piaggio-Centers in Mannheim – mit Lebensnotwendigem und bringt die Güter zu einer der eingerichteten Abladestellen, von dort fahren dann größere Lkw die Spenden direkt ins Katastrophengebiet.
Zufälligerweise hat der Freund von Eder, Matthias Schalk, dem der Piaggio-Point in Speyer gehört, einen Freund, der einen Winzer im Ahrtal kennt. Das Weingut Sonnenberg in Bad Neuenahr-Ahrweiler liegt leicht erhöht und bleibt von der Flutwelle der Zerstörung verschont. Mit Hilfe des Rotary Clubs stellen die Winzer Listen auf mit Dingen, die die Menschen benötigen. Eder und Schalk beschließen, für 3500 Euro Waschmaschinen, Wäschetrockner und Radiatoren zu kaufen.
Das Geld spenden sie selbst und bitten Freunde und Bekannte um Mithilfe. Sie beladen ihren Transporter und fahren ins Ahrtal, zum Weingut. Von hier aus werden die Geräte an die Haushalte verteilt. Es ist September und die Lage vor Ort desolat. „Wir waren wahnsinnig erschrocken. Was wirklich passiert ist, sieht man nur in der Realität.“
Eder schreibt eine Dankes-E-Mail an seine Bekannten: „Hallo Freunde der Sonne.“ Darin berichtet er von seiner Tour „ins Zentrum des Unheils“ und vom weiter riesigen Bedarf. „Es geht natürlich vorwärts, aber nicht schnell genug.“ Eder kündigt in der Rundmail eine weitere Spendenaktion fürs Ahrtal an: „Wir werden im Oktober nochmals hinfahren.“ Wieder gehen zahlreiche Spendengelder ein, und Eder und Schalk begeben sich erneut auf Einkaufstour. Diesmal sind vor allem Mikrowellen gefragt. „Die zu bekommen, war eine Herausforderung, wir brauchten ja nicht nur zwei, sondern 20.“ Expert Esch in Mannheim hilft bei der Beschaffung und bietet die Mikrowellen zum Einkaufspreis an, wie Eder erzählt. Am Ende kommen neben den Mikrowellen 15 Kochfelder, ein Trockner, drei Heizkörper und 15 Kirschkernkissen zusammen.
Von der Hilfsaktion hört schließlich eine Freundin von Eder, Martina Rösch. Die hatte Jahre zuvor von ihrem Vater ein Lager mit Sanitärmaterial geerbt. Viele Händler hatten ihr dafür schon eine Ablösesumme geboten, doch Martina Rösch wollte nicht verkaufen. Als sie von der anhaltenden Not der Menschen im Ahrtal erfährt, die zwar oft noch Geräte besitzen, aber keine Ersatzteile, um diese zu reparieren, überlässt sie das komplette Lager Eder und Schalk. „Das war ein Riesenschatz“, so Eder. Doch wie sollte der ins Ahrtal kommen? Schalk stellt, mit gewisser Hartnäckigkeit, den richtigen Kontakt her: zum Logistikunternehmen Dachser. Das erklärt sich bereit, die Sanitärhinterlassenschaften nach Rheinland-Pfalz zu bringen.
In zwei Tagen räumt Rösch mit ihrer Familie das Lager leer, sieben Paletten kommen zusammen, Duschköpfe, Reparaturteile für Heizungen, Duschwannen. „Viele Dinge, die man überhaupt nicht mehr bekommt, aber braucht, um die alten Geräte instand zu setzen“, sagt Eder.
Der Handwerker, der weiß, was er damit anfangen soll und die Reparaturen durchführen kann, ist auch gefunden, über den Schwiegersohn von Eder. Der ist selbst Sanitärfachmann und über eine Social-Media-Gruppe in Kontakt mit Experten in ganz Deutschland. Einer davon lebt in Bad Neuenahr und ist bereit, sich der Ersatzteile anzunehmen. „So ist ein Rad ins andere gelaufen“, sagt Eder stolz.
Inzwischen hat das Weingut Sonnenberg einen Verein gegründet, Fluthilfe-Ahr, um weiter Spenden zu sammeln, die „zu 100 Prozent bei den schwer betroffenen Flutopfern“ ankommen, die keine Versicherung haben, die ihnen die Schäden ersetzen würde, wie das Weingut betont. Und Rainer Eder sagt, er fühle sich berufen weiterzumachen. Denn: „Es ist noch lange nicht alles gut.“
Lea Wasser
Lea Wasser hat selbst einmal in der Obdachlosenhilfe gearbeitet und weiß um die prekären Verhältnisse, in denen die Menschen leben. So kam sie auf die Idee, ihnen einmal im Jahr eine Freude zu bereiten – in Form von Überraschungstüten. Sie sammelt im Familien- und Freundeskreis Spenden und kauft von dem Geld warme Kleidung, Hygieneartikel, haltbare Lebensmittel, Obst und etwas Weihnachtliches. Frühmorgens an Heiligabend verpackt sie alles in Tüten und teilt diese an die Menschen in den Straßen Mannheims aus.
Beate Droll
Stellvertretende Pflegedienstleistung in einem privaten Pflegedienst auf dem Lindenhof, zwei Töchter, eine Pflegetochter, die die Familie aufgenommen hat, als diese ein siebenjähriges Mädchen war, und noch die eigene Mutter, die achtzigjährig und pflegebedürftig ist – Beate Droll hat alle Hände voll zu tun. „Trotzdem lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen“, erzählt Tochter Jule Droll. Sie hat immer ein offenes Ohr, für die Pflegebedürftigen und die eigenen (erwachsenen) Kinder. „Gerade während der Corona-Pandemie ist die Belastung für die Pflegekräfte sehr groß.“ Darüber hinaus engagiert sich Beate Droll ehrenamtlich in der Almenhofer Markus-Lukas-Gemeinde, ist dort Ältestenkreissprecherin, organisiert Besprechungen, Gottesdienste, Veranstaltungen für Bedürftige. „Meine Mutter ist eine starke Persönlichkeit“, sagt die Tochter stolz.
Ursula Dachtler
Als die eigene Mutter vor wenigen Monaten plötzlich bettlägerig wurde und eine Rund-um-die Uhr-Pflege benötigte, war Ursula Dachtler zur Stelle. Die Mutter war zeitlebens für ihre Kinder da gewesen, nun wollten die Kinder für sie da sein. Ursula Dachtler focht viele Kämpfe aus: mit der neuen Hausärztin, die zu Coronazeiten keinen Hausbesuch machen wollte; im Krankenhaus; im Dschungel der Pflegeanträge; in der täglichen und nächtlichen Pflege. „Sie hat fast ihren gesamten Urlaub aufgebraucht, um da sein zu können“, erzählt ihre Schwester Monika Merling-Vierling. Und auch für alle anderen war und ist Dachtler da – kümmert sich um die eigenen Töchter und ihre Nichte. „Ich kenne einen Engel und habe ihn als Schwester“, sagt Merling-Vierling.
Martina Jöst
Martina Jöst ist Lebensmittelretterin. Mehrmals in der Woche macht sie sich auf den Weg zu Supermärkten, Bäckereien und Tankstellen, um Lebensmittel, die noch essbar sind, vor der Mülltonne zu bewahren. „Food-sharing“ nennt sich die vor zehn Jahren entstandene Initiative, deren langfristiges Ziel es ist, die Verschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren. Bundesweit kooperieren 3000 Betriebe. Die Lebensmittel bringt Martina Jöst dann in Flüchtlingsheime, Kinderheime oder legt sie in „Fairteilern“ ab, aus denen sich Menschen bedienen können. Auch in Mannheim gibt es solche Schränke, etwa auf dem Lindenhof, der Rheinau und in der Gartenstadt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-von-ganz-alltaeglichen-engeln-aus-der-rhein-neckar-region-_arid,1895879.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html