Es ist ein erprobtes Ritual – aber noch nie war es von derart beklemmender Aktualität. Stets im Herbst wird in der ganzen Kurpfalz daran erinnert, dass am 22. Oktober 1940 mehr als 6500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland von den Nationalsozialisten gewaltsam ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert und die meisten von ihnen danach ermordet wurden. Es gibt Gedenkstunden oder, wie jetzt in Mannheim, die Verlegung von Stolpersteinen.
Die Erinnerung an diese Massenmorde an Juden und anderen Minderheiten darf nie verblassen. Daher ist es wichtig, dass es diese Gedenkstunden, dass es Stolpersteine gibt, und dass diese Aktionen eben nicht zum Ritual erstarren. Dass bei der Verlegung der Stolpersteine jetzt in Feudenheim Schüler anwesend waren, ist daher ein ganz wichtiger Schritt, die Bedeutung solcher Tage künftigen Generationen zu verdeutlichen. Denn auch, wenn sie keine Schuld an den Verbrechen der Nazis haben – die Verantwortung dafür, dass es nie wieder so kommt, haben sie geerbt und werden sie vererben, denn „es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, sagte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck 2015 mit Recht.
Und dieser Satz ist heute wichtiger denn je. Mit der AfD bekommt eine Partei immer mehr Stimmen, die von „dämlicher Bewältigungspolitik“ spricht (so Björn Höcke 2017) und damit ein völlig abstruses Geschichtsbild vertritt. In Bayern ist ein Politiker stellvertretender Ministerpräsident, der zumindest den Besitz von einem Flugblatt mit erschreckend menschenverachtender Nazi-Sprache nicht leugnet, dazu ein paar nicht wirklich bedauernde Worte spricht und danach einfach weitermacht, als sei nichts geschehen.
Und jetzt bejubeln noch auf deutschen Straßen Demonstranten die abscheulichen, brutalen Verbrechen der Hamas gegen die Nachkommen der Überlebenden der Schoah. Diese Terrorakte werden in Israel aufgrund der hohen Zahl an Toten, ja der Massaker gerade unter Kindern und Frauen bewusst als erschreckende Parallele zu der brutalen Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten beklagt.
So unterschiedlich all diese Ereignisse sind – in der Summe sind sie alarmierend. Schließlich bedeutet das alles, dass die Empathie gegenüber Opfern sowie die Absage an jede Israel-Feindlichkeit und an jeden Antisemitismus nicht mehr als klarer gesellschaftlicher Konsens gelten. Aber wer Hass zulässt, läuft Gefahr, dass er in Gewalt umschlägt. Daher ist ständige Erinnerung so wichtig.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Erinnerung an Naziverbrechen ist wichtig
Peter W. Ragge erinnert daran, dass am 22. Oktober 1940 mehr als 6500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland deportiert wurden.