Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die tödlichen Schüsse auf der Schönau werfen Fragen auf - schon wieder

Mannheim. 2. Mai 2022, 10. Mai 2022, 23. Dezember 2023: Drei Daten der vergangenen anderthalb Jahre, die sich ins kollektive Gedächtnis Mannheims einprägen werden. Ein Montag, ein Dienstag und ein Samstag, an dem drei Menschen infolge eines Polizeieinsatzes ihr Leben verloren haben. Die Fälle sind unterschiedlich, aber jeder einzelne davon ist tragisch. Für alle Beteiligten: Opfer, Angehörige, Polizisten. Die Häufung solcher Zwischenfälle in Mannheims jüngster Vergangenheit muss mindestens als schlimm bezeichnet werden.

Tödliche Schüsse der Polizei auf der Schönau: Eine Frage stellt sich erneut 

Doch ist die Häufung auch ein unglücklicher Zufall? Oder ein fataler Mix aus steigender gesellschaftlicher Aggressivität, insbesondere Polizisten gegenüber, und mangelnder Ausbildung der Ordnungshüter mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen? Diese Frage warf schon der Einsatz am Marktplatz auf, der im Mai vergangenen Jahres bundesweit Schlagzeilen machte. Nach dem jetzigen Vorfall auf der Schönau stellt sie sich erneut - ausgerechnet einen Tag vor Heiligabend und etwas mehr als zwei Wochen vor dem Beginn des Marktplatz-Prozesses.

Wer allein schon die Videos aus der Johann-Schütte-Straße auf der Schönau gesehen hat, ist fassungslos. Fast unglaublich, was darauf zu sehen ist: Ein Mann mit nacktem Oberkörper steht vor drei Polizisten, die ihre Pistole bereits gezückt haben. Martinshorn, Rufe. Dann ist zu hören, wie ein Schuss fällt, und zu sehen, wie der Mann zusammensackt. Drei weitere Schüsse sind zu hören. Nicht zu sehen ist auf dem Video allerdings, was in den Minuten vor der Szenerie passiert ist - genau das erfordert jetzt akribische Ermittlungsarbeit. Die Sequenz wirkt noch brutaler als die Schläge eines Polizisten am Marktplatz vom 2. Mai 2022. Unvorstellbar, bei so einem Geschehen live dabei gewesen zu sein.

Viele sehen das Video in sozialen Medien - der Zorn ist erneut groß

Und doch haben den Vorfall auf der Schönau viele Menschen vor Ort mitbekommen, noch viel mehr haben die Videos über soziale Kanäle gesehen. Bei vielen ist der Zorn auf die Polizei groß - erneut. Denn auch der Vorfall vom Marktplatz zog wütende Reaktionen nach sich. Mühsam aufgebautes Vertrauen in die Beamten war bei vielen sofort dahin. Polizisten berichteten hinterher von schwierigen Gesprächen mit den Menschen, sogar von Anfeindungen, mehrere Demonstrationen zeugten von der negativen Stimmung ihnen gegenüber. Passiert das nun wieder?

Tödliche Schüsse der Polizei auf der Schönau: Antworten auf offene Fragen jetzt umso wichtiger

Das liegt jetzt auch an den Ermittlungsbehörden. Denn während die Ermittlungen zum Vorfall auf dem Waldhof vom 10. Mai 2022 vier Monate später von der Staatsanwaltschaft eingestellt und die Polizisten vom Vorwurf entlastet wurden, warf das Geschehen am Marktplatz unzählige Fragen auf, die bis heute noch nicht öffentlich geklärt sind. Damals wurde die Öffentlichkeit nur spärlich informiert.

Das macht es jetzt umso wichtiger, Antworten auf offene Fragen zu geben: Ging von dem Mann, der noch mehrere Meter von den Polizisten entfernt stand, eine so große Gefahr aus, dass sie ihn erschießen mussten? Wieso wurden gleich vier Schüsse abgefeuert? Wer hat sie abgegeben? Wohin traf der erste Schuss den Mann? Wohin gingen die drei weiteren Schüsse? Hätten die Polizisten auf Körperteile zielen müssen, bei denen eine Verletzung nicht tödlich endet?

Leider kann man den Ermittlungsbehörden wieder einmal nur raten, offen und schnell zu informieren. Aus dem Desaster nach dem ohnehin schon tragischen 2. Mai 2022 sollten Landeskriminalamt, Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium gelernt haben.