Mannheim. Wer Mitglied einer Tipprunde ist, steht Woche für Woche vor einem Problem. Auf einen Sieg des FC Bayern in der Fußball-Bundesliga zu tippen – das ist in der Regel eine sichere Sache. Aber dazu bedarf es auch nicht eines allzu großen Fachwissens. Schwierig wird es aber beim Rest. Bislang lässt sich in dieser Saison fast kein Ergebnis serös prognostizieren, Trends sind kaum erkennbar. Alles wirkt beliebig. Fast scheint es so, als könne man die Ergebnisse würfeln.
Diese Unberechenbarkeit mag schön für die Spannung sein. Doch in Wahrheit ist diese ausgeprägte Form des Zufalls ein Problem, das Zweifel an der Qualität des großen Ganzen aufkommen lässt. Denn ganz offensichtlich gibt es hinter den übermächtigen Münchnern sowie den gut gestarteten Leipzigern und Dortmundern sehr viele Vereine auf einem gehobenen Durchschnittsniveau.
Zwischen Abstiegsangst und Europapokalträumen liegen Kleinigkeiten.
Die Folge: Zwischen Abstiegsangst und Europapokalträumen liegen manchmal nur Kleinigkeiten, was am Ende zu einem Einheitsbrei führt. Und zwar völlig unabhängig davon, dass sich die Teams natürlich in Spielstil und Herangehensweise unterscheiden. Die einen mögen den Ballbesitz, die anderen das Konterspiel. Jeder Club geht seinen eigenen Weg, doch am Ende sind die Leistungsunterschiede minimal. Was an der englischen Premier League liegt.
Mehr als jemals zuvor zeigt sich gerade, welchen Einfluss die milliardenschweren englischen Clubs auf die Bundesliga und damit auch auf die Entwicklung des deutschen Vereinsfußballs haben. Letztendlich ist die Bundesliga mit Ausnahme des FC Bayern nichts anderes mehr als eine Ausbildungsliga für die Premier League. Ein Selbstbedienungsladen, in dem sich die Engländer nach Lust und Laune umsehen und die besten Profis mitnehmen. Was zwar dazu führt, dass der VfB Stuttgart nach dem 85-Millionen-Euro-Verkauf von Nick Woltemade zu Newcastle United im Geld schwimmt, aber einen erheblichen Qualitätsverlust im Kader hinnehmen musste.
Besonders schlimm erwischte es Bayer Leverkusen, das seine Spitzenkräfte Florian Wirtz, Jeremie Frimpong, Amine Adli und Piero Hincapie ins gelobte englische Fußballland verlor. Eintracht Frankfurt muss ohne Hugo Ekitiké auskommen, RB Leipzig ließ Benjamin Sesko und Xavi Simons auf die Insel ziehen. Sie alle waren große Attraktionen der Bundesliga.
Selbst potenzielle künftige Stars wie der frühere Freiburger Merlin Röhl (FC Everton) oder der von mehreren deutschen Erstligisten umworbene Caspar Jander, der vom Zweitligisten Nürnberg zum englischen Zweitligisten FC Portsmouth weiterzog, suchen ihr Glück nun auf der anderen Seite des Ärmelkanals.
Vor allem Letzteres ist alarmierend: Denn wenn nun nicht mehr nur die Stars, sondern schon die Toptalente der Bundesligisten frühestmöglich in Richtung Insel wechseln wollen, geht das dauerhaft auf Kosten der Qualität und Attraktivität des nationalen Wettbewerbs. Die Quittung dafür wird man im Europapokal bekommen.
Kleiner Tipp: Wer lieber auf Nummer sicher gehen und nicht mehr die Bundesliga tippen will, kann Wetten auf die Sieger der europäischen Club-Wettbewerbe abschließen. Heißeste Anwärter in der Champions und Europa League: FC Liverpool, Arsenal London und Aston Villa. Liebe Grüße aus der Premier League.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Bundesliga steht für Mittelmaß
In der Fußball-Bundesliga kann fast jeder jeden schlagen. Das ist aber kein Qualitätsmerkmal, meint Marc Stevermüer.