Glückwunsch an das Oststadttheater! Es war nicht nur Notlösung und Lückenbüßer, sondern bot als Ersatz-Standort einen stilvollen Rahmen für die Verleihung des Bloomaulordens. Die dazu gezeigte Komödie war kein Schenkelklopfer, sondern eine zum Anlass passende Inszenierung mit Humor ebenso wie nachdenklichen Tönen. Die Bravo-Rufe und der rhythmische Applaus am Ende zeigten, dass das private Ensemble sich viele Sympathien erworben hatte. Und bei einer Frage der Theaterleitung ins Publikum, wer erstmals da ist, meldete sich etwa ein Fünftel der Gäste. Und unter denen hat Mannheims heitere Bühne sicher viele neue Freunde gewonnen. Das Oststadttheater, das sonst oft unter seiner Unterkunft im unbeliebten Stadthaus N 1 leidet, hat die Chance, guter Gastgeber für das Bloomaul zu sein, also prima genutzt.
Das Nationaltheater dagegen hat eine Chance verpasst. Wie kann man die privilegierte Rolle, die Verleihung von Mannheims höchster bürgerschaftlicher Auszeichnung ausrichten zu dürfen, nach über 50 Jahren nur so leicht aufgeben?
Die allerersten Verleihungen des Bloomaulordens 1970 und 1971 fanden noch woanders statt, aber seit 1972 war die Übergabe stets im Nationaltheater. Während der Schließung bei der ersten großen Sanierungsphase 1993 erhielt Gerold Falter im Rosengarten bei einem schönen Konzert des Nationaltheaterorchesters mit Operettenmelodien den Orden. Das kam damals sehr gut an. Schade, ja unverständlich, dass sich das diesmal nicht realisieren ließ. Über die passenden Musiker und Solisten, die das gut können, verfügt das Haus. Doch leichte Muse ist zwar beim Publikum beliebt, nicht jedoch bei vielen Dramaturgen und Chefs.
Doch das Nationaltheater kann es sich nicht mehr leisten, auf dem hohen Ross zu sitzen. In der Intendanten-Etage ist offenbar noch nicht ausreichend angekommen, dass kritische Stimmen bei bislang treuen Theaterfreunden unter der Bürgerschaft, unter Stadträten und Sponsoren lauter werden. Die viele Millionen Euro teure Generalsanierung wird immer öfter angezweifelt. Leider geht dem Nationaltheater nämlich zunehmend das ab, was es seit Jahrzehnten auszeichnete – nämlich seine feste Verankerung in der Bevölkerung und der Stolz auf „unser Theater“ auch bei den Mannheimern, die es nicht ständig besuchen. Daher sollte das Haus eher viel mehr Versuche starten, mit populären Programmen zu punkten, statt sich von solchen wichtigen, bürgerschaftlichen Events wie der Bloomaul-Verleihung zurückzuziehen – und sei es nur vorübergehend.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-bloomaul-pause-des-nationaltheaters-verpasste-chance-_arid,2177665.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-neues-bloomaul-kuendigt-gleich-erstes-engagement-an-_arid,2177663.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bloomaul-Pause des Nationaltheaters: Verpasste Chance
Peter W. Ragge zur Bloomaul-Pause des Nationaltheaters