Mehr als eine Million Christen sind der katholischen Kirche allein in den vergangenen drei Jahren abhandengekommen. Die traurige Realität in den finanziell immer klammeren Bistümern heißt Rückzug aus der Fläche, Konzentration auf größere Einheiten, Verlust von Präsenz und damit weniger Sichtbarkeit. Diese einst so mächtige und reiche Institution dringt im Wettbewerb mit einer Flut von täglichen Nachrichten mit ihrer seelsorgerischen Botschaft nicht mehr durch – auch nicht digital. Und das in einer Zeit, in der Trost und Hoffnung den Menschen so wichtig sind, wie schon lange nicht mehr. Nicht einmal die finanzielle Winterhilfe für Inflationsgeplagte wurde im Bistum Speyer bei der Caritas komplett abgerufen. Das ist seltsam.
Dieser Bedeutungsverlust der Kirche – er ist an vielen Stellen selbst verschuldet. Wer Landmaschinen, Gebäude und Tiere segnet, dieselbe Segnung gleichgeschlechtlichen Paaren gegenüber aber nur unter Widerworten und diffusen Einschränkungen zulässt, der hat insbesondere in Fragen der Seelsorge lange versagt. Gut, dass Papst Franziskus seine ganz harte Linie da jüngst endlich verlassen hat.
Aber: Der Bedeutungsverlust – er wird weitergehen. Selbst wenn in Deutschland weiter Kirchtürme das Bild so vieler Ortschaften prägen, bleiben die meisten Sakristeien immer öfter kalt. Nach dem Motto: Gottesdienst gibt es – aber an diesem Sonntag woanders.
„Vertrauen verspielt“, könnte man angesichts der Missbrauchserkenntnisse aus den vergangenen Jahren schlussfolgern. Aber es ist nicht nur der Missbrauch, der beispielsweise in einem Speyerer Kinderheim stattfinden konnte: Die katholische Kirche bildete die Gesellschaft lange nur dahingehend ab, dass es dort auch viele dieser inzwischen sprichwörtlichen alten weißen Männer gab. Nun gibt es etwas Hoffnung.
Selbst im römischen Vatikan tauchen immer öfter Frauen in Leitungsebenen auf. Darf das als Hinweis gelten, dass Frauen in naher Zukunft auch Priesterämter übernehmen dürfen? Nein, wer die katholische Kirche kennt, der weiß, dass sie hier gespalten ist und noch viele Jahre brauchen wird. Gleichzeitig steht sie unter dem Druck, dass es mit Blick auf den Mitgliederschwund bald vielleicht nicht mehr viel zu spalten gibt.
Es wird nach 1962 Zeit für ein Drittes Vatikanisches Konzil, das die Rolle der Frau neu definiert und der Ökumene deutlich mehr Raum gibt, sonst sind Christen am Ende des 21. Jahrhunderts eine religiöse Minderheit.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Austritte aus der katholischen Kirche: Christen in Deutschland könnten zur Minderheit werden