Die Feiertage sind vorbei, wir haben es uns gut gehen lassen. Glühwein, Christstollen und festliche Mahlzeiten mit mehreren Gängen. Dabei mit reichlich Alkohol angestoßen. Das hat bei den meisten auf der Waage Spuren hinterlassen, man kann die Fettpölsterchen fühlen. Vielleicht muss sogar der Gürtel ein Loch weiter geschnallt werden. Dann heißt die Neujahrsresolution, jetzt wieder mal gesündere Ernährung, „dry January“, also keinen Alkohol, oder andere kurzfristige Verhaltensänderungen, die den Körper entlasten oder entschlacken sollen. So weit, so gut. Das ist löblich, denn tatsächlich sind die Deutschen ohnehin zu dick. Mehr als die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig, davon leidet sogar jede fünfte Person an krankhafter Fettleibigkeit, der Adipositas.
Fettzellen haben zu Unrecht einen schlechten Ruf, denn sie sind für einen gesunden Stoffwechsel unersetzlich.
Übergewicht ist ein schwerwiegender Risikofaktor für Diabetes, Herzkreislauferkrankungen und Krebs, was den Patient*innen und unserem Gesundheitssystem zu schaffen macht. Eine gewichtige Rolle spielt hierbei die Fettzelle, denn die speichert die ganzen süßen und fettigen Extrakalorien, die wir über die Feiertage gefuttert haben. Dabei haben Fettzellen zu Unrecht einen schlechten Ruf, denn diese sind für einen gesunden Stoffwechsel unersetzlich.
Ohne Fettzellen werden wir genauso krank, wie wenn wir zu viele haben. Sie speichern effizient Kalorien und schütten zahlreiche Hormone aus, die Appetit und Verhalten steuern. Wenn wir zunehmen, blähen sich die Fettzellen auf. Bei Adipositas ist diese Speicherkapazität ausgereizt, die Fettzellen sind überfordert und laufen über. Dann landet das Fett da, wo es nicht hingehört. Das verstopft unsere Blutgefäße und führt zur Fettleber. Die ist zwar als Delikatesse bekannt, macht aber leider ernsthaft krank.
Der Gastautor
Prof. Dr. Alexander Bartelt studierte Biochemie an der Universität Hamburg. Nach der Promotion am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2010 arbeitete er lange an der Harvard University in Boston, USA.
Seit 2019 ist er Professor für kardiovaskulären Stoffwechsel an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er ein internationales Forschungslabor leitet (www.kreislaufinstitut.de).
Seine Wissenschaft zum Thema Stoffwechsel wurde vielfach national und international ausgezeichnet, u. a. von der Deutschen Adipositas Gesellschaft (https://adipositas-gesellschaft.de).
Er widmet sich der Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien (@BarteltLab) und ist Autor des allgemeinverständlichen Buches „Der Fettversteher“ (www.ullstein.de).
In unserem Körper finden sich verschiedene Arten von Fettzellen. Diejenigen unter der Haut sind in der Regel nicht so schnell überfordert wie die im Bauchraum. Unsere Haut ist dehnbar, und deshalb ist der sogenannte Birnentyp, also viel Fettgewebe an Po und Beinen, nicht besonders schädlich. Dagegen ist der Apfeltyp, der klassische „Bierbauch“, mit einem schlechten Stoffwechsel verbunden.
Unter der Bauchdecke ist nicht viel Platz, die Fettzellen dort fühlen sich eingeengt und schütten Hormone aus, mit denen sie ihrem Ärger Luft machen. Diese entzündlichen Botenstoffe führen dazu, dass Zellen des Immunsystems ins Fettgewebe einwandern, quasi wie bei einer Wunde. Nimmt man weiter zu, verstärkt sich die Entzündung, verliert man Gewicht, so klingt sie wieder ab. Letztendlich ist die Gesundheit der Fettzellen entscheidend, wie gut es dem Stoffwechsel geht – und deshalb ist zusätzlich zum Body-Mass-Index auch der Bauchumfang ein wichtiges Maß, um zu bestimmen, wie dringend man abnehmen sollte.
Tatsächlich verschwinden die Fettzellen beim Abnehmen nicht, sie werden dabei nur kleiner und sind dann weniger gestresst. Die Mehrheit unserer Fettzellen wird früh im Kindesalter angelegt. Nur etwa alle 10 Jahre tauscht der Körper diese aus. Nichtsdestotrotz verbleiben auch bei Erwachsenen einige Stammzellen im Fettgewebe, die bei Bedarf zu Fettzellen reifen können.
Fettzellen gezielt abtöten, etwa durch Schönheitsoperation mit extremer Kälte, kann dazu führen, dass die Fettzellen unkontrolliert nachwachsen, wie bei Topmodel Linda Evangelista aufgetreten. Fettabsaugen ist auch ein massiver Eingriff in das Unterhautfettgewebe und wir verwenden bei uns im Labor diesen „Abfall“, um das Körperfett besser zu verstehen und die Stammzellen im Reagenzglas zu untersuchen. Auf natürliche Weise abzunehmen, ist der Wunsch vieler Menschen im neuen Jahr, doch aus Erfahrung ist das schwierig. Der Körper gibt seine Extrakalorien nur sehr ungern wieder her, denn das Fett weiß ja nicht, wann die nächste Mahlzeit kommt. Deshalb müssen wir schon sehr an der Energiebilanz schrauben, um die Fettzellen zum Schmelzen zu bringen. Das heißt, wir müssen mehr Kalorien verbrennen, als wir zu uns nehmen.
Wenn wir abnehmen wollen, müssen wir gegen die Biologie unseres Körpers arbeiten“
Essen unterhält unseren Körper mit Energie, und weil das ja eigentlich gut für uns ist, ist Essen mit Vergnügen verbunden. Auf biochemischer Ebene macht Essen glücklich, während die schlechte Laune beim Hungern und Abnehmen leider ein ständiger Begleiter ist.
An dieser Stelle möchte ich herausheben, dass Adipositas eine schwere psychosomatische Erkrankung ist. Oft haben diese Patienten eine lange Leidensgeschichte hinter sich und niemand sucht sich diese Krankheit aus. Diese Patienten benötigen anstatt Häme eine geeignete medizinische Therapie. Bei mehreren Zentnern Übergewicht muss der Körper möglichst schnell entlastet werden – und das ist nur durch die Stoffwechselchirurgie oder die „Abnehmspritzen“ zu erreichen.
Die neuartigen Medikamente, die das Zelloberflächenmolekül GLP1-Rezeptor zum Ziel haben, reduzieren schnell Gewicht, und das, ohne nennenswerte Nebenwirkungen zu haben. Der Kern des Problems ist folgendes: Wenn wir abnehmen wollen, müssen wir gegen die Biologie unseres Körpers arbeiten – und diese folgt einem strikten genetischen Bauplan. Das macht es den meisten Menschen sehr schwer, viel und vor allem nachhaltig abzunehmen. Dabei gibt es in der Regel nicht ein oder zwei Gene, die uns im Weg stehen, sondern es ist vielmehr die grundsätzliche Eigenschaft unseres Stoffwechsels, keine einzige Kalorie zu verschwenden.
Heutzutage hat sich unsere Gesellschaft dahingehend verändert, dass die Versorgung mit Nahrung kaum noch ein Problem darstellt. Oftmals sind sogar stark verarbeitete Lebensmittel mit hohem Zucker- und Fettanteil billiger als frische und gesunde Lebensmittel. Unser genetischer Bauplan eines sparsamen Stoffwechsels passt nicht mehr zu unserem heutigen Ernährungsverhalten und das Resultat ist, dass wir mehr und schlechter Essen als unser Körper es verkraftet.
Was kann ich also tun? Das Essen ist die größte Stellschraube der Energiebilanz, aber wenn wir versuchen, uns die Kilos runterzuhungern, ist das nur schwer durchzuhalten. Der Körper schaltet in den Energiesparmodus, die Fettverbrennung fährt runter, wir fühlen uns schlapp und sind fahrig. Auch wenn dabei kleine Erfolge auf der Waage erzielt werden, macht Hungern keinen Spaß und die Pfunde kehren umgehend zurück. Wenn wir langfristig nichts an unserem Essverhalten ändern, ist der Jojo-Effekt vorprogrammiert. Für eine gute und nachhaltige Strategie muss man sich zunächst selbst verstehen und sich einen personalisierten Schlachtplan zurechtlegen.
Zum Erfolg führen viele Wege. Sport und vermehrte körperliche Bewegung sollten immer dazu gehören, allein schon, weil körperliche Ertüchtigung gut für den Stoffwechsel ist – unabhängig vom Abnehmen. Was das Essen angeht, muss man für sich verstehen, wo die Extrakalorien herkommen und wo ich Kalorien einsparen kann. Oft ist der Alltag das Problem, ob bei der Arbeit oder zu Hause. Dazu gehören „social eating“, zum Beispiel der Geburtstagskuchen bei der Arbeit oder das geliebte Feierabendbier mit süß-salzigen Köstlichkeiten auf dem Sofa, um zu entspannen.
Wichtig ist, das Essverhalten zu steuern. Dazu gehört unweigerlich, Kalorien einzusparen und den Appetit zu kontrollieren. Wie man dies erreicht, kann von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sein, denn wir alle haben unterschiedliche Geschmäcker und Stoffwechseltypen. Es kann gelingen, indem ganze Mahlzeiten ausgelassen werden, wie etwa beim Intervallfasten, oder reguläre Mahlzeiten, aber mit veränderter Zusammensetzung verspeist werden. Hier empfehlen sich sowohl Diäten als auch „low-carb“, also wenige Kohlenhydrate, oder „low-fat“, wenig Fett.
Um Zucker und/oder Fett zu ersetzen, müssen vor allem Ballaststoffe und Proteine im Essen erhöht werden. Da freut sich die Verdauung und das damit verknüpfte Völlegefühl hilft, den Appetit zu zügeln. Verzichten Sie gänzlich auf jeglichen Alkohol und zugesetzten Zucker im Essen oder in Getränken.
Es empfiehlt sich, unverarbeitete Lebensmittel, also volles Korn und Gemüse, auf den Tisch zu bringen.
Grundsätzlich empfiehlt sich, unverarbeitete Lebensmittel, also volles Korn und viel Gemüse, auf den Tisch zu bringen. Diese eignen sich auch ausgezeichnet als Snack zwischendurch. Eine weitere Faustregel lautet tierisches durch pflanzliches Fett zu ersetzen, also Oliven-Öl statt Butter. Weiterhin Fisch statt Fleisch. Wenn Sie an den Urlaub am Mittelmeer erinnert werden, so ist das richtig, denn viele dieser Nahrungsmittel sind Pfeiler der mediterranen Diät. Allerdings dürfen diese Faustregeln nicht als Einladung zum Schlemmen aufgefasst werden, außer vielleicht bei Gurken oder Möhren – die gehen immer.
Eine gesunde und ausgewogene Diät darf auch gerne Ausnahmen haben. Belohnen Sie sich und bauen Sie einen „cheat day“ ein, an dem Sie essen, was Sie wollen. Die Energiebilanz muss aber am Ende der meisten Tage negativ sein. Falls Sie zu den vielen gehören, die schon mehrere, erfolglose Diät-Anläufe unternommen haben, so können Ihnen die neuartigen Abnehm-Medikamente helfen, erstmal ein neues Gewicht zu erreichen, und dies dann durch eine einschlägige Veränderung des Lebensstils zu halten. Ihr Körper wird es Ihnen danken.
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