Debatte

Wie bekomme ich es hin, fitter zu werden, Herr Bukac?

Jedes Jahr nehmen sich viele Menschen vor, ihre körperliche Leistungsfähigkeit, Kondition oder Fitness zu steigern. Viele davon scheitern langfristig an diesem Ziel. Warum das passiert und einfache Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Ein Gastbeitrag

Von 
Daniel Bukac
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Sich immer wieder neu zu motivieren, fällt vielen Menschen schwer. Unser Gastautor Daniel Bukac hat ein paar Tipps. © istock

Mannheim. Zum Jahresbeginn gibt es viele Neuanmeldungen in Fitnessstudios. Menschen nehmen sich vor, öfters Joggen zu gehen oder ihren Rücken zu trainieren. Die meisten bleiben aber nicht langfristig dran. Oft wird nach Monaten mit dem regelmäßigen Training aufgehört. Anfängliche positive Effekte auf die Fitness verpuffen nach Wochen oder Monaten und das primäre Ziel wird nicht erreicht.

Ein wichtiges Prinzip für die Steigerung der Fitness wird nicht befolgt: die Kontinuität des Trainings. Beständigkeit führt zum Ziel. Das bedeutet nichts anderes, als dass man möglichst nicht mehr als zwei Wochen Pause machen sollte, wenn man mal eine Trainingspause einlegt. Hat man sehr wenig Zeit, ist es besser, man trainiert alle zwei Wochen (26 mal pro Jahr), als dass man sich diese 26 Einheiten in das erste Viertel des Jahres packt und danach nichts mehr macht.

"Warum klappt es bei vielen langfristig nicht mit der Steigerung der Fitness?"

Wenn man sich fragt, warum so viele Menschen sich vornehmen, in Zukunft mehr für ihre Kondition oder ihre Fitness zu tun, dann ist es den meisten Menschen klar: Mit der Steigerung der Fitness verbessern sich die Gesundheit und das Wohlbefinden. Warum klappt es bei vielen langfristig nicht mit der Steigerung der Fitness?

Selbst bei genügender Trainingsbeständigkeit werden manche ihre Ziele nicht erreichen. Bei der Analyse der Frage stellen sich weitere Fragen: „Was heißt das überhaupt Fitness und welche Ziele sind realistisch?“, „Was muss ich tun, um überhaupt einen Effekt zu erzielen, und wie viel ist optimal?“

Viele Menschen assoziieren mit Fitness und besonders mit Kondition sehr stark die Ausdauer. Wenn jemand mit dem Fahrrad einen Berg über eine längere Strecke hochfahren kann oder einen Halbmarathon laufen kann, gilt die Person allgemein als fit.

Die Ausdauer oder das Durchhaltevermögen sind aber nicht die einzigen Dimensionen der Fitness. Neben der Ausdauer sind die Koordination, die Flexibilität und die Stärke drei weitere gesundheitsrelevante Dimensionen.

Für die Bewältigung von Alltagstätigkeiten ist ein gewisses Maß an motorischer Fitness in jedem Bereich notwendig. In nahezu allen Sportarten ist ein relativ hohes Maß an motorischer Fitness in verschiedenen Bereichen nötig. Für Erfolge in einer Sportart sind zusätzlich noch hohe Ausprägungen in der Technik und der Taktik der Sportart unverzichtbar.

Wer ist fitter? Erstens: die Person, die ihr eigenes Körpergewicht im Klimmzug zehnmal hochheben kann (hauptsächlich Stärke)

Zweitens: die Person, die mit Leichtigkeit fünf Bälle in der Luft jonglieren kann (hauptsächlich Koordination)

Drittens: die Person, die es schafft fünf Kilometer in 30 Minuten zu laufen (hauptsächlich Ausdauer)

Viertens: die Person, die einen Spagat schafft (hauptsächlich Flexibilität)

Der Gastautor

Daniel Bukac studierte am Institut für Sport- und Sportwissenschaften der Universität Heidelberg Sportwissenschaft, Sport im Bereich Prävention und Rehabilitation und Psychobiologie.

Seit 2009 arbeitet er an der Universität als akademischer Mitarbeiter, nebenbei ist er an Physiotherapieschulen als Dozent für Trainingslehre und Biomechanik tätig.

Er arbeitet als Referent für verschiedene Verbände, unter anderem den DFB und den Baden-Württembergischen Gewichtheberverband.

Die Bewertung, welche von diesen Leistungen Fitness mehr repräsentiert, kann jeder für sich selbst entscheiden. Ein fitter Mensch sollte in allen Dimensionen zumindest gut sein. Welcher Bereich der Fitness für die jeweilige Person bezüglich Gesundheit und Wohlbefinden eine größere Rolle spielt, kann sich individuell unterscheiden.

Wer von Natur aus einen breiten Körperbau hat, dem fällt es oft leichter, imposante Kraftgewinne durch Training zu erzielen. Dadurch ist die Person oft motivierter, ein Krafttrainingsprogramm durchzuführen. Auf der anderen Seite fallen breiteren Personen im Schnitt gute Ausdauerleistungen schwer. Dadurch kann die Motivation für Ausdauertraining vermindert sein. Andersrum verhält es sich bei schlankeren Personen.

Langfristig sollte bezüglich der Dimensionen ein relativ ausgeglichenes Training angestrebt werden. Wahrscheinlich ist auch den meisten klar, dass man nicht über Nacht ein hohes Fitnesslevel erreicht. Auf hohe Leistungszuwächse für Anfänger in den ersten drei bis sechs Monaten folgt bei nicht angepasstem Training in den Monaten und Jahren danach deutlich weniger Leistungszuwachs.

Der Leistungszuwachs in Kraft-, Beweglichkeits- und Ausdauerleistungen beträgt durchschnittlich in den ersten drei Monaten etwa 20 bis 30 Prozent, in den nächsten drei 10 bis 15 Prozent, danach 5 bis 7,5 Prozent pro drei Monate. Nach einem Jahr ist der Leistungszuwachs für die meisten, die dranbleiben, zwar noch vorhanden, läuft aber relativ langsam ab.

Nur sehr gut durchdachte Trainingsplanungen führen Fortgeschrittene noch zu größeren Leistungszuwächsen in drei Monatszyklen. Aber selbst ein kleiner Leistungszuwachs kann zu deutlichen Verbesserungen in Gesundheit und Wohlbefinden führen.

Da langfristig Dranbleiben wichtiger ist als maximale Zuwächse in kurzer Zeit, ist es für die meisten Personen besser, die Ziele nicht zu hochzusetzen und ein Trainingsprogramm zu starten, das auch bei viel Stress im Alltag bewältigt werden kann. Eines, das einem ein bisschen mehr „Energie” gibt, als dass es einen müde macht.

"Aber selbst ein kleiner Leistungszuwachs kann zu Verbesserungen in Gesundheit und Wohlbefinden führen"

Mein Tipp dahingehend: Setzen sie sich kleine, gut erreichbare Ziele alle drei Monate. Das Zielsetzen ist sehr individuell. Es kann so aussehen, dass Sie nach den ersten drei Monaten als Anfänger sich vornehmen, die maximale Dauer, die Sie locker Joggen können, von 20 auf 25 Minuten steigern. Oder die Anzahl von Stuhlaufsteigern (auf einen stabilen Stuhl steigen und absteigen) innerhalb von einer Minute von 20 auf 25 zu erhöhen.

Was muss ich tun, um überhaupt einen Effekt zu erzielen und wie viel ist optimal? Da kann man sagen: Jede Bewegung, jeder Schritt zählt. In den Bewegungsempfehlungen der WHO stand zwar noch bis 2020, dass man, wenn man körperlich aktiv ist, mindestens 10 Minuten als einzelne Bewegungseinheit aktiv sein sollte. Das ist jetzt aber obsolet. Auch kürzere Bewegungszeiten bringen positive Effekte. Es kommt insgesamt am meisten auf die Gesamtbewegungsdauer pro Woche und die Intensität bei der Bewegung an.

Für manche der positiven Effekte ist aber eine gewisse Dauer pro Bewegungseinheit notwendig. Damit etwa einige positive Veränderungen im Herzen oder auch bezüglich mancher Energiestoffwechselwege im Muskel entstehen, ist eine Dauer von mindestens etwa 4 Minuten pro Bewegungseinheit (etwa Treppensteigen nach oben am Stück) notwendig.

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Ist man ein großer Bewegungsmuffel, kann es schon etwas bringen, sich regelmäßig ein Mal in zwei Wochen 30 Minuten aktive Bewegung bei moderater Intensität (zum Beispiel schnelles Spazierengehen) vorzunehmen. Forscher aus Kanada haben gezeigt, dass 3 mal 20 Sekunden sehr anstrengendes Fahrradergometerfahren pro Trainingseinheit mit dazwischen zwei Pausen an zwei Tagen die Woche nach ein paar Wochen zu deutlichen Effekten in der Ausdauerleistung führt. Bessere Anpassungen in unterschiedlichen physiologischen Leistungsfaktoren (etwa Anzahl der Mitochondrien, Anzahl der Kapillaren, Regulation des Blutflusses) der Ausdauer sind langfristig, aber wahrscheinlich mit längeren Belastungsdauern am Stück möglich.

Die Bewegungsintensität spielt ebenfalls eine große Rolle. Deshalb ist ein Aspekt in den Bewegungsrichtlinien der WHO nicht gut dargestellt. Es macht meiner Meinung nach Sinn, die körperliche Aktivität in Alltagsaktivität und Trainingsaktivität zu unterteilen. Alleine mit der zeitlichen Steigerung der Alltagsaktivität können viele der positiven Effekte von Bewegung auf die körperliche Leistungsfähigkeit in puncto Gesundheit nicht erreicht werden. Laut den Angaben der WHO (mindestens 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche für den Ausdauerbereich) könnte man zum Schluss kommen, dass man einfach jeden Morgen einen Spaziergang von 45 Minuten (über 300 Minuten pro moderate Aktivität) machen müsste. Aber das ist nicht optimal. Besser wäre es wahrscheinlich, zu dieser Alltagsaktivität (Spazierengehen) zusätzlich eine Trainingsaktivität von zwei bis drei expliziten Trainingseinheiten für die Verbesserung der Ausdauer (zum Beispiel 20 Minuten bei mittlerem bis hohem Tempo Joggen) pro Woche zu integrieren. Das Training bei noch etwas höherer Intensität (hier Pulsrate) bringt weitere positive Anpassungen.

Am Ende will ich der Klarheit wegen die Bewegungsempfehlungen von Sport- und Bewegungswissenschaftlern für das Bundesgesundheitsministerium praktikabel zusammenfassen: Sehr gut wäre es, wenn Sie sich täglich im Alltag viel bewegen, wenig sitzen und sich über 8000 Schritte pro Tag vornehmen – weiterer gesundheitlicher Benefit ist bis 20 000 Schritte wahrscheinlich. Dazu zwei bis drei mal pro Woche etwa 10 bis 40 Minuten Walken, Joggen, Radfahren, Schwimmen oder sonstigen Ausdauersport bei mittleren bis hohem Anstrengungsgrad betreiben. Direkt danach können Sie bei Beweglichkeitsdefiziten ein Stretchingprogramm durchführen.

"Sehr gut wäre es, wenn Sie sich im Alltag viel bewegen, wenig sitzen und über 8000 Schritte pro Tag gehen"

Ein Ganzkörperkrafttraining, das ebenfalls zwei bis drei Mal pro Woche durchgeführt werden sollte, ergänzt das Ganze. Das ist für viele eine Menge Bewegung. Den meisten Menschen fehlt die Fitness oder Belastbarkeit, sich das ganze Jahr über so viel zu bewegen. Es könnte ein Ziel sein, dass man es nach einem Jahr vorbereitendem Training schafft, die Bewegungsempfehlungen optimal einzuhalten.

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