Das Wichtigste in Kürze
- Russland nutzt Desinformation, um Einfluss in Burkina Faso zu gewinnen.
- Putin unterstützt den umstrittenen Machthaber Ibrahim Traoré.
- Traoré sieht sich als Revolutionär wie Sankara.
- Die Sicherheitslage und Wirtschaft in dem Land sind sehr schlecht.
- Die Situation verschlechtert sich; Migration nach Europa steigt.
Wer in den sozialen Medien nach Afrika-Themen sucht, stößt schnell auf Lobeshymnen für Burkina Fasos Militärmachthaber Ibrahim Traoré. Der 37-Jährige wird vielfach wegen seines angeblich revolutionären Elans als Afrikas neuer Che Guevara bezeichnet, der den von Armut geplagten Kontinent zu einem neuen Aufbruch führen soll. Burkina Faso ist ein Sahelstaat, der in Instabilität versinkt, doch automatisierte Posts und prorussische Influencer überbieten sich mit Anerkennung für den stets adrett in Uniform gekleideten Präsidenten. Dazu kommen Videos mit Stars wie Justin Bieber oder Rihanna, die angeblich Traoré preisen – dies sind mithilfe künstlicher Intelligenz generierte Fake News.
Hinter den Lobeshymnen steht eine neue Afrika-Kampagne Russlands, die mit Trollfabriken und einem Netzwerk lokaler Influencer seinen Verbündeten Traoré als angeblich neue Hoffnung Afrikas anpreist. Moskau hat sich in den vergangenen Jahren bereits stark in den früheren französischen Kolonien der Sahelregion – Mali, Niger und Burkina Faso – breit gemacht, dank umfangreicher militärischer Kooperationen wie der Entsendung von Söldnern. Die drei einst mit Europa verbündeten Länder haben sich in einem von Russland angestoßenen antiwestlichen Bündnis zusammengeschlossen. Moskau hat auch sogenannte Kulturinstitute im Sahel eröffnet, um sein Narrativ im Ukraine-Krieg in einer Region zu verbreiten, wo bis Ende 2023 mehr als 1000 Bundeswehr-Soldaten stationiert waren. Dazu macht Russland viel Desinformation, um Europa und die ungeliebte frühere Kolonialmacht Frankreich als „Neo-Imperialisten“ darzustellen – viele Menschen glauben dies, da staatliche Medien ebenfalls dieses Narrativ bedienen.
Ibrahim Traoré sieht sich als Revolutionär in Burkina Faso
Nun will Russland mit der vor allem auf Englisch geführten Traore-Kampagne Stimmung gegen Regierungen in Nigeria, Südafrika, Kenia und anderen Ländern mit noch guten Beziehungen zum Westen machen – diese Staaten haben stärkere Institutionen wie Parlamente als Mali oder Burkina Faso, aber auch dort gibt es viel Unzufriedenheit über Missmanagement, Kriminalität und Korruption – vor allem in Nigeria, wo die meisten Menschen trotz Ölreichtum in Armut leben. Russlands Ziel ist es, dort Unruhen zu schaffen und Druck auszuüben, damit mittelfristig russlandfreundliche Regierungen an die Macht kommen, inklusive Putsche wie im Sahel. Traoré ist dafür scheinbar die ideale Figur, weil er sich in der Tradition des verstorbenen Präsidenten Thomas Sankara sieht. Sankara war ein charismatischer Marxist, der sich 1983 an die Macht putschte, um Burkina Faso aus der Abhängigkeit ausländischer Geldgeber und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zu befreien. Er wurde vier Jahre später erschossen, doch sein Mythos als „Pan-Afrikanist“ hält bis heute an. Traoré tritt wie Sankara immer in Uniform samt Pistole auf und hat Plakate drucken lassen, auf denen er neben Sankara steht. In Burkina Faso ist Sankara nicht so beliebt, weil sein Reformkurs mit Repression verbunden war, aber in Afrika gilt er als Held – davon will Traoré profitieren.
Der Gastautor: Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako
Ulf Laessing leitet seit Dezember 2021 das Regionalprogramm Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bamako (Mali).
Zuvor hat er 13 Jahre als Auslandskorrespondent und Büroleiter bei der Nachrichtenagentur Reuters im Nahen Osten, Nordafrika und Afrika südlich der Sahara gearbeitet.
Laessing ist Autor eines Buches über den Libyen-Konflikt und hat Geschichte, Islamwissenschaft und Volkswirtschaft in Hamburg, Leipzig und Kuwait studiert.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) steuert von ihrem Büro in Bamako aus Aktivitäten in den Ländern Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad sowie ein grenzüberschreitendes Projekt im Rahmen der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ in Mali, Niger und Burkina Faso.
Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem die Förderung von Demokratie , Rechtsstaatlichkeit und politischem Pluralismus, die Partizipation der Zivilgesellschaft, sicherheitspolitische Fragestellungen sowie die Stärkung der Zusammenarbeit in der Sahel-Region.
Die KAS fühlt sich dem politischen Erbe Konrad Adenauers verbunden, hat 18 Politische Bildungsforen in Deutschland und ist in über 100 Ländern weltweit mit Büros vertreten. Sie setzt sich national und international durch politische Bildung für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit ein.
Dabei eignet sich Traoré eigentlich nicht als Vorbild. Die Realität in Burkina Faso sieht düster aus. Traoré hatte im Herbst 2022 die Macht übernommen, weil er den Vorgängerregierungen Unfähigkeit im Kampf gegen Dschihadisten vorwarf. Die Gotteskrieger kamen ursprünglich aus dem Nachbarland Mali und kontrollieren inzwischen etwa die Hälfte des Territoriums – unter Traoré hat sich die Sicherheitslage nochmal deutlich verschlechtert. Seine Armee kassiert eine Niederlage nach der anderen. Nur noch das Zentrum mit der Hauptstadt Ouagadougou und die zweitgrößte Stadt Bobo-Dioulasso gelten als sicher.
Traoré ließ eine Freiwilligentruppe von 50.000 schlecht ausgebildeten Zivilisten aufstellen, die vor allem mit Tötungen von Dorfbewohnern auf sich aufmerksam macht: Die Kämpfer unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Dschihadisten – die Überlebenden von Massakern der Freiwilligentruppe schließen sich dann meist mit Rachegelüsten den Dschihadisten an. Dies heizt den Konflikt dann nochmals zusätzlich an. Auf Kritik reagiert Traoré mit Härte – er schickt kritische Journalisten, Vertreter der Zivilgesellschaft und sogar Justizmitarbeiter als Kanonenfutter an die Front. Die, die zurückkommen, berichten von Folter durch Regimeanhänger. In Ouagadougou herrscht die Angst – niemand kritisiert mehr die Regierung.
Binnenland Burkina Faso ist abhängig von Importen
Auch wirtschaftlich geht es Burkina Faso schlecht. Traoré redet viel davon, dass sein Land nicht länger von ausländischen Firmen und Geldgebern abhängig sein soll. Er verstaatlichte daher fünf ausländische Goldminen und eröffnete Fabriken, etwa zum Verarbeiten von Tomaten. Das kommt bei vielen Menschen in Afrika gut an, ist aber mehr Symbolik. Es ist unklar, ob Burkina Faso ausländische Bergbaufirmen ersetzen kann. Das Binnenland ist auch weiter von Importen über die westafrikanische Küste abhängig. Aus Togo, Benin und Ghana kommt per Lastwagen alles, von Benzin bis Milch und andere Lebensmittel. Da Dschihadisten aber inzwischen sogar die wichtigsten Zufahrtsrouten aus den Küstenländern terrorisieren, können Lastwagen nur in Konvois fahren, die wegen der angespannten Sicherheitslage nur alle paar Wochen stattfinden. Die Folge: Speditionen sind zunehmend unwillig, Milchprodukte zu transportieren, weil diese bei der langen Wartezeit schnell schlecht werden. Immer wieder fallen auch Inlandsflüge aus, weil es kein Flugbenzin gibt – Tanklastwagen steuern Burkina Faso ebenfalls ungern an, weil ihre langsam fahrenden Fahrzeuge mit der explosiven Fracht leicht Ziele von Angriffen werden.
Wie nervös Traoré angesichts der wachsenden Probleme seines Landes ist, kann man an den Sicherheitsmaßnahmen an seinem Regierungssitz, der sogenannten Primature, im Zentrum Ouagadougous sehen. Erst wurde der Verkehr davor eingeschränkt, dann fuhren gepanzerte Fahrzeuge vor, dann wurde ein Schutzwall aus Sandsäcken gebaut und Scharfschützen positioniert – wer sich dem Gebäude nähert, riskiert, erschossen zu werden. Seit Traorés Putsch 2022 halten sich Putschgerüchte, da Teile der Armee mit dem Russland-Kurs unzufrieden sind.
Mehr Migration nach Europa?
Dies alles schadet nicht Traorés Ruf, da er sehr gut reden kann und nicht als korrupt gilt. Er hat sich anders als Militärherrscher etwa von Mali nicht zum General küren lassen, sondern hat weiter den Rang eines Hauptmanns. Bei einem Afrika-Gipfel in Russland forderte Traoré in einer Rede Afrikaner auf, nicht immer die Marionetten von „Imperialisten“ zu sein – Ausschnitte wurden ein Renner in den sozialen Medien und helfen prorussischen Influencern, von seinem Versagen im Kampf gegen Dschihadisten abzulenken.
Denn Russland sieht Afrika als neue Front im Kalten Krieg, um Europa zu schaden. Durch die Sahelzone verlaufen die Hauptmigrationsrouten aus Subsahara-Afrika Richtung Bootsabfahrt nach Europa, die beide seit Russlands Ankunft in der Region Zuwächse verzeichnen. Zum einen via Niger nach Libyen – die Militärregierung in Niamey hat ein Abkommen mit der Europäischen Union gekündigt, für Entwicklungshilfe die Landroute nach Libyen praktisch zuzumachen. Dies geschah einen Tag, nachdem Moskau mit Niamey eine verstärkte militärische Zusammenarbeit vereinbart hatte. Zudem sind 2024 nach Angaben der Vereinten Nationen 105.000 Malier nach Mauretanien geflohen – viele fliehen vor Gräueltaten russischer Söldner. Einige sind per Boot auf die Kanarischen Inseln weitergezogen. Dies hat zur Folge, dass Malier jetzt zur Spitzengruppe der Ankömmlinge auf der spanischen Inselgruppe zählen. Nigerianer sind sehr prominent auf der Landroute via Niger vertreten, um per Boot von Libyen oder Tunesien nach Italien zu kommen. Wenn Russlands Traoré-Kampagne in Nigeria mit seinen 230 Millionen Einwohnern dort Erfolg hat und Unruhen anzettelt, hat Europa ein echtes Problem.
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