"MM"-Debatte

Wie geht nachhaltiges Sparen, Herr Mulke?

Der Wohlstand lässt sich nur erhalten, wenn wir mit den endlichen Ressourcen verantwortungsvoll umgehen, meint Wirtschaftsjournalist Wolfgang Mulke. Nachhaltiges Sparen lohnt sich nicht nur für die Anleger, sondern auch für die Unternehmen. Ein Gastbeitrag.

Von 
Wolfgang Mulke
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© Getty Images/iStockphoto

Ökospinner, Wirtschaftsfeinde oder elitäre Schwätzer – das sind nur drei Beschimpfungen, die sich die Verfechter einer nachhaltigen Lebensweise anhören müssen. Denn anscheinend widersprechen sich Wohlstand und Nachhaltigkeit. So lautet jedenfalls ein gängiges Vorurteil. Kein Wunder, wenn damit vor allem höhere Preise für die Verbraucher verbunden werden. Im gegenwärtigen Wahlkampf wird diese Karte schon wieder gespielt. Dabei ist das nüchtern betrachtet Unsinn. Denn der Wohlstand wird sich nur erhalten lassen, wenn es gelingt, mit den endlichen Ressourcen der Erde verantwortlich umzugehen und die Folgen des Klimawandels zu beherrschen.

Es geht zusammengefasst um Umwelt- und Klimaschutz, sozial faire Bedingungen und eine gute Unternehmensführung.
Wolfgang Mulke Wirtschaftsjournalist

Das wird viel Geld kosten, für neue Heizungen, für effizientere Maschinen, für Solar- und Windkraftanlagen und vieles mehr. Da rollt eine gewaltige Investitionswelle auf die Menschheit zu. Das Schöne ist: Mit all diesen technologischen Entwicklungen, den damit verbundenen Dienstleistungen oder Bauarbeiten, wird auch Geld verdient. In diesen Branchen entstehen Arbeitsplätze, in der Regel sogar hochwertige und gut bezahlte Jobs. Die „grünen“ Unternehmen haben die Chance auf gute Gewinne. Damit werden auch grüne Geldanlagen zu Investments mit einer guten Verzinsung.

Nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) haben Sparer in Deutschland nachhaltige Geldanlagen längst entdeckt. Steckten 2017 erst 8,5 Milliarden Euro in nachhaltigen Fonds, waren es 2018 bereits 9,4 Milliarden Euro. In wenigen Jahren hat sich das Anlagevolumen schon auf 18,3 Milliarden Euro fast verdoppelt. Insgesamt 269,3 Milliarden Euro waren in Deutschland 2019 in nachhaltigen Geldanlagen angelegt. Im Vergleich zum gesamten Geldvermögen der Deutschen ist das noch sehr wenig. Der Marktanteil nachhaltiger Fonds liegt erst bei gut fünf Prozent. Doch das Angebot an nachhaltigen Finanzprodukten nimmt schnell weiter zu, auch weil das die Politik in Deutschland und Europa ausdrücklich wünscht.

Doch was heißt eigentlich nachhaltige Geldanlage? Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Dazu sind die Ansprüche verschiedener Investoren auch zu unterschiedlich. Für manche Anleger steht der Klimaschutz im Vordergrund, andere achten vor allem auf faire Lieferketten und die Einhaltung von Menschenrechten. Grundsätzlich versteht die Finanzbranche darunter jedoch die Einhaltung der ESG-Kriterien. Die Abkürzung steht für Environmental, Social, Governance. Es geht zusammengefasst um Umwelt- und Klimaschutz, sozial faire Bedingungen und eine gute Unternehmensführung.

Keine Kohle und Rüstung

Auf dieser Basis entwickeln die Anbieter von nachhaltigen Geldanlagen und darauf spezialisierte Rating-Agenturen konkrete Anforderungen an ihre Investments. Dabei kann ein Raster von mehr als 100 Einzelpunkten zusammenkommen. Drei wesentliche Strategien verfolgen die Anbieter. So legen sie meist zunächst Ausschlusskriterien für ihre Anlagen fest. Ein zweiter Weg ist die Auswahl der jeweils unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten besten Firmen ihrer Branche. Schließlich engagieren sich die Fonds oder Vermögensverwalter direkt bei den Vorständen für mehr Klimaschutz oder faire Arbeitsbedingungen.

Die Verbraucherzeitschrift „Finanztest“ hat die wichtigsten Ausschlusskriterien bei den Fondsgesellschaften erfragt. Danach gehören Geschäfte mit fossilen Energien, insbesondere die Kohleverstromung, zu den häufigsten Tabuthemen. Auch Atomkraft, die Rüstungsproduktion, Umweltzerstörung, Verstöße gegen Menschen- und Arbeitsrechte, Korruption sowie Tabak, Pornografie und Glücksspiel stehen häufig auf der Ausschlussliste.

Nachhaltige Unternehmen sind weniger anfällig für Krisen und werden von den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen profitieren.
Wolfgang Mulke Wirtschaftsjournalist

Zwei weitere Ansätze kommen ebenfalls zur Anwendung. Beim so genannten „Best-in-Class“-Prinzip investieren Banken oder Fondsgesellschaften in Unternehmen, die in ihrem Segment führend sind oder zum Beispiel besonders gute Leistungen im Klimaschutz, im Sozialen oder in der Unternehmensführung erbringen. Mit „Engagement“ wieder machen die Vermögensverwalter ihren Einfluss als Kapitalgeber der Unternehmen geltend und drängen sie zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise, etwa auf Hauptversammlungen oder im direkten Gespräch mit den Vorständen.

Die Profis, also institutionelle Anleger wie Pensionsfonds oder Versicherungen, sowie kirchliche Einrichtungen sind die einen Treiber der Entwicklung. Selbst der größte Vermögensverwalter der Welt, Blackrock aus den USA, erwartet eine Transformation der Wirtschaft hin zu den ESG-Kriterien. Die Argumente der Profis sind rational. Nachhaltige Unternehmen sind weniger anfällig für Krisen und werden von den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen profitieren. Tatsächlich schnitten nachhaltige Fonds in den letzten großen Krisen besser ab als konventionelle.

Ein anschauliches Beispiel für diese Risiken lieferte jüngst der Ölkonzern Shell. In den Niederlanden wurde der multinationale Konzern zur Absenkung seines CO2-Ausstoßes verurteilt. Für Shell ist das nicht nur ein Reputationsproblem, sondern es wird sich vermutlich auch negativ in der Bilanz niederschlagen, wenn die Geschäfte sauberer werden müssen. Zwar gelobte das Unternehmen Besserung, doch zugleich legte es Berufung gegen die Gerichtsentscheidung ein. Glaubwürdig in Sachen Klimaschutz wird Shell mit dieser Strategie nicht.

Für die meisten Sparer ist die Verzinsung ihres Guthabens oder die Rendite ihrer Aktienfonds das wichtigste Kriterium. Sie können ihr Geld beruhigt in nachhaltigen Fonds oder ETF anlegen. Denn in den vergangenen Jahren haben sich die nachhaltigen Aktien in der ganzen Breite betrachtet besser entwickelt als die Papiere herkömmlicher Unternehmen. Auch das spricht für eine weiter steigende Nachfrage nach grünen Anlagen. Hinzu kommt die Zinsflaute. Da es für Tages- oder Festgeld praktisch keine Zinsen mehr gibt und hohe Guthaben bei vielen Banken mit Strafzinsen bestraft werden, kommt um die Anlage am Aktienmarkt über Fonds oder ETF niemand herum, der sein Geld mehren will.

Immer mehr Sparer haben die Nase von der konventionellen Finanzbranche voll. Sie wollen, dass mit ihrem Geld saubere Geschäfte finanziert werden.
Wolfgang Mulke Wirtschaftsjournalist

Der zweite Treiber der Entwicklung zu sauberen Finanzprodukten sind das knappe Dutzend nachhaltiger Banken in Deutschland. Sie bieten von der Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs bis zur Altersvorsorge alle üblichen Bankleistungen an, garantieren aber auch eine saubere Verwendung des Vermögens der Kunden. Da ist zum Beispiel die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS-Bank), deren Wurzeln in der Anthroposophie-Bewegung liegen. Die Kunden dort können bestimmen, ob ihre Einlagen als Kredit an Soziale Projekte, Erneuerbare Energien oder andere „gute“ Vorhaben vergeben werden. Auch hat das Institut einen nachhaltigen Welt-Aktienfonds aufgelegt. Ein unabhängiger Beirat prüft die Einhaltung der strengen Kriterien der Bank.

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Trotz aller positiven Entwicklungen sind nachhaltige Finanzanlagen in der Regel nicht perfekt. Wo Geld verdient werden kann, wird aller Erfahrung nach auch geschummelt und als grün ausgegeben, wo kein grün drin ist. Ratingagenturen oder die von der Zeitschrift Finanztest entwickelte Nachhaltigkeitsbewertung von Fonds und ETF helfen den Anlegern bei der Auswahl geeigneter Produkte.

Vorsicht bei Direktinvestments

Angebote gibt es auch auf dem freien Kapitalmarkt wie Sand am Meer. Da wird Geld für Biobauern gesucht, für Windparks und Solarfabriken, Holzplantagen oder Entwicklungsprojekte. Eines eint all diese Direktinvestments in nachhaltige Projekte: Sie locken zwar mit einer hohen Rendite. Doch der Ertrag ist alles andere als gewiss. Denn in der Regel handelt es sich um Nachrangdarlehen oder geschlossene Fonds. Geht die jeweilige Geschäftsidee nicht auf, droht schlimmstenfalls ein Totalverlust der Ersparnisse.

Doch diese Form des Crowdfundings über Internetplattformen ist nur der exotische Spross eines rasant wachsenden Marktes für nachhaltige Geldanlagen. Immer mehr Sparer haben die Nase von der konventionellen Finanzbranche voll. Sie wollen, dass mit ihrem Geld saubere Geschäfte finanziert werden. Und dafür gibt es inzwischen auch im normalen Bankensystem viele Angebote.

Der Gastautor

Wolfgang Mulke ist Politologe und schreibt als freier Autor und Wirtschaftsjournalist in Berlin für Tageszeitungen und Magazine, unter anderem über Themen wie Altersvorsorge, privates Finanzmanagement sowie umwelt- und klimapolitische Entwicklungen.

Sein Buch „Nachhaltig Geld anlegen“ ist im Mai 2021 bei Stiftung Warentest erschienen.

Korrespondent

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