Aber ja, auch wir fanden die englische Queen beeindruckend in ihrer Ausdauer und Beharrlichkeit, in ihrem hohen Pflichtbegriff und der Bereitschaft, die eigene Person einer „höheren Aufgabe“ unterzuordnen - auch wenn für uns nicht greifbar ist, was diese Aufgabe eigentlich ist. Schließlich ist Großbritannien eine Demokratie, und in einer solchen ist auch die Frage erlaubt oder sogar notwendig, was eine Königin dort eigentlich repräsentieren soll. Der Begriff „konstitutionelle Monarchie“ scheint uns ebenfalls widersprüchlich, ein Entweder-Oder wäre sauberer - und käme uns erst recht dann gelegen, wenn die eine Möglichkeit, Monarchie, nicht zum Zuge kommt und dafür die Verfassung und ihre Repräsentanten das alleinige Maß sind.
Die „traditionale Herrschaft“, wie der Soziologe Max Weber das nannte, scheint uns Heutigen, jedenfalls der Mehrheit, suspekt. Dass aber Traditionen auch beeindrucken können, weil sie zeigen, dass etwas überdauern kann und nicht alles schnell vergessen wird, stimmt ja ebenfalls. Und in dieser gemischten Stimmungslage schaut die halbe Welt zu, wie Großbritannien die verstorbene Queen zu Grabe trägt und ihr Sohn ihren Platz in Palast und Gesellschaft einnimmt. Eine zerrissene Nation scheint in Trauer geeint. Das wird der Grund dafür sein, dass einige Gegner der Monarchie, die ihre Meinung zugegebenermaßen recht undezent an oder in der Nähe von Handlungsorten der royalen Stabübergabe äußerten, wenig Verständnis finden. Der hochoffizielle Vorwurf gegen sie lautet „Landfriedensbruch“, wie Nachrichtenagenturen berichten. Jedenfalls nach hiesigem Gesetz meint dies eine Gewalttätigkeit (oder ein Aufruf dazu), welche die öffentliche Sicherheit gefährdet. Klar, wir waren nicht dabei, aber machen uns unsere Gedanken: Kann unnachgiebige Kritik an einer royalen Institution in einer Demokratie, die auf Meinungsfreiheit setzt, wirklich so gefährlich sein?
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