Zuletzt mal wieder um kurz vor acht und also knapp zu früh den Fernseher angemacht. Da sendet die ARD noch rasch einen kleinen Werbeblock, bevor sie sachlich und seriös die Nachrichten des Tages vermeldet. Bislang dachten wir, unmittelbar vor der „Tagesschau“ würden nur Mittel gegen Reizdarmbeschwerden beworben, detailliert und nicht sehr appetitlich übrigens; nun zeigte sich: Das Feld ist doch weiter gefasst. Auch Tech-Giganten-Multimilliardäre kommen zum Zug, Mark Zuckerbergs Meta-Konzern (ehedem Facebook) und gleich danach Jeff Bezos’ Amazon mit seinem Cloud-Computing-Anbieter AWS. Man sieht zuerst staunende Teenager inmitten riesiger virtueller Mammuts, dann einen weiteren Jungmenschen, der sich vom Roboter-Assistenten Naschwerk reichen lässt. Sauber und zu unser aller Vorteil stellt sich die schöne neue Computerwelt dar, eigentlich zu sauber und zu schön, aber klar, man darf von Werbung keine kritische Einordnung erwarten. Dass die Sachen auch schmutzige Seiten haben (können), bleibt trotzdem wahr.
Übrigens könnten wir uns auch gut ein werbefreies öffentlich-rechtliches Rundfunksystem vorstellen. Angesichts von für dieses Jahr prognostizierten Gesamteinnahmen von zehn Milliarden Euro sollte ein entsprechendes Minus doch verkraftbar sein; schließlich kommen allein durch Rundfunkbeiträge schon um die 8,5 Milliarden zusammen. Sollte die Einsparung sich im Programm niederschlagen, so dass etwa vom Wettbewerb um den Fußball-DFB-Pokal wie früher allein das Endspiel übertragen oder wieder mehr ältere, gute Filme aus dem Archiv gezeigt würden, so könnten wir das gut verschmerzen. Und was noch die Werbung kurz vor acht betrifft: Die verrät schon heute eine eher beschränkte Perspektive. Die Welt hat weiß Gott noch andere Aspekte zu bieten als allzumenschliche bzw. in- oder auch transhumane.
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