Zeitzeichen

Tatort Fernsehen: Vom Sinn der Wiederholung

Wiederholungen bestimmter Sendungen gibt es im Fernsehen seit je, in jüngerer Zeit aber anscheinend noch häufiger. Unser Kolumnist hat sich ein paar Gedanken gemacht über die tieferen Gründe.

Von 
Thomas Groß
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Kommt es uns nur so vor? Nach unserer Wahrnehmung jedenfalls nehmen Wiederholungen im Fernsehprogramm zu – und zwar nicht solche aus besonderem Anlass, wie kürzlich eine Folge von „Monaco Franze“, nachdem sich die Nachricht vom Tod der Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek, die dessen „Spatzl“ war, verbreitet hatte. Auch nicht solche, die sich der unbestreitbaren Qualität der Produktionen verdanken. Es geschieht, so der Eindruck, einfach so – oder weil vielleicht die Mühsal, die vielen Sendeplätze zu füllen, schlicht zu groß ist. Aber souverän wirkt es nicht, wenn etwa auch außerhalb des Sommerlochs und nicht nur, wie seit vielen Jahren, am Oster- und Pfingstsonntag ein älterer „Tatort“-Krimi im „Ersten“ läuft.

Kürzlich gab’s einen „Zürich“-Krimi mit Anwalt Borchert, der ebenfalls schon zuvor gesendet worden war, aber im normalen Donnerstagstakt lief. Das führt zu Verwirrung, weil die Sache als Serie aufgebaut ist und Beziehungen der Personen sich weiterentwickeln infolge von Umständen, die in einer bestimmten Folge abgehandelt sind. Nun war der Anlass des Zwists zwischen Anwaltskollegin und ihrem Polizistenfreund zu erleben, dessen Folgen zuvor schon nachwirkten. Vergangenen Freitag waren beide ZDF-Krimis Wiederholungen, und im zweiten stand eine Filmtochter noch vor dem Abitur, die man zuvor schon als schwangere Studentin erlebt hatte.

Dabei läuft die Zeit ja immer noch vorwärts! Von „Nord bei Nordwest“ wollen wir gar nicht reden, wo im Ersten, Dritten oder in 3sat mal eine frühere, dann spätere Folge läuft und man nie weiß, wie weit das Beziehungsgeschehen zwischen Tierarzt und -ärztin sowie Polizistin fortgeschritten ist. Man kann das zum Gedächtnistest nutzen, indem man dauernd versucht vorherzusagen, was gleich passieren wird. Das dürfte indes nicht die Absicht der Programmplaner sein. Wir vermuten eher, dass die, geprägt vom Nachrichtengeschehen, sich zu eifrigen Lesern des Philosophen Friedrich Nietzsche entwickelt haben. Der vertrat eine Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Ans TV-Publikum richtet sich Nietzsches Aufforderung, das Leben aus Einsicht in diese Gleichförmigkeit unbedingt zu bejahen. Thomas Groß

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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