Glosse "Zeitzeichen"

Kleider machen Leute

Veranstalter, Besucher, Jourmalisten: Unser Kolumnist Gebhard Hölzl versteht es, die Gäste der Filmfestspiele in Venedig nach ihrer Kleidung zu kategorisieren

Von 
Gebhard Hölzl
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Besser als auf der 80. Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica in Venedig lässt sich Gottfried Kellers Novellentitel nicht belegen. Offensichtlich ist dies freilich bei den omnipräsenten, streng dreinblickenden Damen und Herren der Exekutive. Blaue Kurzärmel-Uniformen, Bügelfalte, Schlagstock oder Handfeuerwaffe, gerne eine praktische Uzi-Maschinenpistole.

Nicht fehlen dürfen die obligat verspiegelten Sonnenbrillen. Unterschiedlich werden diese getragen. Normal, auf die Stirn hochgeschoben, unterm Kinn eingeklemmt oder gar verkehrt – sprich an den Ohren eingehakt hinten am Kopf. „Eccezionale!“ Was zu den zahlenden Besuchern der Galavorstellungen führt. Nobelmarken sind da Pflicht, Ray Ban, Persol, Tom Ford... Mann trägt, schick tailliert, sommerlich luftig, Versace oder Brunello Cucinelli, Frau am Arm Gucci, Dior oder Chanel. Bodenlang, bis zur Hüfte geschlitzt, semi-transparent. Täschchen, in die nur das unabdingbare Smartphone passt – Signore zahlt mit Centurion Card. Dazu Stilettos, die unter Waffenscheinpflicht fallen. Bestaunt-beklatschte (High) Society am Roten Teppich, der zum Laufsteg mutiert.

Die meisten Journalisten und Fachbesucher bevorzugen Shorts, Trainingsanzüge, Hotpants, (Promo-)T-Shirts, (Zehen-)Sandalen... Gelegentlich, trotz Temperaturen um die 30 Grad, ein Pullover – mit Espressofleck und Krümel vom Morgenbrioche. Und dann gibt es unter den diversen Akkreditierten, erkennbar an den verschiedenfarbigen, am Hals baumelnden Ausweisen, noch Abstufungen. Diese auszuführen, würde eine tiefere Studie bedingen – und wohl nicht vorteilhaft ausfallen. 

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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