Als der Pfarrer und Historiker Johann Georg Lehmann um 1850 die Burgruine Breitenstein besucht, hat er keine Freude daran: „Dieselbe ist äußerst mühsam zu erklimmen und wenn man sie erreicht hat, so lohnt der wüste enge Raum, den die zerbröckelnden Mauern umschließen, der aber im Innern nichts Interessantes darbietet … wahrlich die darauf verwendete Mühe und Anstrengung nicht.“ Wer den 1994 eingerichteten Drei-Burgen-Weg geht, gelangt ohne Schwierigkeiten zur Breitenstein und wird entdecken, dass die Anlage einen wesentlich größeren Umfang besitzt als Lehmann annahm. Zwei weitere Ruinen liegen an dem rund sieben Kilometer langen Weg.
Die Wanderung beginnt im Weiler Erfenstein, der zu Esthal gehört. Dort dient der große Parkplatz als Ausgangspunkt. Über die Straße führt der ausgeschilderte Weg durch ein kleines Wohngebiet in den Wald. Bald sieht der Wanderer oben hinter den Bäumen die Ruine Erfenstein liegen. Links geht es über den Bach, dann kurz und knackig hoch. Auf den ersten Blick besteht die Burg lediglich aus einem Turm. Auf dem Felsplateau dahinter, da wo das Wohngebäude stand, blieb kaum ein Stein auf dem anderen. War’s das schon?
Natürlich nicht, denn die Burgbewohner haben ja keineswegs ihre Pferde auf den Felsen getragen. Nach einigem Suchen zeichnen sich tatsächlich hinter dem Graben die geringen Reste einer Vorburg im Gelände ab. Es gibt hier zwei Burgen: die neuere Erfenstein mit dem zehn Meter hohen Turm und oberhalb davon die Reste der älteren Burg. Ein Felsklotz trägt wenige Lagen aus schön behauenen Steinquadern, vermutlich von Palas und Bergfried. Auch kleinere Mauerpartien liegen hinter dem in den Hang geschnittenen Graben, meist in instabilem Zustand. Eine Sanierung täte Not, um die letzten Spuren der alten Anlage zu erhalten.
Ein Ereignis, viele Geschichten
Zurück zum Turm, der leider nicht bestiegen werden kann. Doch auch vom Felsen aus hat der Wanderer einen grandiosen Blick über das Tal auf die Ruine Spangenberg. Hier lässt sich die berühmte Sage von der ledernen Brücke nachvollziehen. In Kurzfassung: Zwei Brüder leben auf den beiden Burgen, die durch eine lederne Brücke über das Tal verbunden sind. Nach einem Streit zerschneidet der Spangenberger die Brücke, als sein Bruder auf dem Rückweg zu seiner Burg ist. Den Sturz in die Tiefe überlebt dieser nicht. Etliche Varianten gibt es von dieser Geschichte, eine dramatischer als die andere, doch mit der Wirklichkeit haben alle nichts zu tun.
Viel weiß man von der Wirklichkeit allerdings nicht. Um 1190 führt Werner II. von Bolanden die Burg in seinen Lehnsbüchern: „Von des Kaisers Sohn han ich zu Lehen... eine Burg, die da heißet Erphenstein.“ Gemeint ist Konrad von Schwaben, ein Sohn Kaiser Friedrich Barbarossas. Es dürfte sich um die obere, ältere Anlage gehandelt haben. Wohl um die Mitte des 13. Jahrhunderts gelangen die mittlerweile zwei Burgen an die Grafen von Leiningen, die sie an Dienst- und Lehnsmänner zur Verwaltung übergeben. Wie viele andere Pfälzer Wehrbauten findet sie 1470 in der unseligen Weißenburger Fehde zwischen Kurfürst Friedrich dem Siegreichen und seinem Vetter Ludwig dem Schwarzen von Pfalz-Zweibrücken ihr Ende. Wohl auf Befehl des Kurfürsten lässt ein Aufgebot der Stadt Neustadt Erfenstein in Flammen aufgehen. Eventuell erfolgt ein Wiederaufbau, doch die Kriege des 17. Jahrhunderts bringen das Ende.
Heute gehört die Ruine dem Land Rheinland-Pfalz. Übrigens war auch Lehmann hier und kämpfte sich „mit Mühe durch das dichte Gebüsch“.
Zwischen beiden Burgteilen führt der Weg nach links und hinunter ins Tal an den Parkplatz Breitenstein. Von dort geht es hoch zur gleichnamigen Ruine. Der Wanderer kommt zuerst an die Teile, die Lehmann vermutlich gar nicht gesehen hat. Sie wurden bei der Sanierung in den Jahren 1988/89 von Bewuchs befreit. Aus einem Bericht der Denkmalpflege: „Die eigentliche Überraschung war aber die Entdeckung einer hangaufwärts gelegenen Burganlage, die im Wesentlichen aus einem massiven, mit Buckelquadern verkleideten, circa sechs mal sieben Meter messenden Turm bestand....“. Also kein „Burglein“, wie Lehmann schreibt, auch keine „kleine Nothveste für unvorhergesehene Fälle“, sondern eine stattliche Anlage.
Die Begehung der Reste des erwähnten Turms, vor dem eine mächtige Schildmauer liegt, empfiehlt sich nur für schwindelfreie und trittsichere Besucher. Direkt unterhalb liegt eine Bruchsteinmauer als Rest eines weiteren Burgteils. Über einen kurzen, steilen und bei Nässe rutschigen Weg geht es hinunter zur Unterburg. Auf dem Felsen stehen die Reste eines Wohngebäudes, davor eine etwa zwölf Meter hohe Schildmauer zum Hang hin. Irgendjemand hat eine Holzleiter hingestellt, die das Besteigen des Felsens ermöglicht, allerdings eine ziemlich wacklige Angelegenheit. Von der Unterburg haben sich Teile der Umfassungsmauern, eines Gebäudes und eines Torbaus erhalten.
Spektakuläre Ruine
Vor der Sanierung von 1988/89 galt Breitenstein wegen der alles überwuchernden Vegetation als „Dornröschenschloss“. Das hat sich geändert. Doch noch immer umgeben die Burg viele Geheimnisse. So kennt niemand die Gründungszeit, auch über den Bauherrn gibt es lediglich Spekulationen. Die Grafen von Leiningen werden oft genannt, da 1257 ein Burchardus de Breitenstein als Lehnsmann dieser Hochadelsfamilie in einer Urkunde vorkommt. Im 14. und 15. Jahrhundert tauchen die Grafen von Sponheim als Besitzer auf, nach deren Aussterben im Jahr 1437 wieder die Leininger. Dass keine Klarheit über den Zeitpunkt der Zerstörung herrscht, muss überraschen. Denn während der Sanierung von 1988/89 erfolgten auch Ausgrabungen. Und die Funde sollten Angaben über das Ende der Burg ermöglichen. Vermutet wird 1470.
Zurück zum Parkplatz, über die Straße, und bald geht es links in den Wald in Richtung Ruine Spangenberg. Auf einen breiten, mäßig steilen Weg folgt ein schmaler, steiler. Dann eine Überraschung: Steinpfosten stehen am Hang, im Umfeld liegen Trümmer von weiteren. Es handelt sich um die Reste der Umzäunung des Stutgartens, einer 1504 erbauten Pferdekoppel.
Hier wuchsen die Tiere auf, die den Bischöfen von Speyer unter anderem als Kurierpferde dienten. Wasser erhielten Stuten und Fohlen vom Burgbrunnen, der – ungünstig bei Belagerungen – 400 Meter von der Burg entfernt liegt. Dann ist sie erreicht, die spektakulärste Ruine des Elmsteiner Tals. Der Wanderer steht vor der zehn Meter hohen Schildmauer, die den dahinter auf dem Felsen liegenden Wohnbau schützte, von dem zwei Wände noch eine beachtliche Höhe aufweisen. Im 13. Jahrhundert dürfte beides entstanden sein. Leider, das Tor ist zu, ebenso das der Unterburg, in der die 1979/80 errichtete Gaststätte steht, wo der Verein Burg Spangenberg in Zeiten ohne Corona Pfälzer Spezialitäten serviert.
Ob Spangenberg tatsächlich bereits um 1100 im Testament des Speyerer Bischofs Johannes I. Erwähnung fand, ist umstritten. Die erste sichere Nennung datiert ins Jahr 1317. Während ihres gesamten Bestehens gehört die Burg den Bischöfen von Speyer. Die vergeben sie meist als Lehen an Adlige, zwischen 1385 und 1393 jedoch an den Juden Kaufmann aus Speyer, ein alles andere als alltäglicher Vorgang. Dass Burgen keineswegs immer waffenstarrende Festungen sind, belegt ein Inventar von 1464. Vier Büchsen (Gewehre) und zwei Armbrüste: das sind alle Schusswaffen auf Spangenberg. Kein Wunder, dass die Burg die Weißenburger Fehde nicht übersteht und 1480 Ruine ist. Sie wird wieder aufgebaut und dient ab 1505 als Domizil des Stutmeisters, der sich um die Tiere im Stutgarten kümmert.
Epoche des Verfalls
Das Aus kommt vermutlich während des Dreißigjährigen Kriegs. Es folgt eine Epoche des Verfalls, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dramatische Ausmaße annimmt. Da schließen sich 1971 Bürger des Elmsteiner Tals und viele Auswärtige zum Verein Burg Spangenberg zusammen. Mit Hilfe der Eigentümerin, der Stadt Neustadt, gelingt es den Ehrenamtlichen nicht nur, die Bausubstanz zu sichern. 1979/80 bauen sie sogar einen Teil der Unterburg wieder auf und richten darin die Burgschänke ein. Auf dem Weg zum Tal, zum Parkplatz, wird erst deutlich, wie spektakulär die Oberburg auf dem steil aus dem Hang aufragenden Felsen thront.
Weshalb hier auf engem Raum drei Burgen standen, weiß niemand. Sollten sie die Grenzen miteinander konkurrierender Herrschaften bewachen? Oder die Straße im Tal sichern, die damals vielleicht eine größere Bedeutung hatte als heute? Auf diese Fragen fehlt ebenfalls eine schlüssige Antwort.
Ach ja, Lehmann besuchte auch Spangenberg. Die Ruine scheint den verdienstvollen Historiker nicht besonders beeindruckt zu haben. Aber immerhin empfand er die Aussicht als „angenehm und lieblich“ und lobte den „bequemen Waldweg“.
Weitere Informationen zur Anreise
Fahrstrecke von Mannheim: 46 Kilometer
Fahrzeit: etwa 45 Minuten
Die Route: Über die Rheinbrücke, weiter auf die A 650 in Richtung Bad Dürkheim, nach etwa 14 Kilometer auf die die B 37, links auf die B 271 in Richtung Neustadt, Auffahrt auf die K 7 in Richtung Wachenheim/Bad Dürkheim-Süd, weiter nach Wachenheim. Dort rechts auf die K 16 in Richtung Kurpfalzpark/Lambrecht. Rechts auf die B 39, durch Lambrecht Richtung Kaiserslautern. Dann links abbiegen auf die L 499 in Richtung Frankeneck/Erfenstein/Elmstein. Parkplatz unterhalb der Ruine Spangenberg am Ortsende von Erfenstein.
Wanderweg: Vom Parkplatz Straße überqueren. Am Anfang der Schankentalstraße steht das Schild „Drei-Burgen-Rundweg 7 Kilometer“. Zeichen des Weges ist ein Turm. Wegbeschreibung unter: wwww.tourenplaner-rheinland-pfalz.de, im Suchfeld rechts Drei-Burgen-Weg eingeben. Burggaststätte Spangenberg geschlossen.
Literatur: Johann Georg Lehmann: Urkundliche Geschichte der Burgen und Bergschlösser der bayerischen Pfalz, Band 2, 1857, Nachdruck Pirmasens 1969, Keddigkeit/Thon/Scherer/Übel: Pfälzisches Burgenlexikon, Band I (A-E), 2. Auflage, Kaiserslautern 2003, Band IV.1 (O-Sp), Kaiserslautern 2007
Im Netz: EBIDAT Burgendatenbank des Europäischen Burgeninstituts; www.ebidat.de. kba
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