Bauernaufstand vor 500 Jahren: Das Massaker in der Bluthohl bei Worms

In diesen Tagen jährt sich die brutale Niederschlagung eines Aufstandes von Bauern zum 500. Mal. Die entscheidende Schlacht wurde in Pfeddersheim bei Worms geschlagen. Die Truppen des Kurfürsten richteten ein Massaker an.

Von 
Bernhard Zinke
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Der deutsch-rumänische Historienmaler Victor Schivert hat 1891 diese Zeichnung vom Massaker in Pfeddersheim angefertigt. © Getty Images

Worms. Man kann es nicht anders nennen: Es ist ein Massaker, das die Truppen des Heidelberger Kurfürsten Ludwig V. am nördlichen Ausgang der Reichsstadt Pfeddersheim anrichten. Vermutlich zwischen 1500 und 4000 aufständische Bauern fallen in der Schlacht am 23. Juni 1525. Am Tag darauf, als die übriggebliebenen Bauern zur Bestrafung vor das Georgenbergkloster geführt werden, gerät die Situation abermals außer Kontrolle. Den Fluchtversuch einiger Männer bestrafen die Belagerer der Stadt auf brutalste Weise. Sie erschlagen weitere 800 wehrlose Bauern. Bis heute heißt dieser Weg, der zwischen Weinbergen hinauf in die Nachbargemeinde nach Mörstadt führt, im Volksmund „Bluthohl“. Straßenarbeiten legen im Jahr 1899 ein Massengrab frei. Es sind vermutlich die sterblichen Überreste der erfolglosen Aufständischen.

Die Bluthohl in Pfeddersheim. An diesem Wochenende gedenkt der Wormser Stadtteil der blutigen Ereignisse vor 500 Jahren. © Bernhard Zinke

Die Schlacht bei Pfeddersheim gilt den Chronisten als brutaler Schlusspunkt eines kurzen, heftigen Aufstandes von Bauern in der Pfalz. Es ist eine Zeitenwende zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Widerstand gegen die althergebrachte Ordnung liegt in der Luft. Der Augustinermönch Martin Luther begehrt gegen den Ablasshandel und andere sprichwörtliche Unsitten der Kirche auf, fordert die Freiheit des Christenmenschen ein. Johannes Gutenberg erfindet den Druck mit beweglichen Lettern und schafft damit die Grundlage, dass die visionären Ideen ihr breites Publikum finden, so beispielsweise auch die 12 Artikel, in denen Bauern im Schwäbischen Forderungen gegen Missstände aufstellen: geringere Abgaben, Abschaffung der Leibeigenschaft, die freie Wahl des Pfarrers, der das reine Evangelium predigen soll, ohne Interpretation durch die katholische Kirche, und die Abschaffung des „Kleinen Zehnt“, also Erträge aus Gärten und Krautländern, an die Geistlichkeit.

Die 12 Artikel werden häufiger gedruckt als die Bibel

Die Ideen verbreiten sich rasend schnell, werden binnen zwei Monaten etwa 25.000 Mal gedruckt. Damit sind sie ein Bestseller, ihre Auflage höher als die der Bibel. Es bilden sich einzelne Bewegungen, die zwar nicht zusammenarbeiten, sich aber gegenseitig beeinflussen. Vor allem zwei Bewegungen sorgen in der Kurpfalz für reichlich Unruhe: der Nußdorfer Haufen bei Landau, der im April 1525 rund 200 Bauern vereint, und ab dem 29. April der zunächst 300 Bauern starke Bockenheimer Haufen in der Vorderpfalz.

Die Bauern übernehmen einige der Forderungen. Aber die hehre Forderung nach Freiheit steht keineswegs ganz oben auf der Wunschliste. Zumal es gar keine ausgeprägte Leibeigenschaft in der Kurpfalz gibt.

Der Bockenheimer Haufen ist eine ziemlich gemischte Truppe

Der gebürtige Pfeddersheimer Christian Bechtold hat intensiv über den Bauernkrieg in der Kurpfalz geforscht. Der promovierte Historiker, der am Mannheimer Karl-Friedrich-Gymnasium lehrt, weist nach, dass es sich beim Bockenheimer Haufen um eine ziemlich gemischte Gruppe handelt. Dessen Ausrichtung ist vor allem gegen den Klerus gerichtet. Das zeigt sich vor allem darin, dass die Plünderungszüge der Bauern in erster Linie die zahlreichen Klöster der Region als Ziel haben. Die Mönche kassieren übermäßig, machen aber aus Sicht der Bauern ihren Job nicht richtig, beten nicht genug für das Seelenheil der Menschen und übervorteilen die Bauern. In vielen Klöstern wird nicht regelmäßig die Messe gelesen.

Bauernkrieg

Der Bauernkrieg von 1524 bis 1525 war für lange Zeit die blutigste Aufstandsbewegung im deutschsprachigen Raum. Ihm fielen bei einer Gesamtbevölkerung des Heiligen Römischen Reichs nördlich der Alpen von etwa 16 Millionen Einwohner geschätzt 70.000 bis 100.000 Menschen zum Opfer .

Anlass waren religiöse , aber auch wirtschaftliche Missstände zum Nachteil der Bauern. Aufstände gab es in Südwestdeutschland, Thüringen, Sachsen, Franken, aber auch in Tirol und 1526 in der Schweiz.

Pfeddersheim, heute Stadtteil der Stadt Worms, gedenkt anlässlich des 500. Jahrestags der Ereignisse, unter anderem mit dem Schauspiel „Pfeddersheimer Schicksalstage 1525 “. Die Karten sind jedoch seit Monaten ausverkauft.

Wer dennoch hineinschnuppern möchte: Es gibt einen mittelalterlichen Markt , ein Lagerleben unter anderem mit Schaukämpfen im Ortskern und dazu erläuternde Führungen zu den Originalschauplätzen der Schlacht.

Im Museum der Stadt Worms gibt es vom 4. Juli bis 2. November die Sonderausstellung „Die Luft der Freiheit - 500 Jahre Bauernschlacht Pfeddersheim 1525“ zu sehen. Dazu hält Erich Pelzer, ehemaliger Professor für Neuere Geschichte an der Universität Mannheim, am 17. Juli einen Vortrag in der Magnuskirche.

Volker Gallé referiert am 21. August über Egmund Reisseisen , einen der Hauptleute des Bockenheimer Haufens aus Worms.

Das Chawwerusch-Theater erzählt am 23. November in Worms die Geschichte einer Frau, die auf einer Kerwe die Gründung des Nußdorfer Haufens miterlebt und zur charismatische Anführerin wird.

Aber es sind bei den Haufen auch einige dabei, die sich bei den Plünderungen schlicht selbst bereichern wollen. Auch machen nicht alle freiwillig mit bei dem Aufstand, was Prozessakten beispielsweise aus Dürkheim berichten. Die umherziehenden Haufen fordern von den Dörfern auch „freiwillige“ Mitläufer. Es seien auch nicht alle Aufständler arme Schlucker gewesen, zeichnet Bechtold ein differenziertes Bild des Bockenheimer Haufens. Wahrscheinlich ist auch das einer der Gründe des Misserfolgs: die fehlende straffe Organisation ohne klare militärische Befehlsstruktur.

Antiklerikale Stimmung fällt in Pfeddersheim auf fruchtbaren Boden

Dass der Bauernhaufen ausgerechnet in Pfeddersheim mit offenen Armen aufgenommen wird, liegt sicherlich auch an der Verteilung des Besitzes dort. Ein Viertel der landwirtschaftlichen Flächen sind im Besitz geistlicher Institutionen, verpachtet an zwei Drittel der Pfeddersheimer Bevölkerung. Die eben auch unter der Abgabenlast ächzt. Die antiklerikale Stimmung fällt auf fruchtbaren Boden. Und so schließen sich auch „etlich böß Kinder von Pfedersheim“ dem Haufen an, öffnen bereitwillig die Stadttore für den auf 7000 bis 8000 Männer angewachsenen Haufen. Diese verschanzen sich nun innerhalb der Stadtmauern, die normalerweise gerade mal 900 Einwohner schützen, vor den heranrückenden Truppen von Kurfürst Ludwig V. Der ist gerade auf Strafzug gegen die aufständischen Bauern in seinem Reich und nun auf dem Weg nach Pfeddersheim.

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Ein Beschuss der Stadt zum Auftakt der Schlacht am 23. Juni dauert eine Stunde. Dann richtet sich das Heer auf eine Belagerung ein, umringt die Stadt und versteckt sich mit mehreren Tausend kriegserfahrenen und gewaltbereiten Männern erfolgreich auf einer Anhöhe im Norden – unsichtbar für die belagerten Bauern. Von denen wagen sich zunächst 1500 Aufständische heraus. In Unkenntnis der Truppenstärke des kurfürstlichen Heeres drängen schließlich alle 7000 Bauern aus der Stadt heraus. Als sie die Menge an Reitern und Geschützen erkennen, ziehen sie sich in die Weinberge neben dem Hohlweg zurück. Doch angesichts der Macht des Gegners beschließen die Bauern die Flucht in die Stadtmauern. Ein fataler Fehler: Die Reiterei metzelt die Bauern nieder, die sich an der Stadtmauer drängen. Am Morgen des 24. Juni lässt der Kurfürst die Stadt mit einem Kugelhagel überziehen. Es dauert nicht lange, bis Pfeddersheim kapituliert.

Auch die Bestrafung der Bauern eskaliert. Als die überlebenden Bauern – die Quellen sprechen von rund 3000 - zum Richtplatz geführt werden, erhalten sie die Ansage, dass sie bei jeglichem Fluchtversuch getötet würden. In Zweierreihen über den Hohlweg geführt, versuchen die hinteren Bauern dennoch zu fliehen. Die Reiter setzen ihnen nach, erstechen sie. Und auch die Fußknechte am oberen Ende des Hohlwegs beginnen, die Bauern zu erschlagen. Der Kurfürst kann erst Einhalt gebieten, als schon 800 getötet sind.

Pfeddersheim muss empfindliche Strafen zahlen

Die Rädelsführer werden hingerichtet, die übrigen Bauern lässt der Kurfürst ziehen, nicht ohne den Schwur, die Waffen dauerhaft niederzulegen und sich an keinen weiteren Aufständen zu beteiligen. Die Pfeddersheimer Bürger müssen eine empfindliche Strafe zahlen und verlieren ihre städtischen Privilegien. Der Heidelberger Groll gegen die Reichsstadt hält aber nicht allzu lange. Ludwigs Nachnachfolger, Kurfürst Ottheinrich erneuert schon 1556 die städtischen Privilegien.

Ein Gedenkstein erinnert in der Bluthohl an die mehreren Tausend Opfer des Massakers. © Bernhard Zinke

Die Ereignisse der Aufstände haben Historiker zu allen Zeiten sehr unterschiedlich interpretiert. Letztlich war es eine kurze, sehr gewaltsame, aber erfolglose Erhebung. Während die Bauernkriege Jahrhunderte lang in Vergessenheit geraten waren, tauchten sie rund um die Revolution von 1848 wieder auf. Karl Marx und Friedrich Engels entdeckten die Aufstände als Beschreibung des Klassenkampfs. Für die Nazis war der bäuerliche Kampf eine perfekte Veranschaulichung ihres Blut- und Boden-Narrativs. Im Arbeiter- und Bauernstaat der DDR galten die Bauernkriege als Vorläufer der kommunistischen Revolution. In der bundesrepublikanischen Lesart waren die Forderungen der Bauern dagegen ein Ausdruck von Menschenrechten und Demokratisierung.

Geschichtsschreibung ist halt immer auch ein Produkt der jeweiligen Epoche und ihrer Werte.

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