Der neue Film

Szenen einer Ehe: Der Film „Dann passiert das Leben“ im Kino

In „Dann passiert das Leben“ von Neele Leana Vollmar bringt ein tödlicher Autounfall die Alltagsroutine eines von Anke Engelke und Ulrich Tukur gespielten Ehepaars aus der Balance.

Von 
Gebhard Hölzl
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Einzelkämpfer oder ein Paar? Anke Engelke (r.) als Rita und Ulrich Tukur als Hans in „Dann passiert das Leben“. © Daniel Gottschalk/Majestic/dpa

Die sogenannten Babyboomer, die geburtenstarke Generation, zur Welt gekommen nach dem Zweiten Weltkrieg, haben in der deutschsprachigen Film- und TV-Landschaft Konjunktur. Mit Protagonisten, die es dank des Wirtschaftswunders zu relativem Wohlstand gebracht haben, frei von materiellen Nöten ihr drittes Lebensalter genießen könn(t)en.

Die Kinder sind aus dem Haus, die Rente garantiert einen sorgenfreien Alltag. Siehe etwa die Komödie „Enkel für Anfänger“ von Wolfgang Groos, die turbulenten Abenteuer der beliebten ZDF-Fernsehfamilie „Bundschuh“ um Andrea Sawatzki und Axel Milberg oder Rainer Kaufmanns (Demenz-)Studie „Weißt du noch“ mit Senta Berger und Günther Maria Halmer als in die Jahre gekommenes Paar.

Viel Liebe ist zwischen ihnen nicht geblieben, stattdessen jeden Tag die gleiche Routine. Wie bei Hans (Ulrich Tukur) und Gattin Rita (Anke Engelke) in „Dann passiert das Leben“, feinfühlig geschrieben und inszeniert von Neele Leana Vollmar.

Er steht als empathischer Schuldirektor kurz vor der Pensionierung, sie besorgt unaufgeregt und effizient den Haushalt. Ihr gemeinsamer Sohn Tom (Lukas Rüppel) ist längst aus dem Haus, die langjährige Ehe, bei der Rita das Sagen hat, plätschert ereignislos dahin.

Anke Engelke – Queen of Comedy

  • Anke Engelke, 1965 im kanadischen Montréal geboren , zählt seit den 1990er-Jahren zu den Fixgrößen der heimischen (TV-)Unterhaltung.
  • Sie wuchs dreisprachig auf, zog 1971 mit ihrer Familie nach Köln und besuchte das Freiherr-von-Stein-Gymnasium. Im Chor sang sie dort – und wurde so für den Rundfunk entdeckt. Ab 1978 moderierte sie die Radio-Kindersendung „Moment mal“ auf RTL, später das „Ferienprogramm“ des ZDF.
  • Ihren künstlerischen Durchbruch schaffte Anke Christiana Engelke – vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Adolf-Grimme-Preis, der Goldenen Kamera und dem Deutsche Comedypreis – in der Sat.1-Sketchsendung „Die Wochenshow“ (1996–2000).
  • Die „Comedy-Queen“ begeisterte mit Formaten wie Ladykracher , „Anke Late Night“ oder als Berlinale-Moderatorin neben Dieter Kosslick, im Kino überzeugte sie in „Der Wixxer“, „Rate Your Date“ oder „Happy Burnout“.
  • Die Sängerin, Hörspiel- und Synchronsprecherin – sie leiht seit 2007 Mama Marge aus den „Simpsons“ ihre Stimme – war von 1994 bis 2005 mit Keyboarder Andreas Grimm, von 2005 bis 2015 mit dem Jazz- und Pop-Musiker Claus Fischer verheiratet.
  • Die Gastdozentin für das Fachgebiet „Kreative Fernsehproduktion“ der Kunsthochschule für Medien Köln hat eine Tochter, Emma (*1996), und zwei Söhne, Lasse (*2005) und Aaron (*2009).

Ginge es nach ihr, gäbe es keinen Grund, dass dies nicht so bliebe. Sie mag keine Veränderungen. Schon die geplante Umgestaltung des Badezimmers sorgt bei ihr für gehörige Irritationen – und beim Kauf der Fliesen für Streit. Sie möchte blaue, er rosafarbene, denn er will sich nicht „wie in einem Schwimmbad fühlen“.

Beim Verlassen des gediegenen, etwas abgelebten Bungalow-Eigenheims mit großem Garten müssen die Rollläden heruntergelassen, die Türen sorgfältig zugesperrt werden. Zum Einkauf wird in zwei Autos gefahren, in unterschiedlicher Bettwäsche, mal gemeinsam, mal getrennt, geschlafen. Alltag.

Der Film „Dann passiert das Leben“ ist eine kluge Reflexion über das Zusammensein

Mit Ausnahmen. Wie beispielsweise die feierliche Verabschiedung von Hans in den Ruhestand, bei der der Bürgermeister in seiner Rede den Pädagogen preist und eine Kollegin zugegen ist, mit der der Ex-Schulleiter einst eine Affäre unterhielt.

Auf einmal brechen alte Wunden auf, wird sichtbar, wie wenig die beiden über das Treiben ihres Sohnes – bei einem Besuch offenbart er, dass er eine Freundin hat – wissen. Und dann überfährt Rita nachts bei strömendem Regen einen Radfahrer, der aus der Dunkelheit ihren Weg kreuzt … Womit nichts mehr ist, wie es einst war.

Sind Hans und Rita Einzelkämpfer oder ein Paar? Mit feinem Gespür für Zwischentöne und schwebender Leichtigkeit beschäftigt sich die Filmemacherin – zuletzt mit „Auerhaus“ (2019) im Kino – mit den Fragen, die sich häufig in den leisen Momenten des Daseins verstecken. Mit warmem Humor, Herz und einem klaren Blick auf das, was bleibt, wenn das Leben seine gewohnten Bahnen verlässt. Der Partner immer präsent ist, mit seinem Tun – mag es noch so hilfreich sein – schlichtweg stört.

Rita (Anke Engelke, links) und Hans (Ulrich Tukur) haben sich entfremdet. Eine Szene des Films „Dann passiert das Leben“. © Daniel Gottschalk/Majestic/dpa

Eine kluge Reflexion über das Zusammensein, eine Hommage an vergessene Liebe und an den Mut, sich nach vielen gemeinsamen Tagen voller Höhen und Tiefen aufs Neue zu entdecken.

Getragen wird die feinfühlige Geschichte von zwei Ausnahmeschauspielern, der immens populären Vollblutkomödiantin Engelke („Frau Müller muss weg!“), die sich hier in einer (fast) tragischen Rolle beweist, und Multitalent Tukur („Das Leben der Anderen“), der als Sänger, am Klavier oder dem Akkordeon ebenfalls zu bestechen weiß.

Sie verleihen Rita und Hans eine beeindruckende Authentizität. Mit nuanciertem Spiel fangen sie die Brüche, Sehnsüchte und leisen Hoffnungen von Partnern ein, die sich frisch begegnen müssen. In gemeinsamen Szenen – wunderbar: eine spontane, intime Tanzeinlage –, in Szenen, in denen sie sich mit Bekannten austauschen. Rita mit ihrer positiv denkenden, quirligen Freundin Gitti (Maria Hofstätter), Hans mit Edwin (Markus Hering), Betreiber eines kleinen Elektroladens.

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Ein Schauspielerfilm. Knapp gehalten, mit präzise gezeichneten Charakteren. Man meint sie alle zu kennen, schon mal irgendwo getroffen zu haben. Rita, die regelmäßig und gerne ins Hallenbad geht, Hans, der sich als passionierter Heimwerker auszeichnet. Schlicht, funktional ist die Arbeit gestaltet. Konzentriert aufs Wesentliche. Szenen einer Ehe, einer eingefahrenen Beziehung, gespiegelt am Entenpärchen ihres Gartenteichs. Inklusive einer schmerzhaften finalen Volte.

Auf schnörkellose Bilder setzt Kameramann Daniel Gottschalk („Wunderschöner“), sorgfältig kadriert, die Farben Grün und Braun – wohl Verweis auf den Herbst des Lebens – dominieren. Unaufdringlich werden sie vom Score von Paul Gallister („Die Mitte der Welt“) untermalt. Ein Werk, das seinem Titel gerecht wird.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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