Heidelberg. Eine Hochzeitsmesse, für die Sicherheitspersonal benötigt wird? Kaum zu glauben. Doch wenn sich die Veranstaltung nicht nur an heterosexuelle Paare auf dem Weg zum schönsten Tag ihres Lebens richtet, müssen solche Sicherheitsvorkehrungen offenbar getroffen werden.
Am 2. und 3. November findet in Heidelberg unter dem Titel „Love“ die erste Hochzeitsmesse für „alle“ (in Großbuchstaben) statt. Was sich die Veranstalterinnen dabei gedacht haben und worauf es ihnen ankommt - die Redaktion hat nachgefragt.
Hochzeitbranche gegenüber queeren Personen und Menschen mit Behinderung diskriminierend
Fotografin, Konditor, Location, Dekoration: Die Liste, die Brautleute vor dem großen Tag abzuhaken haben, ist lang. Alles soll schön und möglichst passend sein. Spezielle Messen bieten Überblick und Kontakt zu Anbietern von Dienstleistungen oder Hochzeitsartikeln. „Alles ist aber immer sehr heterosexuell ausgerichtet“, beobachtet Johanna Tollkien.
Sie gehört zu dem Team von acht Personen, die „Love“ am ersten Novemberwochenende im Dezernat 16 in Heidelberg organisieren. „Die Braut blond und mit Kleidergröße 36, der Bräutigam sportlich und mit Dreitagebart“, beschreibt Tollkien das typisch stereotype Bild einer Traumhochzeit, wie es oft in der Werbung transportiert wird.
Die Hochzeitsmesse
- „Love, die Hochzeitsmesse für wirklich ALLE“ findet statt am 2./3. November im Dezernat 16 (Emil-Maier-Straße 16 in Heidelberg). Geöffnet ist an beiden Tagen von 10 bis 17 Uhr.
- Tickets kosten fünf Euro (ab 17 Jahren). Das zehn Euro teure Spezialticket enthält ein „Goodie-Bag (Geschenktüte)“, eine Tasche mit kleinen Geschenken und Gutscheinen der Aussteller.
- Karten und Infos im Internet unter www.love-hochzeitsmesse.de.
- Zu den Ausstellerinnen gehören auch die Heidelberger Schmuckdesignerinnen von Fremdformat und Hochzeitsplanerin Britta Stamm aus Mannheim und Obrigheim.
- „Trau“, die größte Hochzeitsmesse in Rheinland-Pfalz, gibt es wieder am 11./12. Januar 2025 in der Eberthalle Ludwigshafen.
- Am 19./20. Oktober gibt es eine Hochzeitsmesse in der Maimarkthalle Mannheim.
„Jetzt denken manche, aber die ,LGBT+’-Community hat doch schon genug Aufmerksamkeit“, weiß Tollkien, die selbst glücklich mit einem Mann verheiratet ist. „Prinzipiell ja: diese Community genießt mittlerweile wesentlich mehr Aufmerksamkeit als früher. Allerdings ist die Hochzeitsbranche gegenüber queeren Heiratenden und Menschen mit Behinderungen noch sehr diskriminierend.“
Die Hochzeitsmesse in Heidelberg ist barrierefrei gestaltet
Beispiele kann sie aus ihrem Umfeld viele nennen. „Bräutigame, die Brautsträuße tragen? Sowas verkaufe ich hier nicht“, hätten etwa zwei Bräutigame in einem Floristikgeschäft gehört.
Eine andere Braut habe mehrere Herrenausstatter angefragt, ob sie auch Anzüge für Frauen anfertigten. Sie seien ihr mit langem Schweigen und einem darauffolgenden „Nein“ begegnet. „Als sie zu Brautmodengeschäften ging, bekam sie zu hören: Zu einer schönen Braut gehört aber ein schönes Kleid.“ Besagte Braut fahre nun zweieinhalb Stunden zur Messe nach Heidelberg, um endlich einen Anzug für sich zu finden.
Aus Tollkiens Sicht ist „Love“ die erste Messe nicht nur in der Region, die sich wirklich an alle richtet - neben der queeren Kundschaft eben auch an Menschen mit Behinderungen. Und genau das macht die Veranstaltung in Heidelberg mit etwa 25 Ausstellern.
Komplett barrierefrei bedeute nicht nur, dass Rollstuhlfahrende problemlos das Angebot nutzen können. „Wir haben Dolmetscher für die Gebärdensprache organisiert und auf dem Boden der Messehalle wird es ein Orientierungssystem für Sehbehinderte und Blinde geben“, beschreibt Tollkien, dass an alles gedacht sei.
Und zwar ganz selbstverständlich, und nicht so, wie es eine andere Braut erlebte: Sie fragte bei einem Hochzeitsausstatter nach, ob es einen stufenfreien Zugang zum Geschäft gebe, weil sie im Rollstuhl sitzt. Das Hochzeitsmodengeschäft bejahte, die Frau machte einen Termin aus. Dort angekommen, musste sie indes feststellen, dass der stufenfreie Eingang hinten lag, zwischen den Mülltonnen.
Einige Hundert Besucher werden zur "Love" in Heidelberg erwartet
„Bei uns sollen sich alle wohlfühlen“, unterstreicht Tollkien. Und noch ein Beispiel für Diskriminierung kann sie zitieren: Eine sehbehinderte Braut wollte ihr Kleid kaufen. Sie bat darum, ein Foto machen zu dürfen, weil sie an manchen Tagen einen Restsehwert hat und dann an das Bild heranzoomen kann, um ihr Kleid erahnen zu können.
Das Geschäft verneinte und sagte, dass sie das Kleid schon kaufen müsse, damit sie Fotos machen dürfe. Also kaufte sie ein Kleid. Irgendeins, das nun von einer Schneiderin nachträglich angepasst wird.
Einige Hundert Besucher werden zur Hochzeitsmesse „Love“ aus ganz Süddeutschland erwartet. Über einen Crowdfounding-Aufruf sollen die zusätzlichen Aufwendungen finanziert werden - auch für die notwendige Security.
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