Zeitzeichen Schönes Älterwerden

Wer will und kann schon ewig ein Jüngling bleiben? Unser Kolumnist beginnt, das Älterwerden zu schätzen

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Thomas Groß
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Wenn man älter wird, ist es an der Zeit, das Älterwerden nicht mehr schlechtzureden. Nachsicht mit sich selbst ist einer der Werte, die einen das Älterwerden lehrt. Und das soll nun nicht selbstgerecht klingen, was man wohl erst recht mit dem Alter verbindet und ein Zuviel der Nachsicht wäre.

Älterwerdende merken, dass sich immer mehr runden kann, nicht nur alternde Körperformen. Zunehmen kann auch die Gelassenheit, weil man schon öfter erfahren hat, dass man sich nicht um alles gleichzeitig kümmern kann und gewisse Sachen schlicht ihren Lauf nehmen. Man spürt, dass sich manches fügt, was zuvor sperrig schien, ohne dass man dazu beigetragen hätte.

Unerwartete Absage von zukünftiger Nobelpreisträgerin

Man lernt zu schätzen, was war, und erinnert sich vielleicht auch gerne an etwas, was nicht stattgefunden hat, obwohl man es erstrebt hatte. Und so lässt sich in unserem Fall auf schöne Gespräche mit illustren Zeitgenossen zurückschauen, aber auch auf solche, die nicht zustande kamen. Da war zum Beispiel die Anfrage an die damals noch zukünftige Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, verbunden mit weiteren Fragen, aus denen sich, so die Idee, ein ergiebiges Gespräch hätte ergeben können. Doch was schrieb uns die Autorin zur Begründung ihrer Ablehnung? Es sei ihr beim Lesen der Fragen leider umgehend „das Gehirn eingefroren“, und sie wisse nicht, ob sich das so bald wieder ändern werde.

Nun malen wir uns, nur zum Spaß, in Großbuchstaben aus, wie man das nachträglich umdeuten könnte, etwa so: Wie ich einmal eine künftige Nobelpreisträgerin überforderte! Oder was ein Boulevard- und Massenblatt dazu titeln könnte, eingedenk der Tatsache, dass die streitbare Jelinek zumal in ihrer österreichischen Heimat lange umstritten war. Hätte vielleicht die Wiener „Kronen Zeitung“ geschrieben: „Elfriede Jelinek endlich kaltgestellt“?

Wie auch immer: Wird man noch älter, vergisst man vieles gänzlich. Frau Jelinek ist älter; sie wird aber wohl nicht nur deshalb längst vergessen haben, welche Antwort sie vor einem Vierteljahrhundert auf eine von vermutlich vielen Interviewanfragen gab.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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