Zeitzeichen Nachdenken mit Bernd das Brot

Mitten im Leben umgibt uns der Tod. Daran wurde unser Kolumnist beim Zappen durchs Fernsehprogramm unvermutet erinnert.

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Thomas Groß
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„Mitten im Leben sind wir von Tod umgeben“, formulierte schon der Reformator Martin Luther, denn unser aller Leben ist bekanntlich endlich. Dass das viele aber bis heute nicht einsehen wollen und mit Woody Allen trotzig sagen: „Der Tod? Ich bin dagegen“, dürfte ebenfalls bekannt sein. Genauso auch, dass viele Menschen so riskant leben, als ob sie unsterblich wären. Doch immer wieder packt einen die Realität, schüttelt kräftig durcheinander und rückt den Blick zurecht. Und das passiert zuweilen auch beim Zappen durchs Fernsehprogramm.

Neulich abends nach dem Sender gesucht, wo ein erwartungsgemäß höchst lebendiges Basketballspiel der deutschen Mannschaft hätte gezeigt werden sollen, diesen aber nicht gefunden. Stattdessen erscheint der Regionalsender mit einem „Deep Talk“, bei dem es um Tod und Sterben geht – mit zwei Experten als Gesprächspartnern, die (passenderweise) ziemlich hager aussehen.

Leblos starre Miene und lieblicher Gesang

Nach weiterem Knopfdruck kommt der Kinderkanal KiKa ins Bild, dessen Adressaten eigentlich längst schlafen sollten. Es ist fast ein Standbild: „Bernd das Brot“, Galionsfigur des Senders, schwebt im All; der helle Astronautenanzug, den er trägt, lässt nur sein markantes Gesicht erkennen – mit der bekannten, fast leblos starren Miene. Dazu ertönt ein lieblicher Gesang mit Textzeilen, die davon erzählen, dass wir alle Liebe brauchen und zusammenhalten müssen.

Das trifft nicht zuletzt deshalb ins Schwarze, weil wir eben sterblich sind – und dringt dieser Gesang womöglich schon geradewegs aus dem Jenseits zu uns her? Schließlich folgt noch ein Schwenk aufs „heute-Journal“ im ZDF: Die Moderatorin trägt ein Kleid, das ihre sehr schlanken Arme blank und bleich den Blicken des Publikums preisgibt. Mit wachsender Müdigkeit stellt sich hier alsbald die Frage: Sind wir am Ende gar selbst schon hinüber? Zum Glück nur für diesen Tag, am nächsten Morgen geht das Leben hoffentlich weiter – aber Martin Luther hatte natürlich dennoch recht.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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