Mannheimer Morgen Plus-Artikel Glosse "Übrigens" Hotels am Mannheimer Paradeplatz: Über und unter der Erde

Mannheim. Übrigens titelte der „Mannheimer Morgen“ unlängst: „Ein neues Hotel direkt am Paradeplatz“ und meinte damit das „Motel One“, das mit über 340 Zimmern im Postgebäude eröffnet hat. Bei dem Bericht dürfte Älteren in den Sinn gekommen sein, dass es früher ein Hotel unterhalb des Paradeplatzes gegeben hat. In einem ehemaligen Luftschutzkeller.

Und davon erzählte eine in Mannheim heimisch gewordene Seniorin vor einigen Jahren der Redaktion: Als Mädchen war sie mit ihren Eltern nach einer ereignisreichen Flucht aus Niederschlesien in diesen Bunker vorübergehend eingewiesen worden - wie viele andere, die es nach dem Krieg in die Quadratestadt verschlagen hat.

Hotel am Paradeplatz - früher stand hier ein Bunkerhotel

Dass die unterirdischen Räumlichkeiten auch für Schlafgäste genutzt wurden, davon kündet ein 1949 entstandenes Foto: Die Aufnahme zeigt ein über der Abgangstreppe zwischen zwei Laternen prangendes Werbeschild mit der Aufschrift „Hotel-Paradeplatz Restaurant“. Es war die US-Militärregierung, die das Bunkerhotel befürwortet hatte, um den Aufbau der Wirtschaft zu fördern.

Über tausend Menschen, insbesondere reisende Handelsvertreter und Arbeiter auf Wanderschaft, sollen in manchen Monaten übernachtet haben. Im bombenzerstörten Mannheim war das etwas andere Hotel ohne Tageslicht und Lüftung mangels Alternativen erstaunlich beliebt - trotz Regenwasser und Ungeziefer, die durch Deckenrisse eindrangen.

Und jenen „schweren Geruch“, der in den zu Zimmern umfunktionierten Zellen hing, hat das einstige Flüchtlingsmädchen nie vergessen. Ende der 1950er Jahre war Schluss mit Betten und Bewirtung samt Bar unterhalb des Paradeplatzes. Und jetzt, sechseinhalb Jahrzehnte später, gibt es wieder ein Paradeplatz-Hotel. Freilich überirdisch. Und klar, für fünf Mark kann niemand mehr übernachten.