In regelmäßigen Abständen gibt Putin, der ewige Straßenjunge aus Leningrad, der Welt Nachhilfe in Sachen Faustrecht. Er schickt Saboteure. Er schickt Kabelknipser. Er schickt Flieger. Er plant, so vermutet man mitunter, demnächst vielleicht Drohnen nach Deutschland und die EU zu schicken, die mit in Cola- oder Raviolidosen verpacktes TNT oder RDX enthalten und Tod und Verderben anrichten könnten. Und was machen die westlichen Politiker? „Das ist eine weitere ernsthafte Luftraumverletzung, die nicht zufällig passiert, die auch nicht zufällig am heutigen Tag passiert“, so Merz neulich nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Also so in der Art: „Och, ich glaube, dass das kein Zufall ist, der Putin soll mal schön aufpassen.“
Beim nächsten Fall sagen sie dann: „Och, ich glaube, dass das kein Zufall ist, der Putin soll mal schön aufpassen.“ Und dann, wenn die letzte Eskalationsstufe erreicht wird, werden sie sagen: „Och, ich glaube, dass das kein Zufall ist, der Putin soll mal schön … „Bumm. Wumms. Bäng. Krach. Rumms. Kawumm“.
Och, ich glaube, dass das kein Zufall ist und habe so ein seltsam taubes Gefühl im Körper: Ich glaube, wir sind jetzt alle tot!
Ich möchte in diesem Zusammenhang mal wieder an die Mannheimer Schillerpreisträgerin von 2024 erinnern: Golineh Atai. Bei der Preisverleihung in der Mannheimer Kunsthalle war sie echt beeindruckend. Golineh Atai war von 2013 bis 2018 Korrespondentin in Moskau. Sie weiß, wovon sie spricht und fordert uns auf, uns „nicht mehr länger mit dem Russland zu beschäftigen, das wir uns wünschen“ und „das wir uns lange schöngeredet haben“. Sie fordert, wir müssen uns endlich mit dem Russland der dritten Amtszeit Putins beschäftigen, „in dem der Gedanke Krieg, Apokalypse und Sieg allgegenwärtig geworden“ sei.
Wer Golineh Atais Buch „Die Wahrheit ist der Feind“ kennt, hat vielleicht das Putin-Zitat auf den ersten Seiten entdeckt: „Vor fünfzig Jahren lernte ich eine Regel in den Straßen von Leningrad: Wenn der Kampf unvermeidbar ist, dann schlag als erster zu.“ Es ist wie ein Echo, das über die Jahre nicht leiser wird, sondern lauter, röhrender, wie ein schlecht geölter Kampfpanzer auf Kopfsteinpflaster.
Während in Brüssel neulich also die Köpfe rauchten, während Brandmauer-Friedrich im Brustton der Überzeugung die Kein-Zufall-Phrase drosch, während über Hilfe für die Ukraine beraten wurde, über Hilfspakete, Sanktionen, während das alles mit so viel Empörung geschah, wie man diplomatisch gerade noch servieren kann, schickte Putin mal wieder ein Flugobjekt zu einem Spazierflug rüber. Es war nicht einer, nein, gleich zwei, ein SU-30-Jet und ein Tankflugzeug vom Typ IL-78, ein Tanker also, weil selbst Provokationen heute Langstrecke haben. Grenzverletzung. 18 Sekunden. 700 Meter.
Ich glaube, wer oft genug denkt, es sei kein Zufall gewesen, der glaubt am Ende vielleicht doch an Zufälle – und vielleicht auch an das Märchen „Vladimir – von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren.“
Während in Brüssel neulich also die Köpfe rauchten, während Brandmauer-Friedrich im Brustton der Überzeugung die Kein-Zufall-Phrase drosch, während über Hilfe für die Ukraine beraten wurde, über Hilfspakete, Sanktionen, während das alles mit so viel Empörung geschah, wie man diplomatisch gerade noch servieren kann, schickte Putin mal wieder ein Flugobjekt zu einem Spazierflug rüber. Es war nicht einer, nein, gleich zwei, ein SU-30-Jet und ein Tankflugzeug vom Typ IL-78, ein Tanker also, weil selbst Provokationen heute Langstrecke haben. Grenzverletzung. 18 Sekunden. 700 Meter.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kolumne #mahlzeit Der Putin soll mal schön aufpassen
Angesichts von Russlands Testballons in Sachen Hybrider Kriegsführung erinnert unser Kolumnist an die Perspektive der Mannheimer Schillerpreisträgerin Golineh Atai.