Journal

Bücher sind und bleiben ideale Medien

Von 
Thomas Groß
Lesedauer: 
© istock

„Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken“, notierte der Philosoph Friedrich Nietzsche in den 1880er Jahren. Für unser „Lesezeug“ gilt das nicht weniger. Nietzsche schrieb auch schon mit frühen Schreibmaschinen, und selbstverständlich schrieb er Bücher. Eines davon nannte er im Untertitel vielsagend „Ein Buch für freie Geister“. Und obwohl seine Publikationsweise nicht zuletzt zeitbedingte Gründe hatte, sollte man zugeben, dass Bücher ein ideales Medium sind.

Das lässt sich nicht nur zum Welttag des Buches am 23. April einmal mehr mit Nachdruck feststellen. Mit gedruckten Werken sind zumal diejenigen, die keine „Digital Natives“ sind, noch immer am besten bedient. E-Books sind, das zeigen auch die Umsatzgrößen des Buchhandels, zwar etabliert, aber im Wesentlichen doch als Ergänzung von herkömmlichen, gedruckten Büchern; kaum anders ist es mit den recht beliebten Hörbüchern.

Schwarz auf Weiß und auf Papier gedruckt liest es sich anscheinend am besten, wie wissenschaftliche Untersuchungen nahelegen. Was auf einem Bildschirm mitverfolgt wird, prägt sich dagegen wohl weniger gut ein – und das umso mehr, je länger der entsprechende Text ist, denn möglichst lange aufmerksam und also aufnahmefähig zu bleiben, scheint ebenfalls durch traditionell Gedrucktes am ehesten gewährleistet.

Ohne Bücher keine Bildung, das gilt nicht nur für die kulturelle im engeren Sinne oder eine sogenannte höhere Bildung. Volle, ungehinderte Teilnahme am Berufs- und Gesellschaftsleben setzt auch eine gute Lesefertigkeit voraus – weshalb Schulen, Bibliotheken und der ganzen Buchbranche die Leseförderung am Herzen liegt, die seit je nachhaltig und am besten durch Bücher gelingt. Auch die unter anderem vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Stiftung Lesen getragene Initiative „Ich schenk dir eine Geschichte“ unterstreicht das zum von der Unesco initiierten Welttag des Buches und des Urheberrechts nun einmal mehr: Über den Handel werden erneut etwa eine Million Bücher gratis an junge Leserinnen und Leser ausgegeben.

Pandemie bestätigt Bedeutung

Naturgemäß erfolgt die Verteilung des eigens dafür von Rüdiger Bertram geschriebenen Comicromans „Biber undercover“ in diesem Jahr ein wenig anders, nämlich Corona-konform. Die Pandemie macht eben auch der Buchbranche zu schaffen; die Bedeutung des Lesens und der Bücher zeigt sich in ihr aber noch erst recht. Im eigenen Zuhause, wo man sich nun vermehrt aufzuhalten hat, ist Lesen mehr als ein Zeitvertreib. Es fördert die Besinnung, lenkt auch ab – und es öffnet, egal ob in Sachbuchform oder künstlerisch-belletristisch, andere und neue Horizonte. Wenn bis auf noch unbestimmte Zeit Reisen allenfalls eingeschränkt möglich scheinen, so bieten Bücher ebenfalls Alternativen, nämlich Reisen im Kopf, die zudem sehr kostengünstig sind. Und wenn auch echte Reisen wieder locken, bieten sich Bücher eben als Reisebegleiter an. Sie sind leicht transportabel und verbrauchen keinen Strom, sondern nur geistige Energie – und sie kosten sie nicht nur, sondern spenden sie immer wieder auch erneut.

Literatur und Lesen trainieren das Stilempfinden, fördern ein gutes Ausdrucksvermögen und damit auch eine Voraussetzung, um verstanden zu werden. Überhaupt das Verständnis und Verstehen: Wenn Lesen nach den getragenen Worten eines Martin Heidegger „die Sammlung“ des „in der Schrift Gesagte(n)“ meint, so besagt dies eben auch, dass sich im Lesen ein Sinn erschließt und erschlossen wird, und das umso mehr, je sorgfältiger und behutsamer jemand liest. Nicht von Ungefähr leitet sich das deutsche Wort vom lateinischen „legere“ her, das ursprünglich eben „sammeln“ bedeutet. Weil es Verstehen und Begreifen umfasst, deshalb lassen sich im Deutschen ja etwa auch Spuren und der Gesichtsausdruck lesen.

Besinnung auf das Wichtige

Aber Lesen trägt noch in anderer Hinsicht Früchte und zur Sammlung bei: Es fördert die Besinnung auf uns selbst und darauf, was uns wichtig ist. Bücher (oder deren Urheber) wünschen, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt und so ins Gespräch kommt. Inhalt und Form des Textes werden zum Gegenstand einer Diskussion, sie fördern den lebendigen Austausch – mit ihnen selbst ebenso wie mit anderen Leserinnen und Lesern. Literatur macht beredt und will besprochen werden, was insgesamt auch als ein wichtiger Beitrag zum menschlichen Miteinander anzusehen ist.

In einer nach Meinung vieler zunehmend gespaltenen Gesellschaft ist das nicht hoch genug zu schätzen. Der Soziologe Andreas Reckwitz hat diese vor wenigen Jahren als „Gesellschaft der Singularitäten“ charakterisiert. Unsere Spätmoderne bringe unentwegt besondere, eben singuläre Phänomene hervor und spreche ihnen hohen Wert zu, so die Analyse. Besondere Gruppen besinnen sich demnach heute vor allem auf ihre spezifische Identität; Produkte, Biografien: Alles soll einzigartig wirken. Eher vernachlässigt wird aber das Allgemeine und alle Verbindende.

Literarische Gespräche können auch in dieser Hinsicht positiv wirken. Wie hat der gefragte Soziologe Reckwitz seine Sicht der Dinge übrigens in die weite Welt gebracht? Klarer Fall: Er tat es in Form eines umfänglichen, aber doch vergleichsweise flüssig geschriebenen und gut verständlichen Buches.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

Thema : Schreibwettbewerb "Erzähl mir was"

  • Kultur „MM“-Schreibwettbewerb Erzähl mir was: „Heimreise“

    Zum Thema „Macht und Mensch“ erzählt Klaus Servene von der Hoffnung. Dabei geht es auch um die Amokfahrt in Mannheim und den tödlichen Messerangriff auf Rouven Laur.

    Mehr erfahren
  • Kultur „MM“-Schreibwettbewerb Erzähl mir was: Besser ohne ihn

    Andreas Salewski wurde vom Thema „Macht und Mensch“ zu einer Geschichte über eine triste Vater-Sohn-Beziehung inspiriert, die aber trotzdem Hoffnung macht.

    Mehr erfahren
  • Kultur „MM“-Schreibwettbewerb „Erzähl mir was“: „Müllers Wette“

    Hat Kira Müller mehr Chancen auf einen Job, wenn sie Oliver heißt? Die Protagonistin in Regina Rothengasts Beitrag will dem Patriarchat auf den Zahn fühlen.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen