Festivalkritik - Spannende Acts beim lockeren Auftakt des Mannheimer Indie-Festivals, Freitagabend mit 4000 Fans

Genesis Owusu überstrahlt alles beim lockeren Aufgalopp des Mannheimer Maifeld Derbys

Von 
Markus Mertens und Jörg-Peter Klotz
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Musikalisch und inhaltlich ein Dropkick auf die Zwölf: das erste Deutschland-Konzert des australischen Soul-Rappers Genesis Owusu in Mannheim. © Markus Mertens

Die ganz großen Massen zieht es zum Aufgalopp des 11. Maifeld Derbys am Donnerstagabend nicht auf das Mannheimer Maimarktgelände. Der Andrang ist überschaubar. Kein Wunder: Das Wetter fühlt sich nach Herbst und wenig frühsommerlich an. Dass man für das Vorzeige-Boutique-Festival der Region dennoch von einem Auftakt nach Maß sprechen kann, hängt klar mit einem Phänomen zusammen, das die Verantwortlichen um Festivalchef Timo Kumpf seit der ersten Ausgabe für sich beanspruchen: Entdeckergeist. Das wissen die Indie-Pop-Fans: Am Freitag erwartete Kumpf auf Nachfrage schon wieder 4000 Fans. In normalen Zeiten ist das die normale Nachfrage, in der kaum berechenbaren Mixtur aus Pandemie und Kaufkraftverlust ist das eine fast schon sensationelle Resonanz.

Die Qualität des Derby-Entdeckergeists zeigt sich aber bereits bei der ersten Band des Donnerstagabends, den Smoking Lips aus Mannheim. Zuvor eher als Geheimtipp denn als feste Größe in der Stadt bekannt, legt das Quartett schon zu früher Abendstunde ein beachtliches Straight-Rock-Set hin, das die ersten Gäste durchaus goutieren. Nicht zuletzt mit der Wut-Nummer „End The War“ strecken die vier Musiker aus der Quadratestadt Autokraten wie Putin, Trump und Erdogan ihren ausgestrecken Mittelfinger entgegen. Ein Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird.

Noch Tageskarten für Maifeld-Derby erhältlich

  • Für Samstag (15.30 Uhr bis 3 Uhr) mit u.a. Bilderbuch, King Gizzard & The Lizzard Wizard) und Sonntag (13 Uhr bis 22 Uhr; Gringo Meyer, Kettcar Kings Of Convenience) sind zu je 70 Euro noch Tageskarten erhältlich.
  • Camper bezahlen 25 Euro pro Person und 35 Euro pro Fahrzeug.

Psychedelischer, elektronischer und gleichwohl schwebend setzen Levin Goes Lightly einen Auftritt zwischen atmosphärischem Indie und Faber-artiger Klanglyrik entgegen. Verträumt und bisweilen vielleicht etwas zu inszeniert, aber durchaus mit dem Willen, eigene Mehrwerte zu kreieren, zeigt nicht nur die Band, wie wichtig der Ausdruck tiefliegender Sehnsüchte ist - die Stunden beginnen auch an Kontur zu gewinnen.

Bereits Francis Of Delirium aus Luxemburg setzen hier erste klare Nadelstiche. Mit einem Gitarrensound à la Billy Talent und der flirrenden, verletzlichen Stimme von Frontfrau Jana Bahrich webt sich so ein dichtes Netz aus Alternativ-Klängen in das Hüttenzelt, das nach und nach alle Zuhörer gefangen nimmt. Speziell, als die akustischen Sequenzen langsamer werden, immer mehr an die Klangmagie eines Steven Wilson erinnern und die Menge des Abends zunehmend in Verzückung versetzen.

Wie ein lauter Weckruf wirkt da das knochenharte Set der Briten von Wu-Lu. Mit folkloristischen Elementen zwischen World Music und Reggae bestückt, baut sich bald schon ein Synthesizer-gesteuertes Feuerwerk von Metal-Manier einerseits und akustisch ausgeklügeltem Folk Rock auf, das ordentlich auf die Zwölf gibt, ohne deswegen an Komplexität zu verlieren. Es ist ein Set, das in seinem Variantenreichtum und in seiner inhaltlichen kraft eigentlich nur noch vom Australier Genesis Owusu getoppt wird.

Dass der Rap-Virtuose mit ghanaischen Wurzeln direkt mit dem Szene-Durchstarter Bürger Kay verwandt ist, spürt man bei seinem Auftritt in Mannheim sofort. Denn Owusu choreographiert seine Show im knallroten Anzug und einer zunächst in SM-Manier maskierten Truppe nicht nur ganz deutlich als Angriff auf das Establishment, sondern überragt auch stimmlich alles an diesem Abend zuvor Dagewesene bei Weitem. Faszinierend wie Owusu ansatzlos zwischen Philly-Soul-Falsett über 80er-Jahre-Disco-Funk und hart rockendem Rap im Bassbereich changieren kann. Dazu kommt eine choreographisch ambitionierte, teilweise artistische Show, die auch in einen edlen Club nach Miami passen würde. So staunt nicht nur Owusu, wie extrem die meist wetterfest gekleideten Einheimischen im kleinen Zelt auf schlammigem Boden auf seine Star-Qualitäten reagieren. Ein exzellenter Vorgeschmack für all das, was an diesem Maifeld-Wochenende noch an Überraschendem und Faszinierendem zu erwarten ist.

Freier Autor

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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