"Roller"-Rapper im Gespräch

Interview-Premiere: Apache 207 bricht sein Schweigen

In einem seiner ersten Interviews erklärt der Erfolgsrapper unter anderem, dass er die Stadtwappen Mannheims und Ludwigshafens als Tätowierungen auf den Waden trägt, warum er trotz harter Kindheit in der Gartenstadt so heimatverbunden ist und wie der Künstlername Apache 207 zustande kam

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Die Zeit im Plattenbau in der Ludwigshafener Gartenstadt hat Apache 207 geprägt und hält ihn geerdet. © Paul Shady

MM-Ausgabe mit großem Apache 207-Interview

 

Apache 207 bricht sein Schweigen. Wer eines der ersten Interviews mit dem Erfolgsrapper als gedruckte Ausgabe per Post nach Hause geschickt bekommen möchte, hat jetzt die Möglichkeit, die "MM"-Ausgabe vom 23. September 2022 nachzubestellen.

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Mannheim/Ludwigshafen. Apache, Sie haben in der traditionellen Medien-Öffentlichkeit bisher genau ein Wort gesagt: „Danke“ im Februar 2020 bei Ihrem einzigen Fernsehauftritt in der ProSieben-Show „Late Night Berlin“. Jetzt erscheint der Dokumentarfilm „Apache bleibt gleich“ mit vielen neuen Informationen, Einblicken und durchaus intimen Momenten bei Amazon Prime. Und Sie geben Ihre ersten beiden Zeitungsinterviews. Markiert das eine neue Karrierephase?

Apache 207: So fühlt es sich auch für mich an. Als hätten wir die erste Etappe unserer Karriere erreicht. Es hat sich für mich jetzt richtig angefühlt, diesen Schritt zu wagen.

Sie drücken im Film, in Ihrer Musik und den Videos immer wieder Ihre Heimatverbundenheit aus. Jetzt auch dadurch, dass Sie Ihre ersten Interviews dem „Mannheimer Morgen“ in Ihrer Geburtsstadt und der „Rheinpfalz“ aus Ludwigshafen geben, wo Sie aufgewachsen sind. Außerdem geht Ihr Lokalpatriotismus unter die Haut: Auf den Titelseiten beider Zeitungen offenbaren Sie Tätowierungen der Stadtwappen auf Ihren Waden.

Apache 207: Ich habe schon länger überlegt, wie und wo ich sie erstmals zeigen könnte. Bei den Auftritten in der SAP Arena hat es sich noch nicht danach angefühlt. Dann entstand diese Idee.

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Dass über dem Mannheimer Wappen „Born in“ steht, ist ja selbsterklärend. Aber warum „Died in“ auf der anderen Wade? Möchten Sie in Ludwigshafen das Ende Ihrer Tage verbringen?

Apache 207: Ja genau, so ist das gemeint.

Geben Sie nun künftig regelmäßig Interviews, machen Promotouren durch Radiosender und Talkshows?

Apache 207: Ich würde das zwar nicht kategorisch ausschließen, dass ich zum Beispiel in Radio-Shows auftrete. Aber das Ziel ist es nicht, jetzt alle Tore aufzumachen und ein Leben lang offen zu halten. Für mich war aber an dieser Stelle der Punkt gekommen, an dem ich gesagt habe: Okay, ich fühle mich der Situation so gewachsen, etwas dazu sagen zu können. Davor war es einfach so, dass wir uns selber ständig gefragt haben: Was geht gerade ab? Was in Zukunft passiert, kann ich jetzt noch nicht so genau sagen, aber auf jeden Fall wird die Kunst immer im Vordergrund stehen. Ich will mich immer durch die Musik beweisen, durch die Kunst, die ich hoffentlich mein Leben lang machen darf.

Hatten Sie die Befürchtung, durch allzu kluge Interviews den Teil des Publikums zu verprellen, der auf harten Straßenrap steht und eloquente Abiturienten für Opfer hält?

Apache 207: Das war tatsächlich gar nicht die Angst. Mir war nur wichtig, dass alles, was ich mache kredibel ist, weil ich ja aus einer Musikrichtung komme, wo Glaubwürdigkeit viel zählt. Das war mir das Allerallerwichtigste! Deshalb habe ich darauf geachtet, dass wir den Film nicht direkt an ein Projekt koppeln. Dass ich nicht eine Doku rausbringe und dann ein Album, um dann in aller Munde zu sein. In meinem Instagram-Post dazu habe ich das auch ganz gut zusammengefasst: Was gerade passiert, ist krass, aber ich weiß eigentlich gar nicht, was passiert. Wenn ich mich früher in ein Interview gesetzt hätte und komplett ehrlich gewesen wäre, hätte ich sagen müssen: Keine Ahnung!

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Woher rührt diese enorme Heimatverbundenheit, wo Sie doch offensichtlich als Kind eher harte Zeiten in der Gartenstadt erlebt haben?

Apache 207: Ich glaube, die unangenehmen Situationen, die wir in der Doku auch ansprechen, können wir eigentlich erst heute als unangenehm definieren. Das war eben damals normal, dass der Putz von der Decke hing. Und dass man sich nur eine gewisse Zeit im Badezimmer aufhalten durfte, weil man ansonsten diese weißen Punkte auf dem Kopf hatte. Das war einfach nur lustig als Kind. Wenn man darüber nachdenkt, ist es im Nachhinein das, was einen so emotional macht. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum jetzt erst der richtige Zeitpunkt gekommen ist, darüber zu sprechen. Aus der sozialen Perspektive gesehen, muss ich sagen, dass ich zwar eher durchs Leben getänzelt und geschlendert bin,  aber es vielleicht nur durch Zufall und mit etwas Glück geschafft habe, den geraden Weg zu gehen, nicht abzurutschen und mein Abitur zu machen. Der Umstand, dass mein Bruder und ich die ersten – und ich glaube bis dato auch die Letzten waren -, die in unserer Gegend Abitur gemacht haben, sagt ja viel aus.

Geboren in Mannheim, aufgewachsen in Ludwigshafen

Der Rapper und Sänger wurde  am 23. Oktober 1997 in Mannheim als  Volkan Yaman geboren. Er wuchs in Ludwigshafen-Gartenstadt als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus der Türkei auf und machte am Theodor-Heuss-Gymnasium im Jahr 2017 Abitur.

Dem Jura-Studium in Mainz kam die rasante Musikkarriere in die Quere: Seit 2018 veröffentlicht er zunehmend erfolgreich Singles mit charakteristischen Videos. Die Folge: Ein Vertrag beim Joint-Venture Twosides (Rapper Bausa und Lucas Teuchner) und  Sony/Four Music.

Der Platin-Hit „Kein Problem“ brachte seit April den großen Erfolg weit über die Deutschrap-Szene hinaus. Noch getoppt wurde er vom Millionenseller „Roller“ vier Monate später, dem erfolgreichsten deutschsprachigen Lied der vergangenen Jahre.

Seit 2019 bis Ende 2021 gelangen ihm 44 Platzierungen in den Single-Charts, davon 26 in den TopTen und zehn auf Platz eins. Dahinter stehen nach Angaben seines ebenfalls in Ludwigshafen ansässigen Managements und Labels Feder Musik mehr als zwei Milliarden Streams. Die Ludwigshafener Firma wird von Apaches Bruder Hakan Yaman und Johannes Götz geführt.

Als physische Tonträger erschienen das Nummer-eins-Album „Treppenhaus“ (2020) und das vierteilige „2sad2disco“ (2021).

Ab 23. September gibt er im Dokumentarfilm „Apache bleibt gleich“ bei Amazon Prime Video erstmals Einblicke hinter die Kulissen seiner Karriere. Die rund 90 Minuten basieren auf Material eines Filmteams um Regisseur Nepomuk Fischer, das den Rapper ein Jahr lang auf den Weg zu seiner Live-Premiere begleitet hat, und Aufnahmen aus dem privaten Archiv des Apache-Teams. Produziert wurde die Doku von Wiedemann & Berg Film und TV  im Auftrag von Amazon Studios.

Nach dem furiosen Start mit zwei Shows in der heimischen SAP Arena setzt Apache 207 seine erste Deutschland-Tour am Dienstag, 27. September, 20 Uhr, in der Frankfurter Festhalle fort.

 

Und das erklärt schon die Verbundenheit? Es muss ja etwas ganz Besonderes am Rhein-Neckar-Delta sein, weil fast alle Stars hier geblieben sind – von Joy Fleming und Julia Neigel über Xavier Naidoo, Bülent Ceylan und Laith Al-Deen bis zu Ihnen…

Apache 207: Hier ist es halt einfach geil! Mir war gar nicht bewusst, dass so viele hiergeblieben sind. Aber ich kann es absolut verstehen. Wenn ich woanders bin, ist die Stadt vielleicht auch geil. Aber so ein Gefühl von Heimat habe ich nur hier. Ich habe ausländische Wurzeln, aber hier ist meine Heimat. Das Gefühl zu Hause zu sein, ist einfach krass. Aber es ist nicht so, dass es keine Überlegungen gab, woanders hinzugehen. Am Ende des Tages zieht es ja viele Musiker in die Hauptstadt. Aber ich habe dann auf mein Bauchgefühl gehört. Und je älter ich werde - ich weiß, das klingt lustig mit 24 -, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass die Entscheidung richtig ist, weil man das mit nichts vergleichen kann.

Inwiefern?

Apache 207: Es geht schon los, wenn dich hier jemand an der Tanke anspricht … wir gehen ja immer raus, sind immer unterwegs an den Wochenenden, holen uns an der Tankstelle eine Käsebrezel oder so. Das ist hier einfach anders. Bei uns gibt es so einen Spruch, der lautet in etwa in der deutschen Übersetzung: In der eigenen Stadt wird man nie zum Star.

War es zu Ihrer Zeit noch so, dass man als Gymnasiast rund um die Gartenstadt regelmäßig mit Prügel zu rechnen hatte? Vor dreißig Jahren war das wohl in der erweiterten Nachbarschaft so…

Apache 207: Das war auf jeden Fall ein hartes Pflaster. Solche Erfahrungen haben wir aber nicht gemacht. Ich war weder Schläger, noch Geschlagener. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, warum das so war. Aber ich gehöre auch zu einer anderen Generation. Früher haben sich die Leute mehr abgegrenzt. Durch das Internet gibt es auch mehr Aufklärung. Eher wurde uns Respekt für die Leistung gezollt. Natürlich war es nicht so, dass alles nur mit Worten gelöst wurde. Aber alles in allem war das eine sehr coole Zeit ohne die negativen Erfahrungen, die vielleicht frühere Generationen gemacht haben.

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Sie erklären in der Doku beiläufig, dass Apache ein Spitzname Ihrer Mutter für Sie ist. Verbinden Sie damit nicht mehr, wenn Sie ihn ins Zentrum einer so akribisch gestalteten Karriere stellen?

Apache 207: Eigentlich nicht. Wie ich in der Doku schon sagte, wir haben uns über gewisse Dinge keine Gedanken gemacht. Manche Dinge entstehen einfach so aus dem natürlichen Fluss heraus.

Und die 207 steht für den Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal, wie viele spekulieren? Oder sind Sie verkappter Peugeot-Fahrer?

Apache 207: Bisher wurde da immer falsch gerätselt. Es ist weder die Körpergröße, noch der Wahlkreis oder sonst etwas. Es ist einfach eine Zahl, deren Bedeutung nur mein Bruder und ich kennen. Und die uns sehr geprägt hat. Ich glaube, dass das Rätsel nie richtig gelüftet wird.

20. Juli?

Apache 207: Auch nicht. Wenn etwas Richtiges dabei wäre, ich würde es sogar bestätigen. Es ist etwas, auf das man gar nicht kommt. Wir haben auch einfach eine Zahl als Zusatz zu Apache gebraucht, weil der Name nicht allein stehe sollte. Sonst findet man im Internet ja nur Hubschrauber …

Oder Winnetou und Co. Nach meinem ersten Artikel über Sie wurde ich 2019 erstmals mit dem Thema kulturelle Aneignung konfrontiert. Sie würden die indigenen Völker Nordamerikas ausbeuten. Den Vorwurf habe ich erstmal für einen Witz gehalten, doch heute nehmen solche Debatten immer mehr Raum ein. Beschäftigt Sie das Thema oder dringt es gar nicht zu Ihnen durch?

Apache 207: Es nicht so, dass das Thema komplett an mir vorbeigegangen ist. Es ist aber erst aufgekommen, als ich mir den Künstlernamen schon längst gegeben hatte. Wenn man sich dann ein bisschen einliest, kann man die Argumente schon verstehen. Die Diskussion ist ja noch nicht beendet. Ich muss zusehen, dass ich offen und ehrlich mit so etwas umgehe und nicht versuche, gar keine Fehler zu machen. Wenn das Thema ausdiskutiert ist, mag es sein, dass ich mir die Wahl mit heutigem Kenntnisstand zumindest noch einmal durch den Kopf gehen lassen würde. Man muss das ausdiskutieren – aber ehrlich, das ist ganz wichtig.

Die Heimatverbundenheit geht dem Rapper buchstäblich unter die Haut: Auf der linken Wade trägt er das Wappen seiner Geburtsstadt Mannheim mit dem Schriftzug "Born in". © Paul Shady

Sie zeigen sich in den rund 90 Filmminuten oft sehr nachdenklich, selbstreflektiert und fast etwas pessimistisch, was Ihre Karriere und persönliche Entwicklung angeht. Jedenfalls für einen 24-jährigen Rapper, der allen Grund hätte, extrem selbstbewusst zu sein. Woher kommt das?

Apache 207: Diese Skepsis oder Reflektiertheit kommt dadurch, dass ich eine Musikrichtung mache, die ich auch selbst feiere. Also Hip-Hop. Wir sind ja mit dieser urbanen Musik groß geworden. Für mich hat sich da nichts geändert, wenn ich heute Leuten gegenüberstehe, mit deren Musik ich aufgewachsen bin. Die sind heute vielleicht weit weniger erfolgreich als ich, trotzdem stehe ich vor denen mit offenem Mund und strahlenden Augen. Wenn ich mich jetzt cooler fühlen würde als sie, das wäre schon sehr seltsam. Die Musik entwickelt sich zwar weiter, aber sie haben das Genre aufgebaut. Und das nur aus Liebe zur Musik. Die haben Hip-Hop gelebt, als er noch nicht so lukrativ war wie heute. Diese Begegnungen tragen vielleicht dazu bei, dass ich so geerdet bin und auf persönlicher Ebene den Erfolg nie so für mich angenommen habe. Ich will immer etwas Schönes machen, und ein Zeichen setzen. Für uns, die ich als Vergessene sehe. Es geht darum Blockhaus-Kids wie uns darzustellen, damit sie auf der Bühne stattfinden. Auch wenn die Musik manchmal Mainstream ist. Das werden die Leute immer sehen bei mir.

Es heißt oft, Sie hätten das Rap-Game verändert. Interessiert Sie das überhaupt?

Apache 207: Das ist mir nicht so wichtig. Das war auch nie mein Ziel. Es ist vielleicht eine natürliche Entwicklung. Ich habe als Kind viel Rap gehört, und da war die Rap-Musik schon im Wandel. Ich könnte jetzt auch nicht sagen, ich bin d e r Rapper. Das habe ich auch nie behauptet. Natürlich kommt bei mir vieles aus diesen Sphären, anscheinend etwas abgewandelt, so dass man auch sagen könnte, das ist kein Rap mehr. Aber das ist auch kein Phänomen, das ich erfunden habe. Das gab es schon 2011 mit Cro. Wenn so etwas als Vorwurf komme, denke ich erstmal: „Ohje, habe ich da jetzt was kaputtgemacht?“ Habe ich nicht. Ich habe auch den anderen Rappern finanziell nicht geschadet. Die verdienen um Gottes Willen heute nicht weniger Geld als früher.

Die andere Wade verblüfft mit "Died In" über dem Ludwigshafener Wappen. Das soll heißen, dass Apache in der Stadt sterben möchte, in der er aufgewachsen ist. © Paul Shady

Apropos Cro: Beneiden Sie ihn ein wenig? Er kann einfach die Pandamaske absetzen, der kleine Carlo von nebenan sein und in Stuttgart unbehelligt durch die Stadt gehen?

Apache 207: Ja, stellenweise schon. Das hat er echt sehr schlau gemacht. Aber wenn ich Bilder von mir auf der Bühne sehe, spätestens in Mannheim - das ist doch ein sehr starkes Argument dafür, keine Maske zu tragen. Schauen Sie mal das Hintergrund-Bild auf meinem Handy - wenn ich das sehe, bekomme ich Gänsehaut. Das ist halt mein Gesicht, keine Maske.   

Ihr jüngster Video-Zyklus und das Albumprojekt „2Sad2Disco“ atmen auch diesen zweiflerischen Geist, seit „Bläulich“ klangen Sie zunehmend düster – waren diese Lieder für Sie ein Ventil, alles zu verarbeiten, was auf Sie eingestürmt ist?

Apache 207: Ich denke schon. Ventil trifft es ganz gut. Ich glaube sogar, dass ich da zum ersten Mal darin bestätigt wurde, in meinen Texten ehrlich zu sein. Man hört ja immer von Leuten, die jahrelang dabei sind, dass viele der großen Artists … sie nennen sie „Major Nutten“ (Künstler, die sich für Erfolg im Musikgeschäft quasi prostituieren, Anm. der Redaktion) Man muss nicht Misserfolg mit Realness, also Ehrlichkeit, begründen. Ich habe dann halt die Mucke gemacht, auf die ich Bock hatte. Und die war dann so, dass sie nicht nur noch tanzbar war.

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Als Musikjournalist kann man nur den Mut beklatschen, nach so riesigen Erfolgen wie „Roller“ oder „Kein Problem“ ganz anders zu klingen. Bei den Klickzahlen mussten Sie Abstriche machen. Wohl, weil die Zeiten auf Hörerseite schon hart genug waren durch Corona und die anschließenden Krisen. Dann konnten Sie die rasend schnell ausverkaufte Arena-Tour 2020 auch erst jetzt spielen, die Sie wohl noch höher katapultiert hätte. Hadern Sie da eigentlich mit dem Schicksal oder dem Timing?

Apache 207: Das ist schwer zu beantworten. Es gab auch hier wieder positive Seiten, aber die negativen überwiegen. Dass die Tour verschoben werden musste, war, wie in einem Käfig eingesperrt zu sein. Ich wusste, dass ich live performen kann. Ich wusste, dass die Leute nicht glauben, dass ich live performen kann. Ich wusste, dass ich live noch Welpenschutz habe, weil meine Berühmtheit noch ganz frisch ist. Und ich wusste, dass ich die Erwartungen übertreffen kann. Da war ich mir sicher. Aber dann wurde die Tour verschoben, „Roller“ ist von 2019. Inzwischen gab es andere Hits. Fast niemand, der zu der ersten Show in Mannheim gegangen ist, hat vorher noch gesagt: „Langsam, der hat noch nie so eine Show gemacht, der hat kaum Live-Erfahrung.“

Wie sind Sie mit den zwei Jahren Tigern im Käfig umgegangen?

Apache 207: Wir haben wirklich zweimal die Woche geprobt, was das Zeug hält. Auf eine Art und Weise, die war nicht mehr normal. Ich habe mich mit Sachen bewerfen lassen. Ich habe mal nicht geraucht, mal zu viel geraucht, mal übermäßig Alkohol getrunken, um zu sehen, wie es mit einem Glas zu viel klappt. Ob ich unter allen Bedingungen funktioniere. Damit ich toptopfit für diese Tour bin. Denn viele Leute sind erst auf die Idee gekommen, dass das mein erster eigener Tour-Stopp war, als sie gemerkt haben, dass sie die Show krass finden. Das zeigt auch, wie unsere Gesellschaft ist. Dass alles exponentiell hochgepusht wird, aber auch exponentiell heruntergetreten. Also obwohl es natürlich schlecht war, dass die Tour so oft verschoben wurde, fand ich es sehr gut, dass wir einen kühlen Kopf bewahrt haben. Ich bin total stolz, dass meine Jungs mich immer noch zu einer Probe mehr gepusht haben. Dieses Gefühl, mit welcher Sicherheit ich auf die Bühne gegangen bin, das bekommt man nicht bei der Geburt mit auf den Weg. Viele reden da von Aura, Aura, Aura, aber das ist es nicht nur. Man muss auch hart arbeiten.

Haben die triumphalen Konzerte in der Geburtsstadt Ihre Skepsis, was die Zukunft Ihrer Karriere angeht, gemildert? Mit Konzerten auf dem Niveau verdient man ja auch auf Dauer extrem gut…

Apache 207: Das hat mir auf jeden Fall sehr, sehr viel Selbstvertrauen geschenkt. Aber wir haben uns nach dem Konzert auch zusammengesetzt und festgestellt, dass wir in Deutschland live in einer der höheren Ligen spielen. Aber wir wissen auch, dass es besser geht. Da ist die Frage, wie könnte das aussehen? Auch wenn man das nicht um jeden Preis erzwingen sollte. Aber wie wäre es zum Beispiel, wenn ich bei der Ballade „Zwei Minuten“ selber die Gitarre spielen würde? Für das eigene Gefühl.

Spielen Sie Instrumente?

Apache 207: Leider kaum. Da beiße ich mir sonstwohin, dass ich das nicht durchgezogen habe. Wenn ich ein bisschen mehr Zeit gehabt hätte, dann wäre alles etwas organischer gelaufen. Aber ich wurde so schnell aus meinem alten Leben rausgezogen und musste funktionieren. Ich musste liefern. Aber wir wissen, dass wir gut sind – brauchen aber auch das Gefühl, dass wir noch besser werden wollen. Auch wenn es zum Rap-Genre gehört, sich für den Besten zu halten. Aber ich sage immer: Der König krönt sich niemals selbst. Der Beste ist, der, der die beste Arbeit gibt.

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Apache 207: Das ist mir schon bewusst, dass es den Eindruck erweckt. Mehr muss man dazu nicht sagen. Es ist halt Kunst: Wofür könnte das Kind denn stehen? Das ist Interpretationssache.

Ich bin erstaunt, dass Sie mir ohne Sonnenbrille gegenübersitzen. Man sieht bislang ihre Augen in den Videos allenfalls kurz, auch in der Doku werden Sie mit einem Balken verdeckt, wenn sie nicht ohnehin Sonnenbrille tragen. Was stört sie daran, dass Menschen durch die Fenster in Ihre  Seele blicken könnten?

Apache 207: Ich finde es einfach cooler. Mit Sonnenbrille merken Leute zum Beispiel nicht, ob ich sie gerade angucke. Es hat auch Vorteile: Wenn ich mich verkleide und die Brille weglasse, erkennt man mich nicht so leicht. Ein Mini-Cro-Effekt. In so einem Gespräch fände ich das albern. Es sei denn, man ist Heino.

Augenbalken in der eigenen Doku sind aber schon speziell, oder?

Apache 207: Mag sein. Aber lieber habe ich Footage, das originell ist und einfach echt. Auch, wenn ich dabei keine Sonnenbrille trage. Aber ich habe von Anfang an gewusst, dass ich in dem Film die Augen nicht zeige.

Sie werden von Ihrem Bruder Hakan und einem Ihrer besten Freunde, Johannes Götz, gemanagt. Die beiden tauchen auch prominent in der Doku auf. Fürchten Sie nicht, dass sie jetzt auch von Fans belagert werden…

Johannes Götz (lacht): Ich habe mir die Haare abgeschnitten…

Apache 207: Bei meinem Bruder habe ich ein bisschen Angst. Der ist einfach so ein guter Mensch, da hoffe ich, dass ihn das nicht so mit reinzieht. Da hätte ich ein schlechtes Gewissen. Andererseits sollen die Leute ja auch sehen, dass er ein Goldjunge ist. Johannes natürlich auch.

In Ihren ersten großen Hits wie zuletzt auch in „Sport“ schwingen Sounds  aus den 1980ern und 1990ern mit, die Ihre enorme Breitenwirkung erklären. Sie sind Jahrgang 1997, also eigentlich viel zu jung für Eurodisco von Snap! oder Culture Beat. Wie kam es dazu?

Apache 207: Da war ich zwischen zwölf und vierzehn Jahre alt, hatte noch keinen Führerschein, und bin bei jemand mitgefahren, der diese Mucke im Auto gepumpt hat. Und ich: Was ist das für „crazy shit“, warum fetzt das so? Ich höre doch eigentlich Rap, wie kommt’s, dass ich das so geil finde?

Sie haben 2022 noch nichts veröffentlicht. Wie geht es musikalisch weiter? Durch diesen ersten großen Stilwechsel sind ja stilistisch alle Türen offen und als Rapper mit Top-Singstimme haben sie womöglich fast zu viele Möglichkeiten, bis hin zu Türkpop…

Apache 207: Ich mache mir eigentlich nie Gedanken, in welche Richtung ich gehe. Ich kann das meistens nur hinterher Revue passieren lassen, welcher Einfluss da eine Rolle gespielt hat. Wenn ich mir eine Sache gezielt vornehmen würde, könnte ich das gar nicht machen.

Unter www.rheinpfalz.de finden Sie das zweite Interview aus Apaches erster Interview-Serie.

Das Exklusiv-Interview für zu Hause, gedruckt und in Farbe? Gibt es unter diesem Link als Apache-Special.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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