Mannheim. Wirft man einen Blick auf den Instagram-Account von June, taucht man eine märchenhafte Welt ein. Mal hat sich die 24-Jährige in eine filigrane Fee mit langer blonder Mähne und blau-grünen Flügeln verwandelt. Dann posiert sie mit einem floralen Blumenkranz im Haar um sich auf einem anderen Foto mit feuerroten Meerjungfrauenhaaren zu zeigen. Die zierliche Mannheimerin hat viele Gesichter und noch mehr Outfits: June ist Cosplayerin. Ein breitgefächertes Repertoire an Kostümen, Perücken und Make-Up-Produkte für verträumte Styles sind fester Bestandteil im Leben der jungen Frau.
Wiedersehen auf der Animagic
Der Begriff Cosplay ist eine Wortkreation, der aus Costume und Play zusammengesetzt wird und so viel wie „Kostümspiel“ heißt. Das Phänomen stammt aus Japan und schwappte in den 1990er Jahren mit dem Anime- und Manga-Trend auch nach Europa. Dabei nähen, bauen und kreieren die Anhänger die Kostüme ihrer Comic-Helden detailgenau nach um wie sie auszusehen. Auf Messen und Conventions treffen sie auf Gleichgesinnte. In Mannheim feiern Cosplayer am Wochenende gemeinsam mit Anime- und Manga-Fans auf der Animagic im Rosengarten.

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Zu ihrem außergewöhnlichen Hobby gekommen ist June bereits vor zehn Jahren. Bereits als Kind liebt die gebürtige Odenwälderin Zeichentrick und malt Mangas. „Irgendwann meinte mein Stiefvater, er habe in Ludwigshafen ein Plakat von Verrückten gesehen“, sagt June und lacht. Es handelte sich um die Hanami, ein Festival für Japanische Kultur und Animes, in Ludwigshafen. June ist Feuer und Flamme. „Ich habe meinen Stiefvater angefleht, mit mir hinzugehen“, sagt sie. Denn alleine hatte sie sich nicht hingetraut. Dort trifft das junge Mädchen zum ersten Mal auf Cosplayer – sie ist begeistert von der Kunst und der Möglichkeit sich in andere Personen zu verwandelt. „Ich finde es toll meine eigenen Charaktere zu entwickeln“, erklärt June ihre Faszination. June zeichnet weniger und tauscht den Stift gegen eine Nähnadel um die Kostüme nachzuahmen. „Damals gab es nur ganz wenige Seiten im Internet“, sagt sie. June wird kreativ, um ihre Kostüme zu nähen. Sie nutzt etwa die Nähmaschine einer Freundin. „Ich habe aber auch schon mal 1000 Pailletten mit der Hand angenäht auf der Fahrt an die Nordsee“, verrät sie und fügt lachend hinzu. „Im Nähen bin ich immer noch schlecht.“ Glücklicherweise hat sie durch ihr Hobby viele Bekannte deutschlandweit, in Österreich und der Schweiz kennengelernt. Die Community sei sehr offen und man helfe sich gegenseitig, erzählt June. Inzwischen bekomme sie Hilfe von Cosplayern, die eine Stickmaschine besitzen, dafür helfe sie anderen.
Kostüme auf Opas Dachboden
June besitzt rund 20 Kostüme, etwa die kämpferische Janna aus League of Legends, Harley Quinn aus Suicide Squad oder Anime-Tail-Fox Ahri aus League of Legends. Ihre Kleidung bewahrt sie zum Teil in einem Ankleidezimmer, im Keller sowie im Dachgeschoss ihres Großvaters auf. „Ich beschrifte Klarsichtboxen, so dass ich alles schnell finden kann.“
Am Anfang experimentierte sie mit Materialien wie Thermoplastikstoffen. „Daraus habe ich meine allererste Rüstung gebaut“, erzählt sie. Doch diese habe ein Gerüst von rund fünf Kilo auf die Waage gebracht. „Das war super unbequem.“ Inzwischen nutzt sie EVA-Foam wie die Schaumstoffe auch genannt werden, da sich diese besser an den Körper anpassen. Spiegelfolie oder PVC-Rohre kommen öfter mal bei ihr zum Einsatz, etwa für Feenflügel oder Schwänze bei Fantasy-Figuren. „Das Bauhaus ist der beste Freund des Cosplayers“, sagt sie schmunzelnd. Ihr Hobby sei schon ein wenig kostspielig, räumt June ein – die Materialien kosten zwischen 800 und 900 Euro. Auch Perücken sind nicht billig, da sie auf hochwertige Haarteile setzt und ihre rotblonden Haare nicht ständig färben möchte. Als Jugendliche jobbte sie daher in einem Klamottenladen, um ihr Hobby damit zu finanzieren. Nach der Schule reiste sie zudem einen Monat durch Japan, da sie von der Kultur des asiatischen Lands tief beeindruckt ist.
Ideen für weitere Kostüme hat June viele, etwa Daenerys Targaryen von Games of Thrones und Elsa aus Frozen2. Um ihre Leidenschaft so nachhaltig wie möglich zu gestalten, trägt sie Kostüme öfters, nutzt Teile von alten Gewändern für neue Outfits oder gibt ungenutztes Equipment weiter. Häufig begleitet Junes Freund sie auf Veranstaltungen. Cosplayer sei er selbst zwar nicht, aber er unterstütze ihre Passion, sagt June glücklich.
"Sehr viel Selbstbewusstsein"
Etwa fünf bis sechsmal im Jahr besucht sie deutschlandweit Messen. Durch die Veranstaltungen hat sie inzwischen viele Freunde gefunden, die ebenfalls Cosplayer sind. Und nicht nur das. „Durch die Verwandlungen in andere Charaktere habe ich sehr viel Selbstbewusstsein gewonnen“, sagt die zierliche Mannheimerin, die als Erzieherin arbeitet. Inzwischen modelt sie auch für inszenierte Fotografie und schlüpft in die Rolle von mystischen Fabelwesen. „Ich finde sie wunderschön“, erklärt sie ihre Begeisterung. „Und ich würde auch selbst gern fliegen können.“
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