Mannheim/Düsseldorf. Ein Gespräch über den "Antilopen Geldwäsche Sampler 1", Veto-Rechte, den Erfolg von Danger Dan, politische Texte wie "Nazis rein" oder "Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten" sowie Ballermann-Schlager.
Koljah, schöne Bescherung: Sie veröffentlichen mit der Antilopen Gang am 24. Dezember Ihren ersten Label-Sampler – wird Ihre Plattenfirma Antilopen Geldwäsche das neue Aggro Berlin?
Koljah: Ich hoffe, dass wir von der popkulturellen Bedeutung und dem kommerziellen Erfolg her an die besten Zeiten von Aggro Berlin anknüpfen können.
Die Platte ist extrem vielfältig. Das Spektrum reicht von Rap und Punk-Rock über Popsongs und Pianoballaden bis zu hartem Ballermann-Schlager – was ist der gemeinsame Nenner der Songs? Außer, dass bei allen Tracks mindestens ein Mitglied der Antilopen Gang zu hören ist.
Koljah: Anders als bei den herkömmlichen Antilopen-Gang-Alben gibt es keinen roten Faden. Deshalb ist es musikalisch so unterschiedlich. Und auch die Rap-Musik ist zum Teil sehr modern, dann aber wieder sehr altbacken. Unser Ansatz war, eine Compilation zu machen und alles Mögliche zusammen zu würfeln. Und trotzdem ist es ein heimliches Antilopen-Gang-Album, weil wir überall beteiligt sind.
An Heiligabend erscheint der "Antilopen Geldwäsche Sampler 1"
Der Düsseldorfer Rapper Koljah (geboren 1986 als Kolja Podkowik) gründete mit Panik Panzer (Tobias Pongratz), Danger Dan (Daniel Pongratz) und NMZS (Jakob Wich, 1984-2013) die Band Antilopen Gang. Sie stehen für punkigen Hip-Hop mit provokanten und politischen Texten.
Der große Durchbruch erfolgte, nachdem die Band zu JKP in Düsseldorf wechselte. Bei der Plattenfirma der Toten Hosen erschien 2014 das Album „Aversion“. 2017 folgte das Nummer-eins-Album „Anarchie und Alltag“.
2020 gründeten sie ihr eigenes Musiklabel Antilopen Geldwäsche, auf dem 2021 Danger Dans Nummer-eins-Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ erschienen ist.
Am 24. Dezember folgt der „Antilopen Geldwäsche Sampler 1“ mit 14 neuen Band- und Solo-Songs sowie Gastauftritten von Max Herre Maeckes, Fatoni, Zugezogen Maskulin oder den Toten Hosen auf allen Digitalkanälen. Physisch erhältlich unter antilopengang.de
Am 31. Januar 2022 ist ein Antilopen-Gang-Konzert in der Heidelberger Halle 02 geplant.
Und am Ende gibt es sogar einen Live-Song der Toten Hosen, den früheren Label-Chefs Ihrer Band. Werben Sie Campino und Co. für Ihr Label Antilopen Geldwäsche ab?
Koljah (lacht): Noch nicht. Im Grunde machen wir mit Antilopen Geldwäsche, was die Hosen in den Neunzigern mit ihrer kleinen Plattenfirma JKP gemacht haben. Wir waren sieben Jahre bei JKP, jetzt ist es so: Die Vögel sind langsam groß geworden und verlassen das Nest. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir uns mit denen nicht mehr verstehen würden. Im Gegenteil sind in der Zeit bei JKP viele schöne Freundschaften entstanden. Wenn die Antilopen Gang mit Antilopen Geldwäsche als eigenem Label aktiv wird und dann aber ein Tote-Hosen-Song auf ihrem ersten Label-Sampler ist, dann soll das einfach eine schöne, symbolische Geste sein. Und es ist ein netter Freundschaftsdienst, dass die Hosen da direkt Bock drauf hatten. Wir fanden es sehr passend, dass bei der ersten Veröffentlichung, die Antilopen Geldwäsche als Label so in den Vordergrund stellt, trotzdem unsere alten Label-Chefs dabei sind.
Es gibt Band-Songs, jeder von Ihnen ist einzeln zu hören oder in Kombination mit spannenden Gästen wie Maeckes, Fatoni oder Max Herre. Gibt es bei Nicht-Band-Songs ein wechselseitiges Mitsprache- oder Veto-Recht?
Koljah: Völlig autark ist eigentlich nichts, was wir veröffentlichen. Auch wenn Danger Dan eine Soloplatte rausbringt, reden wir darüber. Natürlich hat er dabei das letzte Wort und kann Sachen durchziehen, auf die wir anderen nicht so viel Bock haben. Theoretisch hätten wir schon die Möglichkeit ein Veto einzulegen, gerade wenn wir die Plattenfirma sind, die das veröffentlicht. Aber bei dem Antilopen-Geldwäsche-Sampler war die Herangehensweise wie bei einem Antilopen-Album: Bei der Entscheidung, welche Songs auf das Album kommen, haben wir alle mitgesprochen, auch wenn wir nicht mitspielen. Auf so einem Projekt würde nichts landen, was einer von uns abgrundtief verabscheut. Und es kann auch immer sein, dass jemand von uns, sei es musikalisch oder textlich, daran mitgearbeitet hat, auch wenn sein Name nicht explizit genannt wird. Das ist schon eine Suppe am Ende des Tages.
Näher am Radio-Deutschpop waren die Antilopen wahrscheinlich noch nie als bei „Mir kann nichts passieren“ von Danger Dan und Max Herre. Solche harmonischen Zeilen kennt man speziell von Ihnen gar nicht. War da die Pop-Toleranz überstrapaziert?
Koljah: Ganz im Gegenteil. Ursprünglich sollte es sogar ein Antilopen-Gang-Song werden. Panik Panzer und ich mochten dieses Lied sehr. Danger Dan kam mit der Skizze an. Er hatte seine Strophe und den Refrain. Ich habe sogar eine Strophe geschrieben, war aber nicht so zufrieden. Ich habe gemerkt, ich füge mich nicht so gut ein in dieses Lied. Ich bin aber durchaus ein Freund von gut gemachter Popmusik. Dass das ein eingängiger Popsong ist, war für uns alle kein Problem. Aber es stimmt schon, ich konnte mich textlich und inhaltlich nicht so gut einfinden. Ich fand das Lied aber trotzdem gut. Dann haben wir gesagt: „Daniel, dann mach das doch mit jemand anderem.“ Die Sampler-Idee hat auch dazu geführt, dass wir da etwas offener waren, uns auch Gäste einzuladen. Dann sind wir auf die Idee gekommen: „Lass‘ uns doch mal Max Herre fragen.“ Es hat dem Song letztlich auch gut getan, dass wir da nicht auf Teufel komm raus alle mit drauf sein müssen. Aber er ist von uns produziert worden und damit auch ein Antilopen-Gang-Song. Aber man hört eben nur Danger Dan dort rappen und singen.
Ihr persönliches Metier sind ja eher kompromisslose, gern politische Texte. Ihr Song „Nazis rein“ vertritt eine hochinteressante These. Staunt man als Texter, wenn der „Spiegel“ um so einen Song eine ganze Kolumne baut?
Koljah: Das kam unerwartet. Es hat keiner Bescheid gesagt, und ich habe auch niemandem ein Interview gegeben. Offensichtlich hat der Song einen so großen Eindruck bei dem Redakteur hinterlassen, dass er ihn aufgegriffen hat. Das hat mich gefreut und es ist natürlich auch gute Promotion. Ich habe von allen Seiten Rückmeldungen dazu bekommen. Das zieht natürlich Kreise, und das ganz ohne dass wir uns darum bemüht hätten. Damit hätte ich nicht gerechnet. Es zeigt auf jeden Fall, dass der Song eine gewisse Relevanz hat.
Erläutern Sie bitte die Grundgedanken des Liedes.
Koljah: Es gibt verschiede Thesen in dem Song. Es geht einmal um politische Bands, und dazu zähle ich auch die Antilopen Gang. Eine These lautet, dass bestimmte Haltungen, die solche Bands vertreten, wenn sich die gesellschaftlichen Umstände verändern, zu leeren Posen verkommen können. Sodass man sich nur noch selbst auf die Schulter klopft und sich sicher ist, dass man auf der richtigen Seite steht. Als wir 2014 „Beate Zschäpe hört U2“ veröffentlicht haben, ging es auch um eine Kritik an Verschwörungstheorien, die damals noch ein Randphänomen waren. Ich erinnere mich gut, dass ich damals oft in Interviews erklären musste, was für ein Problem ich damit habe. Manche Leute meinten: „Aber der Ken Jebsen meint es doch nur gut.“ Das hat sich jetzt sieben Jahre später sehr geändert, gerade auch wegen Corona. Heute muss man glaube ich niemandem mehr erklären, warum Verschwörungstheorien ein Problem sind. Es gibt viel mediale Aufmerksamkeit dafür. Würden wir als Antilopen Gang jetzt immer weiter Songs über Verschwörungstheorien machen, zum Beispiel „Beate Zschäpe II“ oder III herausbringen, und überhaupt nicht reflektieren, dass sich die Situation geändert hat, dass wir den Leuten etwas erzählen, das ihnen mittlerweile jeder erzählt, würde das doch recht langweilig und überflüssig. Und diente vermutlich nur noch der Selbstbeweihräucherung. Man kann sich so leicht Applaus abholen.
„Nazis rein“ hat aber noch andere Seiten, wie der Titel schon sagt…
Koljah: Es geht auch um die Frage, warum es inzwischen so beliebt ist, sich über Verschwörungstheoretiker lustig zu machen. Ich denke, das hat auch etwas damit zu tun, dass man sich damit auch selbst erhöhen kann, dass man moralisch auf der richtigen Seite steht. Dass man irgendwelche Deppen hat, von denen man sich abgrenzen kann. Das führt zur zentralen These im Refrain: Deutsche brauchen Nazis, so können sie moralisch sein. Es ist ja recht beliebt, sich gegen Rechts, gegen Nazis, gegen die AFD zu positionieren. Es gab auch andere Zeiten in der Nachkriegsgeschichte dieses Landes, wo das nicht so ein Massenphänomen war, sich antifaschistisch zu geben. Und wenn ich sage, Deutsche brauchen Nazis, um moralisch zu sein, meine ich, dass Nazis eine bestimmte Funktion erfüllen, indem man sich von ihnen abgrenzen kann. Wenn man sich als guter beziehungsweise wieder gut gewordener, geläuterter Deutscher sieht, der jetzt endlich auf der richtigen Seite der Geschichte steht und der die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit gezogen hat, kommen einem die Nazis eigentlich ganz gelegen. Denn das sind die ewig Gestrigen, auf die man mit dem Finger zeigen kann. Nazis braucht man, um sich als guter Deutscher zu präsentieren. Nazis sind in dieser Denke dann keine richtigen Deutschen.
Kann ein solcher Text auch schlecht altern, also sich mit der Zeit in der Bedeutung verdrehen?
Koljah: Das meinte ich ja: Manche Dinge haben einen gewissen Zeitkern, entstehen in einer bestimmten Zeit unter bestimmten Umständen. Wenn sich die ändern, bekommen Sachen eine andere Bedeutung. Die kann sich ins Gegenteil umkehren, oder sehr müßig werden. Wir könnten als Antilopen Gang jetzt natürlich noch viele Songs gegen Nazis machen, aber das würde mich doch sehr langweilen. Das haben zwanzig andere Bands dieses Jahr auch schon gemacht. Das ist nicht mein Anspruch an die Musik, die ich machen will. Dann würde ich doch eher schauen, gibt es nicht Themen, die nicht schon dutzendfach beackert wurden. Warum hört man von all den Antifaschisten eigentlich so wenig über die aus der Türkei stammenden Grauen Wölfe? Das ist die größte faschistische Organisation in Deutschland.
Der Ärger beim Lied „Wer hat uns verraten“, im Text folgt „Sozialdemokraten“, ist absehbar. Ist das kalkuliert kurz nach Start der neuen Bundesregierung veröffentlicht, um dem SPD-Kanzler Olaf Scholz in den Champagner zu spucken?
Koljah: Das könnte so wirken. Ich finde, das Lied passt ganz wunderbar in die Zeit. Mit einem SPD-Kanzler einen Song mit dem Titel „Wer hat uns verraten“ herauszubringen, halte ich schon für eine gelungene Pointe, die wir so nicht vorhersehen konnten. Ich will den Satz als klassische kommunistische Parole verstanden wissen, die sich darauf bezieht, dass die SPD 1914 den Kriegskrediten und dem Burgfrieden mit dem Kaiser im Ersten Weltkrieg zugestimmt hat. Die SPD hat sich seit über 100 Jahren für vernunftbegabte Menschen erledigt.
Originär entstammt der Satz kommunistischer Kritik am Verhalten der SPD, auch mit Blick auf das Verhalten ihres Reichswehrministers Noske. Fridays For Future ernteten für die Verwendung schon mal viel Kritik, weil auch die NSDP die Parole im Wahlkampf eingesetzt und damit Richtung Dolchstoß-Legende argumentiert haben soll. Schmieden Sie da nicht selbst das berühmte Rechts-Links-Hufeisen?
Koljah: Nö. Kritik an der Sozialdemokratie ist ein linksradikales Kernthema. Wer es mit Marx hält, sollte von der SPD nichts wissen wollen. Und so muss dieser Song auch eingeordnet werden. Über Fridays For Future weiß ich nichts, aber die Antilopen Gang ist tragischerweise bei den Jusos sehr beliebt. Ich bin mal gespannt, wie die auf den Song reagieren.
Apropos: Sie bekennen sich im Titelsong „Antilopen Geldwäsche“ zum Kommunismus. Wie ernst meinen Sie das – und über welchen Kommunismus sprechen wir da?
Koljah: „Ich bin Kommunist“ zu sagen, hat mir im Kontext des Liedes sehr gut gefallen: Das ist ein Rap-Song, der musikalisch an die klassische Ära Mitte der 2000er erinnert, an den Sound der New Yorker Band Diplomats, die immer sehr angeberisch unterwegs waren. In so einem Gewand etwas über Kommunismus zu erzählen, halte ich prinzipiell für einen guten Gag, der irritieren soll. Aber das ist jetzt auch nicht nur so daher gesagt. Ich brauche generell keine identitäre Schublade, in die ich mich selbst packe, aber ich kann mit der Marxschen Gesellschaftskritik definitiv etwas anfangen. Mit dem Marxismus eher weniger – Marx selbst soll gesagt haben, er sei sicherlich kein Marxist. Wenn ich mich in irgendeiner Form auf Theorien beziehe, die als marxistisch gelten, dann schon auf Marx selbst oder vielleicht die Kritische Theorie um Horkheimer und Adorno oder die neue Marx-Lektüre aus den Sechzigern. Aber mit Realsozialismus oder marxistisch-leninistischen Theorien und autoritären Modellen kann ich nichts anfangen. Es gibt eine ganz sympathische Spielart des Kommunismus: der Rätekommunismus, der übrigens auch immer eine gute Kritik an der SPD schon sehr früh geübt hat. Die finde ich gut, unter anderem auch aus einem historischen Interesse heraus. Über manche Thesen lohnt es sich meines Erachtens immer noch, zu diskutieren.
Danger Dan hat sich die etwas härteren Liedermacher-Texte offenbar für den Sampler aufgespart. Was macht das mit der Dynamik eines so verschworen wirkenden Trios, wenn einer plötzlich so extrem viel Erfolg hat?
Koljah: Also, der Hype um Danger Dan hat der Antilopen Gang bisher eigentlich nur Auftrieb gegeben. Was das langfristig für Auswirkungen hat, kann ich noch nicht absehen. Aktuell ist es so, dass es für uns alle frischen Wind gebracht hat - und dass wir es als Antilopen-Geldwäsche-Label jetzt wissen wollen. „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ war zwar eine Danger-Dan-Soloplatte, aber gleichzeitig auch das erste Album, das wir als Plattenfirma komplett selbstständig in großem Stil herausgebracht haben. Und wie gesagt: Hinter den Kulissen haben wir alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Das war letztlich ein Projekt von uns dreien. Deswegen sind wir jetzt auch nicht in so einer ungünstigen Position, in der er einen Soloausflug gemacht hat und uns abgehängt hat. Wir haben gemeinsam ein Projekt durchgezogen, das sehr erfolgreich war. Insofern haben wir alle etwas davon und freuen uns auch alle darüber.
Es gab ja sogar Lieferschwierigkeiten im Vinyl-Bereich. Wie waren die Absatzzahlen?
Koljah: Mehr als alles, was wir bisher gemacht haben, und das in einer Zeit, in der die Verkäufe immer weiter nach unten gehen. Auf jeden Fall hätten wir am Anfang viel mehr verkaufen können. Wir hatten aber zu klein dimensioniert, weil wir dachten, das ist ein Nischending, wir machen ein Kleinkunst-Album und nehmen das als Testlauf, wie das so ist als Plattenfirma ein Album rauszubringen. Wir dachten wir machen 500 farbige und 1000 schwarze Vinyls. Die waren dann über Nacht weg. Und auch bei den Nachpressungen haben wir uns wieder verkalkuliert. Deswegen ist das Album erst auf Platz zwei der Charts eingestiegen und einige Wochen später dann noch mal auf Platz eins, als der erste große Schwung Nachpressungen ausgeliefert wurde. Letztlich gab es vier, fünf oder sechs Auflagen – ich habe den Überblick verloren. Manchmal gibt es Platten, die so ein Momentum haben, die dann zum Selbstläufer werden.
Man kann Besucherzahlen von Konzerten in der Pandemie trotz solcher Erfolge kaum kalkulieren. Ich war trotzdem baff, wie viele der 2000 Plätze beim Antilopen-Gang-Konzert beim Zeltfestival im Mannheimer Reitstadion frei geblieben sind. 2000 Fans ziehen Sie ja normalerweise regelmäßig. Wie breit war das Spektrum der Publikumsresonanz bei den Open Airs 2021?
Koljah: Das war ein abgefahrener Sommer. In jedem Bundesland gab es andere Regeln und man wusste ohnehin nie, was einen erwartet und wie viele Leute kommen. Zwischen 2000 und unter 100 war alles dabei. Es lag aber nicht nur an Corona. Es gibt Städte, da ist der Wurm drin, andere Städte laufen phänomenal. Das ist verwunderlich, denn die liegen manchmal gar nicht so weit auseinander. Das ist rational nicht zu erklären.
Harte Kost ist der Ballermann-Schlager als Rheinische Frohnaturen. Die Gruppe habt ihr euch aber ausgedacht, nehme ich an.
Koljah: Ja, wir haben zuerst überlegt, als wir angefangen haben Interviews zu geben, ob wir jetzt immer so tun sollen, als wären wir das nicht. Aber das haben sowieso alle gemerkt. Dann war uns das auch zu blöd, immer dieses Spiel zu spielen. Da macht einem auch das Streaming einen Strich durch die Rechnung. Damit dieser Sampler auf der Antilopen-Gang-Seite bei Spotify und Co. erscheint, ist bei den Songs immer auch die Antilopen Gang als Interpret genannt. Deswegen ist die Sache ohnehin klar.
Sie bedienen den Ballermann erschreckend konsequent. Musikalisch ist der Antilopen Gang nichts zu eklig, oder? (lacht)
Koljah: Das war natürlich ein Gag, der ein Eigenleben entwickelt hat. Ich weiß nicht, ob wir das jemals live spielen werden. Ursprünglich war es so, dass wir uns treffen wollten, um an neuen Antilopen-Gang-Songs zu arbeiten. Nach dem Motto „Nach der Platte ist vor der Platte.“ Und irgendwie war das das erste und einzige, was uns bei dieser ersten Session eingefallen ist. Dann hat Panik Panzer mal nachgehört, wie man so etwas produziert. Und dann haben wir gesagt: Wir ziehen das durch.“ Damals wussten wir noch gar nicht, dass wir einen Sampler machen. Aber als wir den Sampler dann geplant haben, fiel uns dieser Song wieder ein. Und da der Sampler keinen roten Faden hat, konnte man da gut mal einen Ballermann-Song platzieren. Auf ein reguläres Antilopen-Gang-Album hätten wir das Lied niemals gepackt.
Material von Ihrem Vierten im Bunde ist auch zu hören, also von Jakob Wich alias NMZS, der sich 2013 das Leben genommen hat. Ihr pflegt sein Andenken auch auf Konzerten sehr würdevoll, wie ich finde. Schmerzt die Arbeit mit seinem Material oder ist es vor allem schön, weil er auf diese Art noch präsent ist?
Koljah: Es ist auf jeden Fall schön. Wir haben nach seinem Tod noch sein Album „Der Ekelhafte“ herausgebracht, haben uns ansonsten aber sehr zurückgehalten. Was wir nicht machen wollten, war, eine Strophe von ihm zu benutzen und etwas ganz Neues daraus zu machen. Oder verwursten zu etwas, was er sich überhaupt nicht so gedacht hat. Aber in diesem Fall haben wir einen Song, den es von ihm gibt, behutsam an aktuelle Standards angepasst und ein bisschen ausproduziert. Aber letztlich ist er so geblieben, wie er gemeint war. Und das war für uns sehr schön. Denn wir wussten, wir machen einen Antilopen-Geldwäsche-Sampler und wollen uns vollumfänglich abbilden, und da gehört er auch dazu. Spätestens als wir wussten, wir machen von jedem einen Solo-Song auf das Album, musste auch sein Song mit drauf. Wenn ich mir den jetzt anhöre, ist das eher schön und tröstlich, weil es sich auch so schön einfügt. Für mich ist das folgerichtig und gehört einfach dazu.
Dass die Erfolgsgeschichte der Antilopen Gang nach seinem Tod erst richtig los gegangen ist, würde als Drehbuch wohl durchfallen, oder?
Koljah: Wahrscheinlich. Weil es zu unrealistisch wirken würde. Wenn ich Leuten, die die Antilopen Gang nicht kennen, das erzähle, ist trotzdem oft die Reaktion: „Das ist unglaublich und hört sich an wie in einem Film.“ Auch dass kurz nach Jakobs Tod die Zusammenarbeit mit den Toten Hosen begann, von denen ich seit frühster Kindheit ein Riesenfan bin. Das ist schon sehr absurd, was uns da passiert ist.
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