Frankreich

Viel mehr als nur Senf: Dijon ist ein Reiseziel für Feinschmecker

Die französische Stadt Dijon ist vor allem für seinen Senf bekannt. Aber Freunde guter Gastronomie und Produkte finden in der hübschen Universitätsstadt im Burgund noch jede Menge anderer Gründe, um länger zu bleiben

Von 
Michaela Roßner
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Im traditionsreichen Laden von "Mulot & Petitjean" gibt es Lebkuchen das ganze Jahr über - die Firma existiert in der vierten Generation. © Michaela Roßner

Dijon. Vor Marktfrau Valerie Desfêtes liegen Huhn und Kapaun ganz unprätentiös in der Auslage - und versprechen doch einen besonderen Genuss. Seit 1993 bietet sie hier in der Markthalle in der Altstadt von Dijon ihr selbst aufgezogenes Geflügel an. Valerie selbst, die den Kontakt zu ihren Kunden liebt und immer offen ist für ein Schwätzchen, ist ein Original in den „Halles“, die schon durch ihre großzügige Metallkonstruktion beeindrucken. Während andere Städte ähnliche Bauwerke, die inspiriert vom berühmten Eiffelturm entstanden, in den 1970er- und 1980er-Jahren abrissen, haben die Stadtväter und -mütter in Dijon Weitsicht bewiesen und in den Erhalt der charismatischen Halle investiert.

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Neben dem Boeuf Bourguignon, einem aromatischen Fleischgericht mit dunkler Sauce, und dem Senf ist das Burgund auch für seinen Epoisse-Käse weltberühmt. Den Weichkäse aus Kuhmilch, der meist im Weidenkörbchen reift, hat auch Käsehändler Christophe LeCoq im Angebot. Den Käsestand, den seine Tante 40 Jahre lang führte, hat er kürzlich übernommen - aus Überzeugung. Für ihn bedeutete das auch eine Rückkehr in die Heimat. Petersilienschinken (jambon persillé), eine weitere Spezialität aus Dijon, gibt es am Stand gegenüber. Es ist eine Art Schwarte- (oder Sau-)magen, der unter einer erfrischenden Petersilienkruste steckt.

Längst nicht nur zum Einkaufen dient der Markt an vier Tagen die Woche vielmehr auch als Treffpunkt und Infobörse. Das schätzen auch viele Pariser, die während der Pandemie die Lebensqualität und günstigeren Immobilienpreise in der Provinz schätzen lernten und sich samt Homeoffice hier niederließen - Paris ist mit den TGV in nur 1,5 Stunden gut zu erreichen. Und so steht oder sitzt man in der „Buvette“ im Zentrum der Markthalle, spricht übers Essen oder die Politik - und genießt ein Gläschen Burgunder dazu.

Die Markthalle in Dijon (links) ist inspiriert vom Eiffelturm und wurde von 1873 bis 1875 von Fourchambault aus Nièvre nach den Plänen des Ingenieurs Louis-Clément Weinberger gebaut. Bei „Mulot & Petitjean“ (r.) gibt es feine Lebkuchen. © Michaela Roßner

Burgund in Zentralfrankreich reicht von Sens im Norden bis Mâcon im Süden und von Vesoul im Osten bis Nevers im Westen. Dijon ist die wichtigste Stadt mit 157 000 Einwohnern. Auf zahlreichen Kanälen sind Hausboottouren beliebt. Aber besonders bekannt ist Burgund für sein Kulturerbe, seine Gastronomie und die Weine.

Auf 6000 Quadratmetern kann man in der kürzlich eröffneten „Cité gastronomique“ alles über die kulinarische Tradition, die Geschichte von Restaurants und Tischkultur erfahren. Es ist eine Mischung aus Museen, Restaurants und Lebensmittelgeschäften, in der man locker einen ganzen Tag verbringen kann.

Eher Kennern in Deutschland bekannt ist die Lebkuchentradition, die hier nicht an Weihnachten gebunden ist. „Mulot et Petitjean“, das wohl traditionsreichste Haus, hat zwei Läden in der Altstadt, und außerdem kann man die Fabrik besichtigen und dort Produkte verkosten. Christine Snoeckx leitet das Unternehmen in der vierten Generation und steht immer noch gerne in einem der beiden Altstadt-Läden, in denen die Lebkuchen in allen Variationen zu haben sind. Der Laden im Stammhaus im Fachwerkgebäude „L’Hôtel Catin de Richemont“ am Bossuet-Platz ist schon eine Augenweide an sich. Ob für die Gänseleberpastete oder das Lachshäppchen, ob Lebkuchen in Weihnachtsmannform - die Vielfalt ist beinahe unerschöpflich. Eine besondere Spezialität sind die „Nonnettes de Dijon“: Lebkuchentaler, die zum Beispiel mit köstlicher Orangenmarmelade gefüllt sind.

Traditionsreiche Honigkuchenbäckerei in der französischen Stadt Dijon

Die Honigkuchenfabrik „Mulot & Petitjean“ ist 1796 in Dijon gegründet worden und produziert heute 500 Tonnen Lebkuchen pro Jahr. Die genauen Rezepturen werden natürlich nicht preisgegeben. Aber eine wichtige Rolle spielt dabei grüner Anis. Neben Weizen- und Roggenmehl besteht der Lebkuchen vor allem aus Honig und Gewürzen wie Anis, Zimt und Nelken sowie Koriander. Gebacken wird in einem Tunnelofen, nachdem der „Mutterteig“ Tage oder sogar Wochen reifen durfte. Die Lebkuchen, die nur drei Prozent Fett enthalten, sind haltbar und werden nicht nur in Dijon das ganze Jahr über verkauft und genossen.

Weiteres zu Dijon

 

  • Übernachten: Traditionell französisch im „Hôtel Darcy“ (mit gutem Restaurant „La Porte Guillaume“), oder fantasievoll im jungen „Mama Shelter“, beide am Place Darcy, Doppelzimmer je zwischen 120 und 130 Euro.
  • Lebkuchen: „Mulot et Petitjean“ hat zwei Läden in der Altstadt und außerdem kann man die Fabrik besichtigen und dort Produkte verkosten (6, Boulevard de l’Ouest à Dijon).
  • Crème de Cassis: Verkostung zum Beispiel bei „Le Clos Vivants“ (1, Rue Musette), wo Kellermeister Adrien Tirelli rund 1000 Weine, Spirituosen und Liköre anbietet und täglich Verkostungen anbietet. Boutique Grain de Cassis (14, rue du Rameau).
  • Senf: Edmont Fallot (16, Rue de la Chouette) und Maillet (32, Rue de la Liberté) sind die bekanntesten.
  • Cité Gastronomique: Vier Ausstellungen über die (französische) Ess- und Tischkultur, Weinkeller, MetzgereiGastronomie und mehr findet man hier. (12, Parvis de l’Unesco).

Nur fünf Kilometer entfernt von Dijon, auch durch gut ausgebaute Radwege erreichbar, beginnt die wohl bekannteste Weinregion. „Wenn sie einen Burgunder für 13 Euro sehen, vergessen Sie’s“, rät Robin Jayet, im renommierten Weingut „Château de Marsannay“ für Weintourismus und Veranstaltungen zuständig. Auf 40 Hektar werden 42 Weine angebaut. Angesichts der Flaschenpreise, die ab 35 Euro beginnen und nach oben keine Grenze zu scheinen haben, setzt man hier komplett auf Qualität bei der Anpflanzung vor allem des Pinot Noir, und beim Ausbau - alles bio, wie man bei einer Führung durch das Weingut (2, rue de Vigne in Marsannay-la-Côte) erfahren kann. Nach einem guten Essen - oder davor - ein Likörchen: Schwarze Johannisbeeren sind die Basis für die Crème de Cassis, die man auch als Zutat für den Kir (mit Weißwein) oder Kir Royale (mit Sekt) kennt. In der Qualität, wie Adrien Tirelli in seinem Laden den Likör anbietet, ist er zu schade fürs Mixen. Samtig legt sich das Getränk auf den Gaumen.

Käsehändler Christophe LeCoq hat den Stand von seiner Tante übernommen. © Michaela Roßner

Wie man Senf selbst herstellen kann, kann man bei einem Kurs in der „Senf-Werkstatt“ (Anmeldung über das Office de Tourisme) lernen. Es ist ganz einfach: Senfkörner werden (hier per Mörser, beim Produzenten in einer Steinmühle) zu einer gelben Paste verarbeitet und mit Essig und Salz verrührt. Beim Mörsern ist ganz schön viel Geduld und Muskelkraft notwendig, und natürlich kommt es auch hier auf die gute Qualität der Zutaten an. Außerdem gilt: Je wärmer die Senfpaste beim Mahlen wird, desto mehr verliert sie an Schärfe - und dafür ist der Dijoner Senf gerade berühmt. Früher wurde junger Wein (Verjus) zu den Körnern gegeben, doch die europaweit durch das Auftauchen der Reblaus aufgetretene Krise im Weinbau sorgte dafür, dass Essig in den Senf kam.

Schwarze und braune Senfkörner aus der Umgebung von Dijon sind nur in den besten Senftöpfen verarbeitet, in Kanada oder anderen Regionen der Welt wird günstiger Senfsaat produziert. „Senf aus Dijon“ ist auch seit 1937 keine geschützte Herkunftsbezeichnung mehr. Gab es früher noch zig Senfmühlen in der Stadt, hält heute nur noch Fallot (aus Beaune) die Tradition der Senfherstellung aufrecht. Der zweite traditionsreiche Anbieter in Dijon hat seine Wurzeln in der französischen Hauptstadt: Antoine-Claude Maille, der Vater, legte 1720 als Pariser Essigproduzent den Grundstein für die spätere Senf-Dynastie. Essig verkaufte er zunächst in Marseille als Mittel gegen die grassierende Pest. Später begann man, kleine Pillen aus geriebener Senfsaat in den Essig zu legen - und bekam Senf. 1845 öffneten seine Nachfahren den Senfladen in einem Eckhaus in der Rue de la Liberté in Dijon, in dem man heute noch kaufen kann. Senf gehört in Frankreich als Zutat zu vielen Gerichten, so ist etwa die Salat-Vinaigrette kaum denkbar ohne diesen Schärfespender. Auch im 17. Jahrhundert wurde Senf bei fast jeder Mahlzeit mit auf den Teller platziert. Die Redewendung „seinen Senf dazugeben“ soll auf diese Gepflogenheit zurückgehen. In der Antike galt Senf als Symbol für Glück.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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