Trentino Südtirol

Luxus am Gletscher

Das Schutzhaus Schöne Aussicht kombiniert Wellness und gute Küche mit einer Lage in luftiger Höhe. Es ist ein wunderbares Basislager für schneesichere Pisten und eine besondere Skitour

Von 
Florian Sanktjohanser
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Auf dem Weg zur Ötzi-Fundstelle: Bergführer Robert Ciatti steigt zum Hauslabjoch auf. © dpa-tmn

Die Kälte sticht nicht sofort zu, wenn man in 2840 Metern Höhe aus dem Saunafass tritt. Mit einem Tuch um die Lenden steht man im Schnee, blinzelt in die Sonne, die knapp über den Gipfeln des Saldurkamms steht – und grüßt die drei Tourengeher, die gerade nackt in einen dampfenden Holzzuber steigen.

Auf der Terrasse daneben trinken die Gäste Weißbier oder Spritz und wirken genauso wenig irritiert wie die Skifahrer, die vor der Berghütte aus den Bindungen steigen. Denn dafür ist das Schutzhaus Schöne Aussicht, das Rifugio Bella Vista, in den Ötztaler Alpen berühmt: Wellness im Hochgebirge. Und für das hervorragende Essen. Und seinen umtriebigen Wirt.

Schwitzen im Saunafass am Gletscher: Dass deshalb rund um die Schutzhütte halbnackte Leute rumlaufen, gefällt hier nicht jedem. © dpa-tmn

Paul Grüner ist fast zwei Meter groß und von Bärenstatur; mit Sonnenbrille und Wollmütze, Daunenjacke und Weste über dem hellblauen Hemd schlurft er über die Terrasse, grüßt hier und da Stammgäste, verabschiedet herzlich eine Gruppe angedüdelter Südtiroler.

Hütte Schöne Aussicht am Schnalstaler Gletscher

Anreise Mit der Bahn über Bozen nach Meran. Von dort per Bus zuerst nach Naturns und dann nach Kurzras.

Unterkunft Die Hütte ist im Winter von Ende November bis Anfang Mai geöffnet und dann wieder ab 20. Juni bis Anfang Oktober. Es gibt 14 Doppelzimmer und Lager mit 18 Betten. Die Halbpension kostet im Doppelzimmer 90 Euro, im Lager 70 Euro.

Wintersport Der Tagespass für die Alpin Arena Schnals Senales kostet diesen Winter 41 bis 51 Euro. (www.schnalstal.com/de/)

Skitour Die Ötzi-Skitour wird jeden Dienstag angeboten, meist führt sie Robert Ciatti. Die gesamte Tour dauert sechs bis sieben Stunden und erfordert gute Kondition. Sie kostet 140 Euro pro Person. (www.archeoparc.it/oetzi-glacier-tour/)

Informationen IDM Südtirol (Tel.: 0039 (0) 471 094 000, www.suedtirol.info/de)

„Ich bin ein Eingeborener“, sagt Grüner, aufgewachsen in Karthaus unten im Schnalstal, wo er auch das Hotel Goldene Rose führt. Nebenbei bekocht er mit seiner Firma „Ö wie Knödel“ Filmcrews, die gerne in dem abgelegenen Seitental des Vinschgau drehen. Eine eigene Kosmetiklinie hat er auch.

Schaumwein und mehrgängiges Dinner

Hüttenwirt Grüner ist geschäftstüchtig. Als er 2001 das erste Saunafass aus Lappland per Helikopter zur Hütte fliegen ließ, war das eine Sensation. Nach nur zwei Jahren brannte das Fass ab, doch Grüner ließ es vom Tischler originalgetreu nachbauen. Daneben setzte er gleich ein zweites – und einen Jacuzzi. Denn Sauna allein bieten mittlerweile auch andere Berghütten.

Rundum zufrieden: Hüttenwirt Paul Grüner in seinem Lieblingsbüro – auf der Terrasse seiner Hütte. © Florian Sanktjohanser/dpa-tmn

Natürlich gefallen solche Innovationen nicht jedem. „Ich mag es nicht, wenn auf der Schutzhütte halbnackte Leute rumlaufen“, sagt ein einheimischer Bergführer. Auch die Schneekübel voller Schaumweinflaschen entsprechen nicht exakt karger Alpinisten-Orthodoxie, ebenso wie der voll verspiegelte Schuppen für Motorschlitten oder das leuchtende Draht-Rentier. Zumindest am mehrgängigen Dinner dürften sich aber selbst Traditionalisten kaum stören. „Ich habe Koch gelernt“, sagt Grüner, „da hat man natürlich andere Ansprüche.“ Zudem hätten sich seine Gäste verändert. „Vor 20 Jahren haben viele ihren Gaskocher mitgenommen und gefragt, ob sie im Schuhraum Suppe machen dürfen. Mittlerweile schätzten es auch die jungen Tourengeher, gut zu schlafen und abends einen Wein zu trinken.“ 2006 hat Grüner deshalb die Hütte renoviert. Seitdem gibt es WLAN und heiße Duschen, beim Einseifen kann man durch die Panoramafenster in die Berge schauen. Die Zimmer aber sind rustikal geblieben, mit alten Betten und kleinen Sprossenfenstern. Längst nicht alle Gäste hier sind Skibergsteiger – vielen genügt das kleine Skigebiet am Schnalstaler Gletscher direkt vor der Haustür.

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Steffen Mack
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Aus Polen, Italien und Deutschland reisen die meisten Gäste an, die hoch gelegene Alpin Arena Schnals lockt mit ihrer Schneesicherheit Wintersportler aus ganz Europa. Da es aber im ganzen Tal nur 1200 Betten gibt und dieses für die meisten Tagesausflügler zu abgelegen ist, steht man fast nie am Lift an – selbst in den Ferien und an Wochenenden, sagen die Stammgäste.

Auf zum Steinzeitgrab

Noch einsamer ist man auf der Ötzi-Skitour, obwohl das Ziel alles andere als ein Geheimtipp ist: die Fundstelle des Ötzi, hoch oben am Tisenjoch. 1995 hat Robert Ciatti die Tour zum ersten Mal geführt, im Laufe der Jahre ging er sie mit Wissenschaftlern, Reinhold Messner und dem Ehepaar Simon, den Entdeckern des Ötzi. Die Geschichte vom Steinzeit-Mord und der einmaligen Mumie fasziniert ihn bis heute.

Champagner statt Weißbier – auf der Bella-Vista-Hütte geht es mondän zu. © dpa-tmn

Zur Fundstelle sind es zwar nur sechs Kilometer, „aber wir werden drei bis vier Stunden dorthin brauchen“, sagt der 69-jährige Bergführer. „Man muss hoch, runter, queren.“ Mit Gegenanstiegen kämen 700 bis 800 Höhenmeter zusammen.

Rasch verlässt Ciatti die Piste und quert unterhalb der schwarzen Wand. Durch Schneedünen, Wechten und vom Gletscher geschliffene Felsen spurt er voraus. Im Sommer gehe man hier über Geröll, sagt er. „Im Winter ist die Tour viel schöner.“

Gleichmäßig wie ein Metronom gleitet Ciatti später den Gletscher hinauf, der zwischen Felskämmen zunehmend schmaler wird. Vor Jahrtausenden schon trieben Hirten ihre Schafe und Ziegen über diese, damals eisfreien Pässe, erzählt er. Gut möglich, dass auch der Ötzi eine Herde führte – und deshalb überfallen wurde.

Ein paar steile Schritte noch, dann steht Ciatti oben: auf dem Hauslabjoch in 3280 Metern Höhe, dem höchsten Punkt der Tour. Die Aussicht ist famos. Verlockend nah ragen Similaun und die Marzellspitzen auf, davor wölbt sich der Niederjochferner, in der Ferne spitzen Ortler und Brenta heraus. „Der Ötzi ist 5300 Jahre hier gelegen“, sagt Ciatti, „was der für ein schönes Grab hatte.“

Tatsächlich wartet noch ein kurzer, steiler Abstieg, bis man am Türmchen aus Schieferplatten steht. In vier Sprachen verkündet es die Weltsensation. Die wahre Fundstelle, 70 Meter entfernt, markiert ein schlichter roter Punkt auf einem Felsbrocken: eine Mulde, in der sich jeden Winter metertief Schnee sammelt. Nur sehr selten schmilzt er ganz – so wie 1991, nach einem extrem schneearmen Winter und heißen Sommer. Am 19. September kamen Erika und Helmut Simon zufällig hier vorbei. Und knipsten die Leiche mit dem letzten Foto auf ihrem Film. Selbst wenn man all das gehört und gelesen hat, im Ötzi-Museum und im Archäopark war und vielleicht sogar den seltsamen Ötzi-Kinofilm geschaut hat – erst hier oben wird einem klar, wie absolut erstaunlich dieser Fund war.

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